Das chronische Fatigue Syndrom – ein Schrecken ohne Ende?
Bei dem chronischen Fatigue Syndrom handelt es sich um eine komplexe neuro-immunologische Erkrankung, die nach Virusinfektionen als Spätfolge auftritt. Häufig tritt die Krankheit nach einer Infektion mit dem Eppstein-Barr-Virus auf, das das Pfeiffersche Drüsenfieber auslöst, aber auch diverse andere Viren lösen ME/CFS aus – in letzter Zeit vermehrt auch Covid.
Rund 20 Prozent der von Long Covid Betroffenen entwickeln diese Krankheit. Dabei richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper: Das autonome Nervensystem, das alle Körperfunktionen steuert, wird angegriffen. Der Energiestoffwechsel in den Zellen ist gestört und auch der Kreislauf, vor allem die Durchblutung der feinsten Blutgefäße. Die Folge sind Symptome, die den ganzen Organismus betreffen, aber insbesondere die sogenannte PEM – Post Exertional Malaise.
Eine unverhältnismäßige physische Erschöpfung nach selbst kleinsten Anstrengungen, die lange anhalten kann. Durch die Vielfalt der Symptome ist ME/CFS für Ärzte schwer zu diagnostizieren. Am Anfang steht meist, dass sich Menschen nach einer akuten Erkrankung nicht mehr erholen, nicht mehr auf die Beine kommen. Sie berichten davon, dass es sich anfühlt wie eine Dauergrippe. Über 60 Prozent der Betroffenen sind nicht mehr arbeitsfähig. Sehr viele sogar ans Bett gebunden.
Der Hamburger Journalist Nils Winkler ist nach einer frühen Covid-Infektion im März 2020 an ME/CFS erkrankt und hat mit einer befreundeten Ärztin, Gitta Meier, ein Buch geschrieben, um über die Krankheit aufzuklären und Betroffenen zu helfen: „Das Monster danach“. Wir haben mit Nils Winkler gesprochen.
Herr Winkler, Sie haben ein Buch als selbst von ME/CFS Betroffener geschrieben. Was hat Sie zu diesem Schritt motiviert?
ME/CFS ist im medizinischen Betrieb weitgehend unbekannt und wird oft mit „Müdigkeit“ oder „Erschöpfung“ – also „Fatigue“ gleichgesetzt. Das Wort kommt ja auch im Namen vor. Schnell habe ich aber gemerkt: Müdigkeit ist nicht das Problem. Und dass die Ärzte mit den Schultern zuckten. Also habe ich mit einer befreundeten Ärztin, Gitta Meier, selbst recherchiert. Das Ergebnis ist im Buch zusammengefasst. Als ich am Anfang stand, hätte ich so ein Buch gebraucht. Das gab es aber nicht. Deswegen haben wir es geschrieben.
Zunächst haben Sie also recherchiert, um ihre eigenen Symptome und Beschwerden zu verstehen. Ab wann wurde dann ein Buchprojekt daraus?
Über die Monate zuvor, fast eineinhalb Jahre, hatten wir ja schon Unmengen an Informationen angesammelt. Dann kam der Moment, wo wir sagten: Die meisten Menschen können das nicht selbst leisten. Das Wissen muss öffentlich zugänglich gemacht werden. Das war im Herbst letzten Jahres. Dann kam die Frage: Für wen ist dieses Buch eigentlich? Es war schnell klar, dass es allgemein verständlich und für die breite Öffentlichkeit sein sollte, und eben kein medizinisches Fachbuch.
Dennoch war uns wichtig, dass die Informationen im Buch absolut hieb- und stichfest sind. Den Großteil des Buches habe ich im Liegen auf dem Bett ins Handy getippt. Meine Frau, sie ist Redakteurin, hat dann diese Rohtexte glattgeschliffen. Das hätte ich gar nicht leisten können. Und immer wieder gab es enge Abstimmungen mit Gitta, meiner Co-Autorin, damit die Fakten medizinisch korrekt wiedergegeben werden.
Das klingt nach sehr viel Arbeit. Sie sind stark in Ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Wie ist das trotzdem gelungen?
