Krebs „aushungern“ lassen: Forscher schlägt neue Methode zur Krebsbehandlung vor

Die Theorie, wie Krebs entsteht, ist falsch, glaubt der Krebsforscher Thomas N. Seyfried und erklärt, warum das so ist. Er zeigt verschiedene Studien auf, die der herkömmlichen Theorie widersprechen, und eine mögliche Heilung.
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„Die Mutationen, die wir bei Krebs sehen, […] sind eine Folge, nicht die Ursache von Krebs“, meint Krebsforscher Seyfried.Foto: iStock
Von 7. April 2023

„Krebs ist keine genetische, sondern eine Stoffwechselerkrankung.“ Das meinte Thomas N. Seyfried, Krebsforscher und Professor für Biologie am Boston College, gegenüber Epoch Times. Wenn die Menschen das verstehen, werde sich die Zahl der Todesfälle deutlich verringern. Zudem werde sich die Lebensqualität verbessern und das Überleben sich erheblich steigern, ist er überzeugt.

Die Krebsrate ist seit Jahrzehnten unverändert hoch

Krebs ist weltweit auf dem Vormarsch: Im Jahr 2020 erkrankten mehr als 19 Millionen Menschen auf der Welt neu an Krebs. Laut den Prognosen des Statistischen Bundesamtes wird diese Zahl bis 2040 auf mehr als 30 Millionen ansteigen.  

Was Deutschland anbelangt, so gab es dem Deutschen Krebsforschungszentrum zufolge im Jahr 2018 bundesweit circa 1,6 Millionen Krebskranke. Jedes Jahr erkranken rund 500.000 Menschen neu an Krebs, Tendenz steigend. Etwa 230.000 Menschen erliegen jährlich dieser Krankheit.

EU-weit gibt es jedes Jahr fast 3 Millionen neue Krebsfälle; 1,27 Millionen Krebskranke sterben jährlich, schreibt das Europäische Parlament.

Krebs ist möglicherweise keine Erbkrankheit

Krebsforscher Seyfried nach gibt es einen Grund, warum so viele Menschen an Krebs sterben: Die Medizin folge einer bestimmten Theorie, wie Krebs entsteht. Doch diese Theorie sei falsch.

Krebs wird im Allgemeinen als eine genetische Erkrankung angesehen. Medizinische Lehrbücher erklären die Ursache von Krebs mit der Theorie der somatischen Mutation – die erworbene Mutation eines Gens in einer Zelle. In diesen Lehrbüchern heißt es, dass Krebs durch Mutationen von Genen verursacht wird, die das Zellwachstum, die Zellteilung und Entwicklung von Gewebe steuern. Diese mutierten Zellen vermehren sich unendlich und bilden bösartige Tumore. [1] 

Allerdings erwähnte Seyfried in seinem Gespräch mit der Epoch Times und in seinen veröffentlichten Forschungsarbeiten [2] viele Sachverhalte, die der oben genannten Theorie widersprechen:

  1. Einige Krebsarten weisen keine genetischen und chromosomale Mutationen auf.
  2. Einige Krebserreger verursachen keine Genmutation.
  3. Krebs-„Mutationen“ treten auch in normalen Zellen auf, aber einige entwickeln sich nicht zu Krebszellen weiter.
  4. Da Krebs als genetische Störung angesehen wird, wurde die personalisierte Behandlung oder Präzisionsmedizin entwickelt. Einige maßgeschneiderte, zielgerichtete Krebsmedikamente haben jedoch Off-Target-Effekte, das bedeutet, sie verändern ungewollte Bereiche der DNA.
  5. Menschen im Altertum vor Tausenden Jahren erkrankten selten an Krebs; auch Ureinwohner, die in einer natürlichen Umgebung leben, haben selten Krebs.

Seyfried führte auch Experimente zur Transplantation von Zellkernen und -plasma durch. [3] Dies lieferte Beweise für die Möglichkeit, dass Krebs keine genetische Störung ist.

Stoffwechsel steuert Krebs

Ferner ergaben Studien an Gehirntumoren, Hautkrebs und metastasierenden Brustkrebszellen, dass eine normale Mitochondrienfunktion das fehlregulierte Zellwachstum hemmt. Das passiere zudem unabhängig von der Anzahl der genetischen oder chromosomalen Anomalien im Tumorzellkern. All dies beweise laut Seyfried, dass Zellmutationen nicht die Hauptursache für Krebs seien; Krebs sei in Wirklichkeit eine Stoffwechselstörung.

Zellversuche legen nahe, dass Krebs keine genetische Störung ist.

