Giuseppe Arcimboldo und „Die Zeiten der Natur“

Im Jahr 1891, vor inzwischen fast 135 Jahren, fanden die Kunstsammlungen der Habsburger ihre Heimat im neu errichteten Kunsthistorischen Museum unweit der Wiener Ringstraße. Wie eine gigantische Schatulle beherbergt das eindrucksvolle Bauwerk seitdem seine wertvollen Kunstschätze – darunter auch Giuseppe Arcimboldos faszinierend eigenartigen Jahreszeitenporträts von Sommer und Winter.
Geschaffen hat sie der Maler im Jahr 1563 für den habsburgischen Kaiser Ferdinand I. als Teil einer vierteiligen Gemäldereihe – ein Jahr nachdem der Künstler im Alter von 36 Jahren aus dem heimatlichen Mailand nach Wien gekommen war.

„Selbstporträt“ Giuseppe Arcimboldos, 23 x 15,7 cm, National Galerie Prag. Foto: gemeinfrei
In den folgenden Jahrhunderten ging „Der Herbst“ der Wiener Jahreszeitenserie verloren. „Der Frühling“ wiederum gelangte – vermutlich durch Schenkung – an den spanischen Hof und ist bis heute im Madrider Prado zu bestaunen.
Besondere Begegnung
In der facettenreichen Schau „Arcimboldo – Bassano – Bruegel. Die Zeiten der Natur“ werden die Wiener Arcimboldos nun jedoch von ihren Münchner Verwandten besucht.
Drei von vier Jahreszeitenporträts aus der Alten Pinakothek München durften – mit konservatorischer Erlaubnis – nach Wien reisen. Nach neuester Forschung entstanden sie wahrscheinlich noch in Arcimboldos Mailänder Zeit um 1560 und gelangten nur wenige Jahrzehnte später in den Sammlungsbestand der bayerischen Herzöge.
Das Zusammentreffen der Münchner und Wiener Werkserie im Kunsthistorischen Museum ermöglicht nun eine vergleichende Sicht der sogenannten „Kompositköpfe“, die zum berühmten Markenzeichen des Mailänder Malers wurden und ihre Betrachter bis heute in den Bann ziehen.
Denn aus der Distanz betrachtet, fügen sich in den ungewöhnlichen Gemälden Farben und Formen zu seltsamen und doch menschlich anmutenden Physiognomien. Je mehr man sich den Tafelbildern jedoch nähert, umso stärker treten einzelne Blüten, Früchte, Blätter, Stängel, Gräser, Wurzeln und Äste in den Fokus der Wahrnehmung.
Vielschichtige Bildbotschaften
So setzt sich allein das Konterfei des Frühlings aus mehr als 80 identifizierbaren Blumen, Blättern, Kräutern und Dolden zusammen.
Eigentümlichkeit und Finesse der Gemälde enden jedoch nicht in dieser detailreichen Vielfalt.
Vielmehr stilisiert Arcimboldo die Jahreszeiten zu Personen, die den zyklischen Kreislauf der Natur symbolisieren. Doch nicht nur das: Jede der auf Lindenholz meisterlich komponierten Konterfeis weist auch auf die lineare Zeitdimension des Lebens hin.
Arcimboldo verknüpft jede Jahreszeit bildhaft mit einem Lebensalter: Von der blühenden Jugend des Frühlings über die fruchtbringende Sommerzeit des Erwachsenenalters zur herbstlichen Reife bis zum knorrigen, holzig erstarrten Winter.
Auch durch die für jedes Gemälde ganz bewusst gewählten Farbpaletten unterstreicht Arcimboldo seine Botschaft von Wandel und Vergänglichkeit. Mit rosig hellen, saftig leuchtenden, erdigen und graubraunen Tönen führt er dem Betrachter das Wachsen, Blühen und Vergehen der Natur und das Fortschreiten der Zeit vor Augen.