Meine Leistungsfähigkeit, an so einem Thema konzentriert zu arbeiten, ist in der Tat extrem limitiert. Ich komme auf maximal eine Stunde am Tag, die ich so konzentriert etwas tun kann – dazu gehören auch konzentrierte Gespräche. Und an manchen Tagen ist das schon zu viel. Wenn ich mehr mache, sind die Folgetage eine Katastrophe, an denen ich gar nichts schaffe, weil die Energie fehlt und meine Symptome schlimmer werden. Es war also ein häppchenweises Arbeiten über mehrere Monate, das allen viel abverlangt hat und ich bin dankbar, dass die beteiligten Personen – nicht nur Gitta oder meine Frau, sondern auch etliche andere Unterstützer – auf diese Situation Rücksicht genommen haben. Heute wäre es mir nicht mehr möglich.
Was wollen Sie mit diesem Buch erreichen?
Zunächst sind sehr viele Betroffene mit der Erkrankung allein gelassen, weil die meisten Mediziner sich damit unzureichend auskennen und es fehlinterpretieren. Viele werden „in die Psycho-Ecke“ geschoben, wo sie nicht hingehören. Diese Leute finden sich nun im Buch wieder und haben endlich Ansatzpunkte. Gleichzeitig können Angehörige nun die Krankheit leichter verstehen, denn den Kranken sieht man nicht an, wie schwer sie betroffen sind. Es ist eine unsichtbare Krankheit.
Zumal Patienten oft „funktionieren“, wenn sie zum Beispiel bei Arztterminen sind. Und keiner sieht, dass sie den Rest des Tages oder der Woche im Bett verbringen. Die Krankheit wird also oft als psychisch oder psychosomatisch fehlinterpretiert, was für die Betroffenen schwere Folgen hat: Nicht nur ist die Diagnose falsch, auch ist die Behandlung mit einer psychischen Diagnose für sie nicht nur falsch, sondern sogar schädlich. Deswegen ist das Buch auch für Mediziner und medizinisches Personal ein wichtiger, leichter Einstieg in das Thema. Damit wäre sehr vielen Menschen geholfen.
Das Buch ist erschienen, die Bewertungen im Internet sind sehr positiv. Hätten Sie mit dem kommerziellen Erfolg gerechnet?
Die Reaktionen der Leser sind emotional und überwältigend. Besonders freut mich aber, dass auch die führenden Spezialisten für ME/CFS das Buch sehr positiv aufgenommen haben und es ihren Patienten empfehlen. Aber ob es ein kommerzieller Erfolg ist, spielt keine Rolle: Wir verdienen nichts am Projekt, sondern es geht um Information und Aufklärung. Wenn doch Gewinn abfällt, wird dieser für medizinische Forschungsprojekte gespendet.
Sie sagten, dass viele Covid-Erkrankte später ME/CFS entwickeln. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Aufklärungsarbeit der Bundesregierung angesichts der Corona-Krise?
Fakt ist, dass über die dramatischen Langzeitfolgen der Erkrankung, die wirklich jeden treffen können, viel zu wenig gesprochen wird. Es wird meist über die akute Erkrankung diskutiert – ob man beatmet werden muss oder „milde Symptome wie bei einer Erkältung“ hat. Dabei ist schon länger klar, dass das Problem größer ist. Das weiß auch der jetzige Gesundheitsminister Lauterbach: er hat schon sehr früh in der Pandemie über Twitter die Parallelen zur SARS-Pandemie 2004 gezogen, bei denen 60 Prozent der Überlebenden später ME/CFS ausbildeten.
Nun ist Lauterbach im Amt und man stellt fest, dass seitdem nicht viel passiert. Obwohl er nun von einer „Pandemie der Unbehandelten“ spricht. Absurd. Ich habe den Eindruck, dass nur auf Sicht gefahren wird in der Hoffnung, dass das Thema von allein wieder verschwindet. Nur das wird es nicht.
Es gibt Diskussionen über Impfschäden durch die Covid-Impfung, die ähnliche Symptome verursachen. Können Sie dazu etwas sagen?
