Zu Besuch im Dorf der Holzspielzeugmacher

Es duftet nach Holz. Uralte Werkzeuge hängen an der Wand. Im Traditionsbetrieb der Familie Neuber entsteht in liebevoller Handarbeit original Erzgebirgische Volkskunst.
Titelbild
Holzspielzeugmachermeister Christian Neuber in seiner Werkstatt in Seiffen.Foto: Anna Werner
Von 23. Dezember 2022

Am östlichen Rand des Erzgebirges liegt in einem Talkessel eingebettet ein malerischer Ort: Seiffen – das Dorf der Spielzeugmacher. Zur Weihnachtszeit leuchten hier in vielen Fenstern die Schwibbögen im festlichen Lichterglanz und tragen so zur beschaulichen Winteridylle bei. Im Dorf leben etwa 50 Holzspielzeugmacherfamilien, in deren Werkstätten seit Jahrhunderten unverwechselbares Kunsthandwerk entsteht. Viele der Familien blicken auf eine lange Tradition zurück.

So auch Christian Neuber. Dem 26-jährigen Holzspielzeugmachermeister wurde das Handwerk regelrecht in die Wiege gelegt. „Ich bin in Sägespänen groß geworden“, sagt er. In der Familienwerkstatt „Erzgebirgische Volkskunst Knuth Neuber“ führte ihn sein Vater von klein auf an die Kunst der Holzverarbeitung heran.

Seine erste kleine Laubsäge erhielt er im Grundschulalter. Damit schuf er zunächst noch kleineren Baumschmuck, bis die Sägen, die Stücke und auch er immer größer wurden. Als er das richtige Alter erreicht hatte, ging es dann an die Drechselbank. Unterstützt wurde der Spross der Familie immer von seinem Vater Knuth, der 2016 verstarb. Er hinterließ seiner Familie und der Welt ein wertvolles Erbe. „Mein Vater hat sehr viel Wert auf Qualität gelegt. Der Qualitätsanspruch war hoch.“

Ausbildung zum Holzspielzeugmacher zunehmend gefragt

Seine Kenntnisse und Fertigkeiten konnte Christian Neuber in seiner Ausbildung zum Holzspielzeugmacher an der Fachschule in Seiffen weiter vertiefen. Es ist Deutschlands einzige Berufsschule, die dieses traditionsreiche Handwerk als Ausbildung anbietet. Die Schule hat mittlerweile so viele Auszubildende, wie seit Jahren nicht mehr. Erstmals wurde eine zweite Klasse eröffnet. Aktuell lernen derzeit 29 junge Frauen und Männer das Handwerk.

An der Berufsschule wird den Lehrlingen traditionelles und neues Wissen vermittelt, damit das jahrhundertealte Holzhandwerk am Leben gehalten wird. Die Herstellung gegenständlicher Produkte ist ein wichtiger Bestandteil der Erzgebirgischen Volkskunst. Ihre Entstehungsgeschichte hängt eng mit dem Bergbau zusammen.

„Wollte nie etwas anderes machen“

Im Jahr 2019 stellte Christian Neuber sein handwerkliches Geschick unter Beweis: Er schloss als Bester seines Jahrganges die Meisterausbildung zum Holzspielzeugmacher und Drechsler ab.

Mittlerweile führt er den kleinen Familienbetrieb in bereits sechster Generation. Seine Mutter Annett Neuber führt die Geschäfte. Zu keinem Zeitpunkt konnte er sich vorstellen, jemals etwas anderes zu machen. „Sechs Generationen sind 130 Jahre Firmengeschichte – da steht was dahinter und es gibt einen Grund, warum das besteht: Weil es wahrscheinlich etwas Gutes ist. Da steht es nahe, dass man so ein Unternehmen weiterbetreibt“, äußert er.

Kleine Weihnachtsmannfiguren warten in der Werkstatt auf ihren Einsatz. Foto: Anna Werner

Familie und Tradition liegen ihm am Herzen: „Ich wünsche mir auch, dass ich nicht der Letzte bin, der das Unternehmen weiterführt. Es ist mir wichtig, weil ich mich schon seit meiner Jugend sehr stark eingebracht habe. Ich hänge auch an manchen Produkten, das bedeutet mir schon viel.“

Etwa 70 Prozent der heutigen Produktpalette der Manufaktur entstammen der Feder von Knuth Neuber, dem Vater. Sohn Christian ergänzte das Sortiment mit seinen eigenen Ideen und Kreationen.

„Dass ich ein Produkt von der Idee über den Entwurf und Zeichnung bis hin zur praktischen Umsetzung mit eigenen Händen selbstständig herstellen kann, schätze ich an meiner Arbeit am meisten“, verrät er.