Ein Frauenbildnis, ganz aus Blumen zusammengesetzt. Jede Pflanze verdankt sich intensiven Naturstudien, die Giuseppe Arcimboldo schon während seiner Zeit am Hof intensiv betrieben hatte. Foto: gemeinfrei
Gegenstand von Diskussionen
Kein Wunder, dass die vielschichtigen Werke des Künstlers bereits zur Zeit ihrer Entstehung lebhafte Diskussionen auslösten.
So berichtet der Arzt Johannes Neefe um 1563 von angeregten Tischgesprächen am Habsburger Hof in Wien. Kaiser Ferdinand I. selbst habe, so Neefe, die Gemälde seines Hofkünstlers Botanikern, Philosophen und Ärzten gezeigt und sich mit seinen Gästen intensiv über die skurrilen Kompositköpfe ausgetauscht.
Ein Umstand, der Giuseppe Arcimboldo zu vier weiteren Kompositköpfen inspiriert haben mag. 1566 widmet sich der Künstler nun den vier Elementen Erde, Feuer, Wasser und Luft. Auftraggeber ist jetzt Kaiser Maximilian II., Sohn und Thronfolger des verstorbenen Ferdinand I.
Phänomene der Natur – Temperamente des Menschen
In den Porträtbildern der vier Elemente sind nun Gegenstände, Gerätschaften oder Tiere kunstvoll zusammengestellt. Und auch farblich sind die Gemälde den jeweils spezifischen Eigenschaften der Elemente angepasst. Gleichzeitig lassen Kolorit und Symbolik auch an die vier Temperamente denken, die dem menschlichen Charakter seit der Antike zugeschrieben werden.
Zurückgehend auf die Elementenlehre des griechischen Philosophen Empedokles entspricht das Feuer dem Wesen des Cholerikers, die Erde dem Melancholiker, das Wasser dem phlegmatischen Menschen und die Luft dem Sanguiniker.
Arcimboldos Bildkomposition „Die Luft“ ist heute nur in Kopien und Stichen überliefert. Seine uns auch heute noch überraschenden Bildkompositionen zu den Elementen Feuer, Wasser und Erde sind dagegen in der Wiener Ausstellung im Original zu sehen.
Können und Originalität
Darüber hinaus zeigen Zeichnungen und Skizzen Arcimboldos nach der Natur, wie wichtig dem Künstler die meisterhaft naturalistische Wiedergabe der Bildelemente war, aus denen er seine verblüffenden Kompositköpfe zusammensetzte.

„Naturstudie“ von Giuseppe Arcimboldo, um 1560, kolorierte Zeichnung, Österreichische Nationalbibliothek. Foto: gemeinfrei
Eine Meisterschaft, die auch bei seinen Künstlerkollegen nicht unbeachtet blieb. So weist im Jahr 1590 der Maler, Kunsthistoriker und Zeitgenosse Arcimboldos, Gian Paolo Lomazzo, darauf hin, welch „große Sorgfalt und unermessliches Studium“ in den „zusammengesetzten Köpfen“ zutage tritt.
Immer noch versetzen uns das künstlerische Können und die schillernde Tiefgründigkeit der ungewöhnlichen Brustbilder in Erstaunen. Arcimboldos eigenwillige Bildfindungen haben auch Jahrhunderte nach ihrer Entstehung nichts von ihrer Sonderlichkeit verloren.
Denn wie schon zur Zeit ihrer Entstehung tragen sie auch heute Widersprüchliches in sich: die naturgetreue, fast liebevolle Darstellung von Fauna und Flora ebenso wie die irritierende Skurrilität der, aus diesen Elementen zusammengefügten, eigentümlichen Wesen.

„Arcimboldo – Bassano – Bruegel.
Die Zeiten der Natur“
Kunsthistorisches Museum Wien
vom 11. März 2025
bis 29. Juni 2025
Öffnungszeiten:
Täglich außer Montag, 10–18 Uhr
Donnerstag, 10–21 Uhr
Ab Juni täglich geöffnet.
Der reich bebilderte Katalog zur Ausstellung umfasst 320 Seiten und ist beim Belser Verlag und Hannibal Books zum Preis von 59 Euro erschienen.
ISBN 978-3-7630-2926-6
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