„Nicht überdramatisierte“ Dashboards zeigen: Intensivbetten-Auslastung keine zuverlässige Messgröße in Corona-Krise

Die Situation in Indien ist alles andere als entspannt, dennoch unterschieden sich Deutschland und Indien den Zahlen nach kaum. Zu diesem Ergebnis kommt Big-Data-Spezialist Martin Adam anhand offizieller Zahlen aus dem Subkontinent, die in seine eigenen Corona-Dashboards einfließen. Adams Auswertungen zeigen zudem, warum die Auslastung der Intensivbetten keine sinnvolle Bewertungsgröße der Pandemie ist.
Grün statt orange und mittelrot statt fast schwarz. Martin Adams Corona-Dashboards zeichnen ein ganz anderes Bild der Pandemie – und ihrer Kenngrößen. Foto: Bildschirmfoto, mit freundlicher Genehmigung von Martin Adam
Grün statt orange und mittelrot statt fast schwarz. Martin Adams Corona-Dashboards zeichnen ein ganz anderes Bild der Pandemie – und ihrer Kenngrößen.Foto: Bildschirmfoto, mit freundlicher Genehmigung von Martin Adam
Von 18. Mai 2021

Um die Situation in Indien zu beschreiben, scheuen Medien nicht vor dramatischen Worten: „Die übermächtige zweite Welle“ und „Jenseits von herzzerreißend“ titelten beispielsweise „ARD“ und „ntv“ in Berichten über ein Gesundheitssystem am Rand des Kollaps.

Auch für Deutschland warnen ausgewählte Intensivmediziner in der Tagesschau vor Überlastungen. Martin Adam, Big-Data-Spezialist aus dem Süden Brandenburgs, hat sich die Situation in Indien und in Deutschland genauer angesehen, unzählige Daten gesammelt und zusammengefasst.

An dieser Stelle sei angemerkt, das deutsche und indische Gesundheitssystem ist in vielen Punkten nicht vergleichbar, ebenso wie die Länder. Während es eine Überlastung des deutschen Gesundheitssystems nach einem internen Bericht zu keinem Zeitpunkt während der Pandemie drohte [Epoch Times berichtete], sterben in Indien tatsächlich Menschen in Ermangelung der medizinischen Versorgung.

Wie Adam im Gespräch mit Epoch Times bestätigte, ist er sich dieser Tatsache bewusst und möchte keineswegs pietätlos wirken. Gleichzeitig möchte er anhand offizieller Zahlen zeigen, dass die Corona-Infektionen in Indien, nicht wie in den Medien behauptet, beispiellos sind.

Seine alternativen Corona-Dashboards zeichnen ein ganz anderes Bild der Pandemie, in dem sich Deutschland und Indien den Zahlen nach kaum unterscheiden. Außerdem zeigen die Karten, warum die Zahl der freien Intensivbetten ebenso nichtssagend ist, wie die Inzidenz.

Eine „nicht überdramatisierte Darstellung der Situation“

„Es ist alles eine Frage der richtigen Darstellung!“, erklärte Martin Adam gegenüber dem „corona-blog“. Jüngstes Beispiel ist die blutrote Einfärbung der Inzidenz-Karte der „Tagesschau“. Grund der tiefroten Färbung war keine plötzliche Häufung von Corona-Fällen, sondern Änderungen der Legende. [Epoch Times berichtete]

In den vergangenen Wochen hat sich Adam erneut mit den deutschen und weltweiten Corona-Zahlen beschäftigt. Seine erste Auswertung zeigte einen deutlichen Anstieg der Todesfälle unter Senioren in zeitlichem Zusammenhang mit den Corona-Impfungen. [Epoch Times berichtete mit Zahlen und Interview] – Das Ergebnis seiner aktuellen Arbeit ist, wie der „corona-blog“ schreibt, eine „nicht überdramatisierte Darstellung der Situation“. Für sachliche Diskussionen und Kritik rund um die Darstellung der Daten sei der Autor offen.

Adams erste Karte ist auf Grundlage der Daten des RKI und der Gesundheitsämter aufgebaut. Sie ist – abgesehen von der Farbgebung – identisch mit den Karten des RKI, der „Tagesschau“ und anderen Medien und wird fortlaufend aktualisiert. Selbstverständlich trifft die Kritik bezüglich der Datengrundlage auch auf Adams Karte zu: Die ausgewiesene Inzidenz ist abhängig von der Testanzahl und der Vorauswahl. [Epoch Times berichtete] Hinzu kommt ein Meldeverzug, der in vereinzelten Fällen mehrere Monate bis zu einem Jahr betragen kann.