Nur so viel: Das Post Vac Syndrom, bei dem „Post Covid Symptome“ nach einer Impfung und ohne eine Infektion mit dem Virus entstehen – die auch bis zu ME/CFS gehen können – kann nicht mehr geleugnet werden. Das gibt es. Aber es gibt auch berichtete Fälle, wo die Impfung bei ME/CFS-Erkrankten zu spürbarer Verbesserung führt. Es ist eine Risikoabwägung, aber mir fehlt die Datenbasis, um beurteilen zu können, wie groß das Problem wirklich ist.
Sehr viele Menschen sind an ME/CFS erkrankt. Wie viele sind es genau?
Die Experten und Patientenverbände gehen von rund 300.000 Betroffenen allein in Deutschland aus, wobei diese Zahl diejenigen nicht berücksichtigt, die ME/CFS in Folge einer Covid-Infektion entwickeln. Das wird nach Expertenmeinung zu mindestens einer Verdopplung der Fälle führen. Und schon heute ist der volkswirtschaftliche Schaden durch die Krankheit enorm und wird vom Forschungsnetzwerk EUROMENE, European Network on ME/CFS, mit mindestens 40 Milliarden Euro in der EU beziffert. Auf Deutschland heruntergerechnet wären das rund 7,4 Milliarden Euro an Folgekosten durch verlorene Arbeitsentgelte und Gesundheitskosten.
Hinzu kommt, dass sehr viele Menschen die Diagnose gar nicht haben – hier wird von einer großen Dunkelziffer ausgegangen. Denn wenn ein Patient mit „Erschöpfung“ zum Arzt geht, wird ihm meist empfohlen, eine Psychotherapie zu machen oder mehr Sport.
Das klingt absurd. Bei den Zahlen ist es keine seltene Krankheit und bei den Folgekosten sollte es ja eine hohe Motivation geben, das Problem zu lösen. Woran liegt es, dass das nicht so ist?
Ursächlich ist eine Fehleinschätzung von einigen hochrangigen Neurologen und Psychiatern in Großbritannien, die in den 80er Jahren Studien erstellt haben, die nachweisen sollen, dass ME/CFS psychische oder psychosomatische Ursachen hat. Heute sind diese Studien allesamt widerlegt. Zuletzt dokumentiert in der neuen NICE-Guideline zu ME/CFS. Das NICE ist das National Institute for Health and Care Excellence in GB. Dort hat man die weltweite Studienlage analysiert und komplett neu bewertet. Ergebnis: ME/CFS ist eine somatische Erkrankung des Nervensystems und Immunsystems und bisher empfohlene Therapien, die für viele andere Formen von Erschöpfung wirksam sind, sind bei ME/CFS sogar schädlich bis gefährlich.
Man kann sagen, dass die Herren die Krankheit damals gekapert haben, und diese Position hat sich über Jahrzehnte durchgesetzt. Da das Beschwerdebild komplex ist, verwundert es nicht, wenn Hausärzte, beim Wort „Fatigue“ reflexhaft eine Psychotherapie empfehlen und mehr Sport. Denn bei Tumor-Fatigue und Fatigue durch Depression hilft das.
Das ist auch eine Frage des Geldes: mit dem Honorar, das ein Hausarzt für die Patienten bekommt, kann er es sich gar nicht leisten, sich in so ein komplexes Beschwerdebild einzuarbeiten. Was es also braucht, ist eine Aufklärungskampagne für Ärzte, viel – auch verbindliche – Fortbildung und dass ME/CFS Bestandteil des Medizinstudiums wird, wie es bei Multiple Sklerose ja auch ganz selbstverständlich ist.
Sie sagen es selbst – das Wort „Fatigue“ bedeutet „Müdigkeit“. Wie muss man sich ME/CFS vorstellen – ist man damit dauermüde?
Nein, auch wenn oft nach wie vor der Begriff des „chronischen Müdigkeits-Syndroms“ genannt wird, trifft das Wort Müdigkeit die Situation der Betroffenen gar nicht. Denn sie sind nicht müde oder schläfrig, sondern leiden – insbesondere nach selbst kleinsten Anstrengungen – an einer tiefen, bleiernen Erschöpfung. Aber nicht unter Antriebslosigkeit oder mangelndem Lebensmut: Sie wollen, aber ihr Körper lässt sie nicht. Bei schwer betroffenen reicht dazu das Hochheben der Zahnbürste zum Zähneputzen – danach müssen sie sich erst einmal hinlegen.
