Geleakt: Gesundheitsämter warnen vor „kostenintensivem Holzweg“

Eine „Besserstellung“ von Geimpften und Genesenen kommt für den Landkreistag Baden-Württemberg nicht in Betracht, wie aus einem geheimen Dokument hervorgeht, das der "Pflege für Aufklärung" zugespielt wurde.
Noch stehen die neuen Corona-Maßnahmen für den Herbst nicht fest. Doch an Kritik zum neuen Infektionsschutzgesetz mangelt es nicht.
Noch stehen die neuen Corona-Maßnahmen für den Herbst nicht fest. Doch an Kritik zum neuen Infektionsschutzgesetz mangelt es nicht.Foto: iStock
Von 2. September 2022

Der Epoch Times liegt ein Schreiben des Landkreistags Baden-Württemberg vor, das nicht für die Öffentlichkeit gedacht war. In dem Dokument vom 10. August, das an den Dezernenten des Deutschen Landkreistages in Berlin, Dr. Kay Ruge, adressiert ist, geht es um eine Stellungnahme zum neuen Infektionsschutzgesetz. Darin wird mit Kritik nicht gespart. Das Schreiben wurde „Pflege für Aufklärung“ zugespielt, um zu verdeutlichen, wie einerseits unter vorgehaltener Hand argumentiert und andererseits gegen Pfleger vorgegangen wird.

„Schon seit Monaten werden Pflegekräfte aufgrund der seit Mitte März geltenden einrichtungsbezogenen Impfpflicht von den Gesundheitsämtern drangsaliert“, erklärt Werner Möller, Mitbegründer von „Pflege für Aufklärung“. Der Atmungstherapeut hat jüngst selbst ein Schreiben erhalten, in dem er zur Einrichtung des Immunitätsnachweises für COVID-19 gebeten wurde. Sollte dies nicht übersandt werden, käme ein Bußgeld in Betracht, hieß es in dem Schreiben, über das Epoch Times berichtete.

Umso verwunderter war der Pfleger nun darüber, dass der Landkreistag Baden-Württemberg sich dafür einsetzt, dass Geimpfte und Ungeimpfte gleichbehandelt werden sollen. Dies sei einerseits erfreulich, andererseits erwecke es bei den Pflegern ein „negatives Geschmäckle“, weil diese Debatte nicht offen geführt wird, kritisiert Möller.

Keine Ausnahmen für Geimpfte, Genesene und Getestete – Maßnahmen für alle?

„Für fachlich nicht sinnvoll erachten die von uns befragten Gesundheitsämter die geplanten Ausnahmen für Geimpfte, Genesene und Getestete“, heißt es in dem Schreiben des Landkreistages Baden-Württemberg des Dezernatsleiters für Ordnung, Gesundheit und Strukturpolitik, Dr. Tim Gerhäusser.

Für Geimpfte und Genesene sei bekannt, dass im Falle einer Infektion die Wahrscheinlichkeit der Übertragung nicht wesentlich reduziert sei. Eine „Besserstellung“ zu den Ungeimpften und Nichtgenesenen sei daher nicht gerechtfertigt.

Aus diesem Grund solle auch von Ausnahmen der Maskenpflicht in Innenräumen für „frisch Geimpfte/Genesene“ abgesehen werden. Die Einführung derartige Begriffe, wonach die letzte Immunisierung nicht länger als 90 Tage zurückliegen darf, sieht der Landkreistag problematisch. Mit einer solchen Begrifflichkeit würde ein ständiger Anreiz geschaffen werden, dass sich die Bevölkerung alle drei Monate impfen lässt. „Dies ist weder von der STIKO für alle Bevölkerungsgruppen empfohlen – und entbehrt damit einer fachlichen Grundlage – noch ist dies durch unser bereits sowieso stark belastetes Versorgungssystem leistbar.“

Falsche Sicherheit durch Corona-Schnelltests

Zu den von der Regierung im Infektionsschutzgesetz geplanten Antigen-Schnelltests verweist der Landkreistag auf eine Problemlage, die „hinlänglich bekannt“ ist: „Die hohe Rate an falsch-negativen Ergebnissen in der Phase, bevor Symptome auftreten, und oft auch noch zu Beginn der Symptome führt zu einer falschen Sicherheit der Getesteten“,

Dies sei wissentlich bereits für frühere Virusvarianten nachgewiesen worden. Nach Meinung der überwiegenden Anzahl der Experten aus den Gesundheitsämtern habe sich dies im Verlauf der Omikron-Welle nochmals deutlich verschärft. Auch Infektiologen des Landesgesundheitsamts hätten dies bestätigt. „Die Anzahl der Meldungen von Fällen, bei denen der Test erst an Tag 3 oder 4 nach Symptombeginn positiv wurde, war noch nie so hoch“, heißt es aus Baden-Württemberg.