Zellversuche legen nahe, dass Krebs keine genetische Störung ist. Foto: Epoch Times nach Thomas N. Seyfried (2015); doi.org/10.3389/fcell.2015.00043

Unter normalen Umständen entwickeln sich normale Zellen zu normalen Zellen mit kontrolliertem Wachstum (Fall 1), während sich Krebszellen zu Krebszellen mit unkontrolliertem Wachstum entwickeln (Fall 2).

Gene werden im Zellkern gespeichert. Doch wenn man den Kern einer Krebszelle in das Zellplasma (Zytoplasma) mit normalen Mitochondrien (Kraftwerke der Zellen, die eine Erbsubstanz beinhalten) implantiert, entwickelt sich die Zelle trotzdem zu einer normalen Zelle (Fall 3). Nach der Theorie der somatischen Mutation müsste sich eine Zelle mit einem Krebszellkern zu einer Krebszelle entwickeln.

Wenn man jedoch einen normalen Zellkern in ein krebsartiges Zellplasma mit abnormalen Mitochondrien einpflanzt, entwickelt sich die Zelle dennoch zu einer Krebszelle (Fall 4).

Der größte Unterschied zwischen normalen Zellen und Krebszellen

Die Annahme, dass Krebs eine Stoffwechselerkrankung sei, ist nicht neu. Otto Warburg, ein deutscher Biochemiker und Physiologe, stellte diese Theorie erstmals vor etwa 100 Jahren auf. Normale Zellen bauen Glukose – einen Einfachzucker, der ihnen als Energiequelle dient – durch aerobe Atmung ab. Sie verbrauchen dabei Sauerstoff und geben Kohlendioxid und Wasser frei. 

Warburg stellte jedoch fest, dass Krebszellen anders sind: Sie gewinnen Energie durch Gärung, sogar dann, wenn genug Sauerstoffmoleküle vorhanden sind. Warburg schlug daher vor, dass die aerobe Atmungsinsuffizienz (Störung des Gasabtausches) der Ursprung von Krebs sei.

Seyfried erweiterte Warburgs Theorie: Ihm zufolge beziehen Krebszellen auch viel Energie aus der Gärung einer Aminosäure namens Glutamin. [4][5] Folglich können Krebszellen nicht atmen, das heißt, sie erhalten ihre Energie nicht durch Sauerstoff, sondern durch Gärung.

Alle Krebsarten könnten ohne Sauerstoff überleben, so Seyfried. Ohne Zucker, Glukose und die Aminosäure Glutamin würden sie jedoch absterben.

Ursache vs. Wirkung

Die aerobe Zellatmung findet hauptsächlich in den Mitochondrien statt. Die Mitochondrien, die für die Atmung verantwortlich sind, sind bei allen häufig auftretenden Krebsarten beschädigt und hohl, ihre Struktur ist unübersichtlich und defekt. Das verändert die Funktion der Mitochondrien und führt dazu, dass die Zellen keine Energie mehr durch sauerstoffabhängigen Stoffwechsel gewinnen können. Das hat zur Folge, dass der Stoffwechsel der Zelle nicht mehr in erster Linie auf Sauerstoff, sondern auf Gärung beruht.

Seyfried zufolge verursacht der Verlust der normalen Funktion der Zellmitochondrien die verschiedenen Anomalien in Krebszellen. Die Funktion kann aus verschiedenen Gründen gestört sein einschließlich krebserregender Stoffe, Strahlung, Umweltverschmutzung, Entzündungen, Alter, Viren und so weiter. Wenn die Mitochondrien geschädigt sind, entstehen viele Sauerstoffradikale (ROS), die den Zellkern weiter angreifen und zerstören.

„Die Mutationen, die wir bei Krebs sehen, sind das Ergebnis von Schäden durch Sauerstoffradikale. Die Mutationen sind eine Folge, nicht die Ursache von Krebs“, erklärte Seyfried.

Normale Mitochondrien (links) mit intakter Struktur der Cristae (Einstülpungen in der inneren Membran). Mitochondrien von Krebszellen (rechts) sind deformiert und hohl. Foto: Epoch Times nach Thomas N. Seyfried, Professor für Biologie am Boston College

Im Verlauf des Interviews ging Seyfried auch auf das Phänomen ein, dass alle Krebsarten den gleichen Metastasierungsprozess durchlaufen. Dabei werden zunächst einzelne Zellen krebsartig und bilden Tumore; die Tumorzellen breiten sich dann über die Blutgefäße und das Kreislaufsystem in andere Teile des Körpers aus und bilden neue Tumore.