Anders als die Karte der „Tagesschau“ zeigt Adams Inzidenz-Karte auch grüne Flecken. Landkreise, in denen die Inzidenz unter 35 liegt und damit den untersten Grenzwert der Regierungsmaßnahmen unterschreiten. Statt beinahe schwarz („ARD“) oder lila (RKI) färbt Adam Landkreise mit einer Inzidenz über 200 „nur“ rot ein.

Gleichzeitig stellt Adam zusätzliche wichtige Informationen bereit:
Martin Adams „nicht überdramatisierte“ Inzidenz-Karte basiert auf den Zahlen des RKI und der Gesundheitsämter.

Martin Adams „nicht überdramatisierte“ Inzidenz-Karte basiert auf den Zahlen des RKI und der Gesundheitsämter. Foto: Bildschirmfoto, mit freundlicher Genehmigung, corona-karten.com/map/

Die Details umfassen neben der Gesamtzahl der (Todes-)Fälle jedoch auch Informationen zur Zuordnung zu den RKI-Falldefinitionen. Fälle mit klinisch-labordiagnostischem Nachweis entsprechen dabei im Prinzip Fällen mit positivem PCR-Test und Symptomen jeden Schweregrades vor dem Test.

Ein labordiagnostischer Nachweis bei nicht erfüllter Klinik entspricht Personen, die nur einen positiven PCR-Test haben, ohne Symptome vor dem Test gehabt zu haben. In der letzten Kategorie, Fälle mit labordiagnostischem Nachweis bei unbekannter Klinik, werden Personen erfasst, die einen positiven PCR-Test haben und man nicht weiß, ob sie Symptome hatten oder nicht.

Überlastung der Intensivbetten? Mit COVID-Patienten?

Angesichts der Ungenauigkeiten der Inzidenz fordern verschiedene Stellen, die Auslastung der Intensivbetten zur Beurteilung der Situation heranzuziehen. Wie das aussehen könnte, hat Adam in einer zweiten Karte dargestellt.

Während in verschiedenen Talkshows Intensivmediziner immer wieder vor einer Überlastung der Intensivbetten warnen – Der Bettenschwund wird dabei nicht thematisiert – zeigt Adams Karte eine überwiegend grüne Färbung. Da es auch vor Corona Intensivpatienten gab [Epoch Times berichtete], liegt der Schwellwert bei 80 Prozent Auslastung.

Wiederum offenbart ein Klick in die Karte weitere Details über die Situation in den Land- und Stadtkreisen. Dabei wird jedoch auch deutlich, dass die hohe Auslastung nicht immer auf Corona zurückzuführen ist – und umgekehrt, dass eine niedrige Auslastung nicht zwangsweise auf einen geringen Anteil COVID-Patienten hindeutet:

Intensivbetten nach Land- und Stadtkreisen: Beispiel LK Sächsische Schweiz Osterzgebirge.

Auslastung der Intensivbetten nach Land- und Stadtkreisen: Beispiel LK Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Foto: Bildschirmfoto, mit freundlicher Genehmigung, corona-karten.com/map/map2.php

Intensivbetten nach Land- und Stadtkreisen: Beispiel LK Straubing-Bogen.

Auslastung der Intensivbetten nach Land- und Stadtkreisen: Beispiel LK Straubing-Bogen. Foto: Bildschirmfoto, mit freundlicher Genehmigung, corona-karten.com/map/map2.php

Während im Osterzgebirge derzeit nur 8 von 177 Intensivbetten, oder 4,52 Prozent, frei sind, stehen in Straubing, zwei von elf, oder 18,18 Prozent der Betten leer. Dennoch entfallen in Straubing fast zwei Drittel der belegten Betten auf COVID-19-Patienten. Im Osterzgebirge machen sie lediglich knapp acht Prozent aus.

Überlastung ohne (COVID-19-)Patienten?

Noch deutlicher wird das im Landkreis Roth (Bayern). Hier sind zwar alle derzeit verfügbaren Intensivbetten belegt – jedoch kein einziger COVID-Patient in Behandlung.

Intensivbetten nach Land- und Stadtkreisen: Beispiel LK Roth.