Handarbeit versus Maschinen

Der Familienbetrieb, der aktuell acht Mitarbeiter beschäftigt, produziert die typisch erzgebirgischen Holzerzeugnisse, wie Schwibbögen, Pyramiden und Figuren in traditionell sorgfältiger Handarbeit. Allein die Bogenleiste bei der Fertigung eines Schwibbogens zähle sechzehn Arbeitsschritte, erklärt Neuber. Etwa zehn Schwibbögen würden im Monat produziert. Je nach Produkt falle etwa 60–80 Prozent reine Handarbeit an, den Rest würden Maschinen erledigen.

Mit dem Wandel der Produkte, die im Laufe der Firmengeschichte immer detaillierter wurden, kamen auch mehr Maschinen zum Einsatz. „Es kann mir keiner erzählen, dass er die Fenster einer drei Zentimeter großen Kirche noch mit der Hand aussägt.“ Das falle nun in den Bereich der computergesteuerten Holzfrästechnik (CNC-Technik). Allein aufgrund der Tatsache, dass die Schwibbögen inzwischen mit LED-Technik ausgestattet sind, musste man sich mit neuen Technologien beschäftigen.

Spielzeug, wohin das Auge blickt: In sorgfältiger Handarbeit entsteht im Traditionsbetrieb der Familie Neuber aus einheimischen Hölzern echte Erzgebirgische Volkskunst. Foto: Anna Werner

Nicht nur wegen der einzigartigen Maserung, die aus jeder Pyramide und jedem Schwibbogen ein Unikat mache, sondern auch aus Gründen der Funktionalität werde Esche bevorzugt als Holz eingesetzt: „Die Schwibbögen werden unter heißem Wasserdampf gebogen. Wenn die Esche auf den Dampf trifft, wird sie besonders elastisch und lässt sich besser in eine Biegeform pressen als andere Hölzer“, erklärt der Jungunternehmer.

Buche, Ahorn und Kirschholz würden die Materialpalette komplementieren. „Kirschholz hat einen rötlichen Ton. Wir verwenden es als Kontrastholz, weil wir relativ wenig Decklacke verwenden. Wir bevorzugen es natürlich und spielen mit den unterschiedlichen Maserungen und Farben der Hölzer“, so Neuber. Das Holz bezieht das Familienunternehmen direkt aus einem großen Mischholz-Sägewerk aus dem Nachbarort.

Das klassische Schwarzenberger Motiv: Zwei Bergmänner, eine Klöppelfrau und ein Schnitzer. Der Volksbrauch besagt, dass das Licht des Schwibbogens den Bergleuten, dessen Leben sich zum großen Teil im Dunkeln unter Tage abspielte, den sicheren Weg zurück in die Häuser zu ihren Familien zeigen sollte. Die Sehnsucht der Bergleute nach dem Licht beschert uns heute noch zur Weihnachtszeit den warmen Schein der Schwibbögen und Kerzen in den Fenstern. Foto: Anna Werner

Keine „verrückten“ Sonderanfertigungen

Besonders gerne fertigt Christian Neuber von den 20 verschiedenen Schwibbögen das klassische Schwarzenberger Motiv an – ein Sinnbild der erzgebirgischen Weihnachtstradition. Es zeigt zwei Bergmänner, eine Klöppelfrau und einen Schnitzer bei der Arbeit. „Es ist ein ganz altes bergmännisches Motiv. Wir stellen es als einziger Betrieb dreidimensional her, also massiv, figürlich und mit der Hand bemalt“, so Neuber.

Jeder Arbeitsschritt bei der Fertigung der Produkte sei besonders. Am anspruchsvollsten findet der Spielzeugmacher jedoch die Malerei. „Weil die Gesichter der Figuren wichtig und ausschlaggebend sind. Die Kunden achten zuallererst auf das Gesicht. Da entscheidet sich, ob der Kunde das Produkt sympathisch findet oder nicht.“

Sympathische kleine Sternsinger: Ein elektrischer Schwibbogen mit Innenbeleuchtung der Kirche, Häuser und Laternen macht noch mehr Lust auf Weihnachten. Foto: Anna Werner

Sympathisch finden wohl auch Kunden aus dem Ausland die Kunstwerke aus der heimischen Werkstatt. So nahm man schon Bestellungen aus Zypern, Japan und den USA entgegen. Selbst ans andere Ende der Welt, nach Australien, wurden schon Spanschachteln verschickt. Abnehmer seien zum Teil kleine Ladengeschäfte, „die sich etwas Schönes eingerichtet haben“, so Neuber. Größtenteils würden aber Privatkunden die Produkte über den Onlineshop beziehen.

Auch Kunden mit Spezialwünschen kämen auf ihre Kosten. „Ich muss die Leute aber manchmal ausbremsen, da gelegentlich recht verrückte Ideen kommen.“ Damit die normale Produktion nicht ins Stocken gerät, kümmert sich Neuber selbst um die Sonderanfertigungen. Meist abends für eine Stunde, weil es ihm auch Spaß mache, an Neuem zu arbeiten. „Es muss dennoch in einem gewissen Rahmen bleiben und unseren Produkten ähneln“, sagt er bestimmt.