Seyfried findet, dass die Theorie des mitochondrialen Stoffwechsels diesen Vorgang besser erklärt als die Theorie der somatischen Mutation: Zunächst verschlingen Makrophagen (Fresszellen, weiße Blutkörperchen) die defekten Vor-Krebsgene und verschmelzen mit ihnen. Danach werden die normal funktionierenden Mitochondrien aufgrund der Entzündung allmählich durch dysfunktionale Mitochondrien ersetzt. Als Immunzellen können sich Makrophagen im ganzen Körper bewegen. Dadurch verbreiten sich Krebszellen, die eine Verschmelzung von Vorkrebsgenen und Makrophagen sind, im ganzen Körper.

„Press-Pulse“-Therapie: Den Stoffwechsel der Krebszellen ändern

Seyfried ist daher der Meinung, dass auch die bestehende Methode zur Krebsbehandlung falsch ist. Wenn Menschen die Stoffwechsel-Theorie von Krebs annehmen, würden sie solche Behandlungen wie die Chemo- und Strahlentherapie durch neue Therapien ersetzen, so der Krebsforscher.

Auf der Grundlage dieser Theorie entwickelten Seyfried und seine Kollegen die „Press-Pulse“-Therapie. [6][7] Es ist eine Behandlungsmethode, die eine ketogene Diät, Glutaminase-Hemmer und Stressmanagement umfasst.

Ketogene Diät

Bei der ketogenen Diät isst man wenig Kohlenhydrate und viel Fett. Die Leber produziert dann Ketonkörper; die gesunden Zellen im Körper nutzen sie als Energielieferanten und greifen nicht mehr auf Zucker zurück. Da Krebszellen defekte Mitochondrien und einen gestörten Stoffwechsel haben – sie nutzen nur fermentierte Zucker und Glutamin zur Energiegewinnung –, können sie aus Ketonkörpern keine Energie gewinnen. [8]

Der Zweck einer ketogenen Diät in Kombination mit wichtigen Medikamenten besteht darin, das Verhältnis von Glukose und Ketonkörpern im Blut in ein ideales Verhältnis zu bringen. Gleichzeitig soll auch die Fähigkeit der Krebszellen, Glutamin zu gewinnen, gehemmt werden. Auf diese Weise können wir die Krebszellen „aushungern“, was die gleiche Wirkung wie andere Krebsbehandlungen hat.

Stressmanagement

Ein wichtiger Aspekt der „Press-Pulse“-Therapie ist die Stresskontrolle und das emotionale Management. Seyfried betonte in dem Gespräch, dass die psychische Belastung der Menschen in direktem Zusammenhang mit der Entstehung von Krebs steht. Wenn bei Patienten Krebs diagnostiziert wird, geraten sie in extreme Panik und können sich nicht beruhigen oder in Ruhe essen. 

Übermäßiger Stress treibt den Blutzuckerspiegel in die Höhe, was das schnelle Wachstum von Krebszellen anregen kann. Das führt dazu, dass der Krebs außer Kontrolle gerät. Wenn der Patient und seine Familie sich emotional und psychisch beruhigen, kann dies die geistige und körperliche Verfassung des Patienten weiter stärken.

Fallbeispiele zur Krebsbekämpfung mit der ketogenen Diät

Es gibt viele erfolgreiche Fälle, in denen Krebs mit einer Regulierung des Stoffwechsels erfolgreich bekämpft werden konnte. Außerdem wenden viele Patienten diese Methode an, wenn herkömmliche Krebsbehandlungen wie die Chemo- und Strahlentherapie unwirksam sind oder wenn sich der Krebs ausgebreitet hat.

Beispielsweise behandelte eine Studie aus dem Jahr 2018 einen 38-jährigen Mann mit einem bösartigen Hirntumor. Nach Abschluss einer Chemo- und Strahlentherapie und einer 20-monatigen ketogenen Ernährungstherapie verringerte sich der Tumor des Patienten um etwa 1,5 Zentimeter im Durchmesser. Er schien bei guter Gesundheit zu sein und zeigte keine klinischen oder neurologischen Defizite. [9]

In einer anderen Studie ging es um einen 54-jährigen Mann mit Lungenkrebs. Die Krebszellen hatten metastasiert und breiteten sich aufs Gehirn aus. Da die Strahlen- und Chemotherapie keine Wirkung zeigten, versuchte der Patient es mit einer ketogenen Ernährung. Zwei Jahre später schrumpften die Tumore in seinem Gehirn und in der Lunge; nach neun Jahren Behandlung blieben die Tumore im Gehirn und in der Lunge in ihrer Größe stabil. [10]