Auslastung der Intensivbetten nach Land- und Stadtkreisen: Beispiel LK Roth. Foto: Bildschirmfoto, mit freundlicher Genehmigung, corona-karten.com/map/map2.php

Ebenfalls dramatisch scheint die Lage in den Stadt- und Landkreisen Coburg, Neustadt a.d. Waldnaab, Rhein-Pfalz-Kreis sowie Führt. Alle Regionen sind auf Adams Karte rot eingefärbt. Aber nicht, weil es viele (COVID-19-)Patienten gibt, sondern, weil in diesen Regionen keine Intensivbetten gemeldet wurden. Folglich können auch keine Betten leer stehen und die Auslastung liegt – ohne einen einzigen Patienten – bei 100 Prozent.

Intensivbetten nach Land- und Stadtkreisen: Beispiel LK Coburg.

Auslastung der Intensivbetten nach Land- und Stadtkreisen: Beispiel LK Coburg. Foto: Bildschirmfoto, mit freundlicher Genehmigung, corona-karten.com/map/map2.php

Deutschland und Indien nicht so unterschiedlich

Neben der „überdramatisierten“ Lage im Inland beherrscht zuletzt Indien die deutschen Corona-Schlagzeilen. Auch Epoch Times berichtete und auch Martin Adam hat sich mit Indien, beziehungsweise mit den Zahlen aus der ganzen Welt befasst. Aus den Datenbanken von RKI, WHO und CDC trug er Daten über die einzelnen Länder zusammen und erstellte eine dritte Karte, die die Situation weltweit vergleichbar macht.

Die Einfärbung orientiert sich an der Sieben-Tage-Mortalität – also wie viele Menschen in den vergangenen sieben Tagen im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion gestorben sind. Alle Zahlen werden dabei auf eine Sterberate pro 100.000 Einwohner normiert. Da in Deutschland die Lage als „unter Kontrolle“ bezeichnet wird, diente die deutsche Sterberate als mittlere Referenzsterberate und bekam die Farbe Orange:

Deutschland und Indien sind doch vergleichbar.

Sieben-Tage-Sterblichkeit weltweit. (Zum Vergrößern ins Bild klicken, öffnet in neuem Tab.) Foto: Bildschirmfoto, mit freundlicher Genehmigung, corona-karten.com/map/countrymap.php

Wie kann es sein, dass Indien und Deutschland fast die gleiche Farbe haben?

Glaubt man den Medienberichten, müsste Indien dunkelstes rot haben. Auch wenn man sich die reinen Sterbezahlen für das Land ansieht, sieht der aktuelle Anstieg dramatisch aus.

Das Problem, erklärt Adam, ist, dass die Zahlen nicht im Verhältnis stehen. In Indien leben etwa 1,366 Milliarden Menschen und damit etwa 16,5-mal mehr als in Deutschland. Entsprechend hoch sind die Sterbezahlen. Knapp 4.000 Corona-Tote pro Tag in Indien übersteigen sogar die durchschnittliche, tägliche Zahl aller Sterbefälle – etwa 2.500 – in Deutschland.

Pro 100.000 Menschen starben in den letzten sieben Tagen dennoch „nur“ 2,04 Menschen an oder mit Corona. Zum Vergleich, für Deutschland sank dieser Wert in den letzten Tagen auf 1,65. Vor etwa einer Woche starben hierzulande 1,98 Menschen pro 100.000 Einwohner. In Ungarn und Kroatien liegt die Sterblichkeit aktuell bei 6,3 Toten pro 100.000 Einwohner, in Uruguay sogar bei 10.

Adam sagte: „Im weltweiten Vergleich ist die Covid-19-Sterberate in Indien wirklich gering. Aber natürlich sind das statistische Auswertungen. Es sterben auch in Indien viele Menschen an COVID-19, das darf man nicht übersehen. In den vergangenen sieben Tagen kamen circa zehn Prozent der Covid-19-Toten dazu. Das sieht erst einmal extrem aus und wenn man das auf einer Kurve sieht, dann haut es einem den Graphen fast senkrecht nach oben. Aber in Wirklichkeit sterben in Indien gerade gemessen an der Bevölkerungszahl [fast] genauso viele Menschen wie in Deutschland.“

(Mit Material vom „corona-blog“ und freundlicher Genehmigung von Martin Adam.)



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