Nicht unerwähnt bleiben dürfe zudem die oft „zweifelhafte Qualität der an den Bürgerteststellen durchgeführten Testungen sowie die Begünstigung der Etablierung krimineller Strukturen durch die nicht hinreichend kontrollierbaren exzessiven Abrechnungszahlen“.

Keine Tests für Symptomlose

Des Weiteren warnt der Landkreistag davor, Testpflichten an Schulen und Kindergärten auf dem Rücken dieser Einrichtungen auszutragen. Damit werde erneut wertvolle Betreuungs- und Unterrichtszeit, die seit Jahren in der Bildung fehle, für Testungen verwendet.

Insgesamt sei mit Blick auf die aktuelle Immunitätslage und der Unzuverlässigkeit der Antigentestungen bei asymptomatischen Personen eine ungezielte Testpflicht außerhalb der vulnerablen Personengruppen sowieso abzulehnen.

Nach alledem begebe man sich mit umfangreichen Testangeboten für asymptomatische Personen auf einen „kostenintensiven Holzweg“. Das Tragen von Masken hingegen hält der Landkreistag für einfach und wirksam. Im Vergleich zu den Testungen sei die Kosten-Nutzen-Relation „überragend“.

Mögliche zukünftige regionale Beschränkungen sieht der Landkreistag ebenfalls kritisch. Aus den Erfahrungen der vergangenen Monate wisse man, dass diese bei einem landesweiten Infektionsgeschehen nicht zielführend seien und zudem der Bevölkerung kaum vermittelt werden könne. „Sollte es also wieder zu einschränkenden Maßnahmen kommen müssen, so sollten diese zumindest landesweit ausgesprochen werden.“ Das dürfte das „ohnehin schwer zu erlangende Verständnis der breiten Bevölkerung für Einschränkungen erhöhen“, so Gerhäusser.

Positionierung zu Impfpflicht bleibt aus

Was in der Stellungnahme des Landkreistages völlig außer Betracht bleibt, ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Das Wort Impfung taucht nicht einmal in dem Dokument auf. Darüber ist der Atmungstherapeut von „Pflege für Aufklärung“ mehr als enttäuscht. Denn schon seit Monaten zeige sich, dass die Impfkomplikationen, die in Arztpraxen und Krankenhäusern behandelt werden, immer mehr zu nehmen. Das weiß Möller sowohl von Kollegen als auch aus Beobachtungen in seinem eigenen Bekanntenkreis und auch den Gesundheitsämtern dürfe dieser Umstand nicht verborgen bleiben, erklärt der Pfleger.

Dass die Politik unter all diesen Umständen der Diskriminierung von ungeimpften Pflegekräften keinen Riegel vorschiebt, kann er nicht verstehen. „Die einrichtungsbezogene Impfpflicht gehört abgeschafft“, fordert er. Eine öffentliche Diskussion ist laut Möller unvermeidbar. Ansonsten würden im Herbst noch mehr Pfleger ihren Beruf an den Nagel hängen. „Die Folgen für Patienten wären katastrophal.“ Schon jetzt könne man beobachten, dass Betten in Krankenhäusern abgebaut werden, weil nicht genügend Personal vorhanden ist. „Eine solche desolate Gesundheitspolitik könne nicht im Sinne des Volkes sein“, so Möller.

Auf eine Nachfrage der Epoch Times äußerte sich der Landkreistag Baden-Württemberg nicht. Es wurde lediglich pauschal darauf verwiesen, dass alle Positionspapiere unter https://www.landkreistag-bw.de/downloads/positionen-stellungnahmen zu finden seien. Das geleakte Papier befindet sich nicht darunter.



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