Das aufwendig restaurierte und liebevoll eingerichtete Musterzimmer. Hier können Besucher alle Produkte der Werkstatt, wie Pyramiden, Schwibbögen, Spanschachteln und Figuren entdecken. Foto: Anna Werner

Urige Atmosphäre im Musterzimmer

Kunden, die vor Ort einkaufen, kommen in einen ganz besonderen Genuss: Vor zwei Jahren baute und renovierte Christian Neuber das historische Musterzimmer, das sich nur zwei Häuser von der Werkstatt entfernt befindet. Einem kleinen Museum gleich, setzt die Familie dort alle Produkte aus der Werkstatt authentisch in Szene. Das Musterzimmer ist Schau- und gleichzeitig Verkaufsraum. „Ich mag, dass ich unseren Kunden zu jedem Produkt eine eigene Geschichte erzählen kann. Ich weiß, wo es herkommt, ich kann über das reden, was ich mache“, sagt er.

Aus einem über 100 Jahre alten Schuppen entnahm Christian Neuber Balken und Bretter und verbaute sie in das Musterzimmer. „Bis 2017 war das Musterzimmer die Arbeitsstube, in der zwei Frauen saßen und die Produkte montierten. Ganz, ganz früher war es die Küche des Hausinhabers, mein Ururururgroßvater.“

Auf das Musterzimmer ist Neuber stolz. „Dafür ernten wir Etliches an Lob, weil es mal was anderes ist. Es ist etwas urig, so sind wir auch. Es spiegelt uns ein Stück weit wider.“

Kleine und große Pyramiden schön in Szene gesetzt. Früher war hier die Küche, in der auch gearbeitet wurde. Ein alter Kachelofen zeugt noch davon. Foto: Anna Werner

Trotz steigender Preise keine Zukunftssorgen

Herausforderungen, um den kleinen Familienbetrieb aufrechtzuerhalten, gebe es bislang keine, gesteht der 26-Jährige. „Ich bin sehr dankbar, dass wir in der Hinsicht nie große Probleme hatten. Die Elektrotechnik, die wir in die Schwibbögen verbauen, machen wir nicht selber, die wird gebracht. Auch holztechnisch sind wir keine Großabnehmer.“

Eine Rohstoffabhängigkeit bestehe nicht, da das Haus komplett mit Holzabfällen geheizt werde, so Neuber. Die Presslinge und Pellets produziere man praktischerweise aus dem eigenen Holzstaub.

„Einzig die Preissteigerungen gehen an niemanden vorbei“, gesteht er. Da das Holz teurer geworden sei, mussten auch die Preise der Produkte angepasst werden. Produkte ohne Elektrik wurden preislich etwa um 10 Prozent erhöht, für größere Stücke rechne man nun 15 Prozent mehr.

Der Kunde sei davon aber recht unbeeindruckt und könne ganz gut damit umgehen, fügt er hinzu. „Wir hatten dieses Jahr ein gutes Jahr und sind sehr dankbar. Auch die letzten Jahre waren wir sehr zufrieden. Corona hat uns nicht vom Hocker gerissen. Zukunftssorgen haben wir keine, wirtschaftlich gesehen.“

Im Gegenteil. Man habe bemerkt, dass die Kunden wieder vermehrt beim Hersteller einkaufen. „Die Leute kamen wieder direkt zu uns und wollten auch einen Blick in unsere Werkstatt werfen.“

Fast schon museal: An der uralten Drechselbank in einer Ecke des Musterzimmers haben fünf Generationen der Neubers gearbeitet. Foto: Anna Werner

Das Traditionelle finde deswegen so großen Anklang, weil es für die Menschen wichtig sei, „um runterzukommen und sich zu besinnen“, weiß der Holzspielzeugmacher. „Gerade in Zeiten wie diesen, wo so viel aufgebracht ist, spielt die Beleuchtung, dieses Gemütliche und Heimelige eine besondere Rolle.“ Ein Erbstück oder auch ein neues Objekt könne einem dabei helfen, ein Stück weit zu entschleunigen, zur Ruhe zu kommen und Weihnachten zu leben, so Neuber. „So ein beleuchteter Schwibbogen im Fenster trägt dazu bei.“

Vorsicht, Sammelgefahr: Spanschachteln mit Holzfiguren sind in einer Schublade eines bemalten Schranks liebevoll arrangiert. Foto: Anna Werner

 

Eine kleine Tischpyramide mit Engeln und Bergmann. Die Drehung des Flügelrades durch Kerzenwärme ist der Fördertechnik von Schachtanlagen im erzgebirgischen Bergbau entnommen. Foto: Anna Werner

 

 



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