Laut einer weiteren Studie wurde bei einer 45-jährigen Frau aus Ohio Ende 2016 Brustkrebs diagnostiziert. Im August 2018 hatte sich der Krebs auf andere Teile des Körpers ausgebreitet. Es traten Tumore im Gehirn, Mittelfell, Bauch, in der Lunge, Leber sowie in Knochen auf. Ihr Arzt gab ihr weniger als einen Monat zu leben. Die Patientin begann im November 2018 mit einer „Press-Pulse“-Therapie. Im April 2019 zeigte ihr Untersuchungsbericht, dass die Behandlung wirksam war. Die letzte Kontrolluntersuchung fand im März 2021 statt und zeigte einen stabilen Zustand, die Tumore tauchten nicht wieder auf und die Lebensqualität der Patientin hatte sich verbessert. [11]

Studien stützen Stoffwechseltheorie

Im Jahr 2020 erschien in der Fachzeitschrift „Clinical Nutrition“ eine Studie. In ihr wiesen die Forscher 80 Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem und metastasiertem Brustkrebs nach dem Zufallsprinzip einer ketogenen Diät oder einer Kontrollgruppe zu. Die beiden Gruppen wurden zwölf Wochen lang behandelt. Die Patientinnen in der ketogenen Diätgruppe hatten am Ende weniger Insulin im Blut und ihre Tumore waren geschrumpft. [12]

Zwei kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature“ erschienene Arbeiten beschreiben ebenfalls den therapeutischen Nutzen einer kohlenhydratarmen Ernährung [13] und einer dem Fasten nachempfundenen Diät [14] für Patienten mit Prostatakrebs. Eine ketogene Diät, die Fasten umfasst und wenig Kohlenhydrate enthält, kann den Blutzuckerspiegel senken und das Tumorwachstum unter Kontrolle halten. Diese Ergebnisse stützen die Hypothese, dass mehr Ketonkörper im Blut das Tumorwachstum hemmen. [15]

Sport, Fasten und eine kohlenhydratarme Ernährung beugen Krebs vor

Wie kann also ein durchschnittlicher Mensch einen gesunden Stoffwechsel aufrechterhalten und Krebs vorbeugen? Seyfried nach sinkt die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, wenn die Mitochondrien in den Zellen gesund bleiben. Er sagte, dass dies durch bestimmte Fastenzeiten (nur Wasser trinken), eine kohlenhydratarme Ernährung und Sport erreicht werden könne.

Er betonte auch, dass kohlenhydratreiche und ungesunde Lebensmittel wie beispielsweise Fertiggerichte Krebs verursachen können. Er riet dazu, auf solche Lebensmittel zu verzichten, denn die westliche Ernährung stehe nicht nur im Zusammenhang mit Krebs, sondern auch mit Krankheiten wie Alzheimer, Typ-2-Diabetes und Fettleibigkeit.

„Sobald die westliche Ernährung in der Bevölkerung Einzug erhält, bekommt man Krebs […] und Diabetes und so weiter“. Sein Fazit ist: Wenn man nichts esse, werde man sehr gesund. „Trinken Sie einfach Wasser“, rät er.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: Expert Explains Cancer May Be Metabolic Disease, and Shares a Cure (redaktionelle Bearbeitung as)

Literatur und Quellen

[1] Vogelstein et al. (2013); doi.org/10.1126/science.1235122

[2] Seyfried, Chinopoulos (2021); doi.org/10.3390/metabo11090572

[3] Thomas N. Seyfried (2015); doi.org/10.3389/fcell.2015.00043

[4] Chinopoulos, Seyfried (2018); doi.org/10.1177/1759091418818261

[5] Seyfried et al. (2020a); doi.org/10.1016/j.isci.2020.101761

[6] Seyfried et al. (2017); doi.org/10.1186/s12986-017-0178-2

[7] Seyfried et al. (2020b); doi.org/10.3389/fnut.2020.00021

[8] Mukherjee et al. (2019); doi.org/10.1038/s42003-019-0455-x

[9] Elsakka et al. (2018); doi.org/10.3389/fnut.2018.00020

[10] Evangeliou et al. (2022); doi.org/10.7759/cureus.27603

[11] İyikesici et al. (2021); doi.org/10.7759/cureus.14686

[12] Khodabakhshi et al. (2020); doi.org/10.1016/j.clnu.2020.06.028

[13] Chi et al. (2022); doi.org/10.1038/s41391-022-00525-6

[14] Fay-Watt et al. (2022); doi.org/10.1038/s41391-022-00528-3

[15] Thomas N. Seyfried (2022); doi.org/10.1038/s41585-022-00612-2



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