EU-Gesetz verknappt Medizinprodukte – Kommission will gegensteuern

Katheter, Herzschrittmacher, Röntgengeräte – lebenswichtige medizinische Produkte könnten aufgrund einer EU-Verordnung knapp werden. Hersteller und Ärzte hatten seit Jahren Alarm geschlagen. Nun reagiert die Europäische Kommission.
Der Chirurg hält im OP ein Skalpell in der Hand. (Archivbild)
Auch Skalpelle müssen erst genehmigt werden.Foto: picture alliance / dpa
Epoch Times10. Januar 2023

Der Druck auf Brüssel wurde zuletzt enorm: Am 6. Januar hat die EU-Kommission einen Vorschlag angenommen, mit dem ein Gesetz zur Zertifizierung von Medizinprodukten entschärft werden soll. Nun werden Herstellern mehr Zeit eingeräumt, um die neuen Vorschriften umzusetzen. Damit soll das Risiko von Engpässen gemindert werden.

Hintergrund ist die im Jahr 2017 in Kraft getretene europäische Verordnung für Medizinprodukte, die als Konsequenz aus dem Skandal um mangelhafte Brustimplantate resultierte. Bis zum Jahr 2024 müssen deshalb rund 20.000 Medizinprodukte wie Katheter, Herzschrittmacher, Röntgengeräte, Prothesen oder chirurgische Instrumente neu zertifiziert werden, auch wenn sie schon lange verwendet werden.

Ein langer Weg zur Zertifizierung

Doch die Zertifizierung ist oft kostspielig und nach Angaben betroffener Hersteller mit enormer Bürokratie verbunden. Zudem gibt es nur wenige benannte Stellen, welche die Zertifikate ausstellen können. Und auch sie müssen nun strengere Anforderungen erfüllen. Geschafft haben es EU-weit bislang nur 36 Einrichtungen. Die Anträge stauen sich. Für den bürokratischen Akt müssen Unternehmen in der Regel mit 13 bis 18 Monaten rechnen.

Die Folge: Hersteller – auch in Deutschland – fürchten nicht nur die langen Wartezeiten und den großen Aufwand. Sie vermeiden teilweise auch die Prozedur und nehmen einzelne Produkte lieber vom Markt.

Zu diesem Schluss kam eine im Mai 2022 veröffentlichte Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags in Zusammenarbeit mit anderen Verbänden. 378 Unternehmen hatten sich zu den Auswirkungen der neuen europäischen Verordnung geäußert.

Die Hälfte der Hersteller hätten demnach einzelne Produkte oder gar komplette Sortimente in 16 der 21 abgefragten Anwendungsgebiete gestrichen: zum Beispiel in der Orthopädie oder bei den klassischen chirurgischen Instrumenten.

Übergangsfristen sollen verlängert werden

Die EU-Gesundheitsminister hatten die Kommission zuletzt verstärkt zum Handeln gedrängt. Jetzt werden die Übergangsfristen verlängert und sollen sich nach der Risikoklasse der Medizinprodukte richten, so die Mitteilung der Kommission.

Das heißt, für Medizinprodukte mit höherem Risiko wie Herzschrittmacher und Hüftimplantate wird ein kürzerer Übergangszeitraum bis Dezember 2027 gesetzt. Bei Produkten mit mittlerem und geringerem Risiko wie Spritzen oder wiederverwendbare chirurgische Instrumente verlängert sich der Zeitraum für die Umstellung bis Dezember 2028.

Zudem soll die sogenannte Abverkaufsfrist wegfallen. Das heißt, dass die bestehenden Zulassungen der Medizinprodukte nicht automatisch auslaufen und so weiterverwendet werden können.

Der Bundesverband Medizintechnologie begrüßt den vorgeschlagenen Aufschub. „Wir müssen diese gesetzgeberischen Maßnahmen zügig umsetzen – und gleichzeitig daran arbeiten, die Rolle Europas als attraktive Region für Investitionen in medizintechnische Innovationen zu stärken“, so BVMed-Geschäftsführer Marc-Pierre Möll.

Mit der Fristverlängerung werden einige Probleme zwar aufgeschoben, aber nicht gelöst. Der Aufwand und die Kosten, um ein medizinisches Produkt auf den Markt zu bringen, dürfte für kleine Firmen nach wie vor kaum zu tragen sein. (dl/dts)



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