Diese Erschöpfung – das ist das Kardinalsymptom von ME/CFS – tritt nach der Anstrengung auf und nicht während der Anstrengung. Und zwar auch zeitversetzt, am kommenden Tag beispielsweise, und kann wochenlang anhalten.
Wichtig ist aber zu erwähnen, dass die Symptome viel weiter gehen. Betroffen ist das Immunsystem und das autonome Nervensystem, das alle Körperfunktionen steuert. Außerdem ist der Energie-Stoffwechsel in den Zellen gestört und sehr oft auch die Durchblutung. Das bedeutet, dass der gesamte Organismus betroffen ist und alle Organe Symptome verursachen können. Das macht es auch so schwer greifbar für Ärzte und so verlockend, es als allgemeine „Fatigue“ und damit psychisch einzustufen. Es fehlt das Wissen.
Um es anschaulich zu machen: Wie macht sich die Krankheit bei Ihnen bemerkbar?
Erstmal ist typisch, dass sich die Krankheit schleichend entwickelt. Bei mir war es ein schleichender Übergang von den schrecklichen akuten Covid-Symptomen, die sich in milderer Form festgesetzt haben und nie verschwunden sind – also Reizhusten, niedrige Sauerstoffwerte und dergleichen – hin zu immer neuen Symptomen. Früh habe ich bemerkt, dass meine Leistungsfähigkeit weg ist und ich nach Anstrengungen ewig brauche, um mich davon zu erholen.
Im Sommer 2020 stand ich in einem kalten Bergsee und habe mich gefreut, dass der warm ist. War er nicht – er hatte 5 Grad. Polyneuropathie nennt man das, die Nervenfasern zwischen Hirn und Peripherie sind gestört. Hinzu kamen massive Kreislaufprobleme bis zur Ohnmacht, fehlende Muskelkraft – auch der Herz- und Atemmuskulatur, „Brainfog“, also Trance-ähnliche Zustände, enorme Vergesslichkeit, Sehprobleme – ich sehe alles mehrfach, Ohrgeräusche, Verdauungs- und Magenprobleme und so weiter.
Ich komme, wenn ich alle Beschwerden aufschreibe, die ich vor der Erkrankung nicht hatte, auf über fünf eng beschriebene Seiten. Vor der Erkrankung war ich kerngesund und sehr aktiv. Sie können sich vorstellen, dass das eine ziemliche Umstellung war.
Wo ist denn die Verbindung zu Covid. Es wird von Long Covid gesprochen, von Post Covid, vom Post Covid Syndrom. Steigen Sie da durch?
Im Grunde ist es einfach. Long Covid beschreibt die Symptome, die nach einer Covid-Infektion für einige Wochen bestehen bleiben können. Man kennt das auch von einer schweren Grippe oder anderen schweren Virusinfektionen. Es klingt dann aber, richtig behandelt, meist ab. Oft auch von allein. Von Post Covid spricht man bei Beschwerden, die auch Monate nach der Erkrankung noch bestehen – und die sind dann in vielen Fällen deckungsgleich mit ME/CFS.
Erhebungen der Charité in Berlin zeigen, dass bis zu 20 Prozent der Long-Covid-Fälle ME/CFS ausbilden. Das entspricht 1-2 Prozent der Covid-Erkrankten. Also – nur die offiziell gemeldeten Fälle gerechnet – rund 150.000 Menschen. Aber die Dunkelziffer ist ja auch da hoch, denn auch leicht oder symptomfrei an Covid Erkrankte, können die Langzeitfolgen ausbilden. Dann treten Symptome Monate später, zunächst scheinbar ohne Zusammenhang, neu auf.
Was kann man denn tun, wenn man an ME/CFS erkrankt ist – also wie kommt man zur Diagnose und wie ist die richtige Behandlung?
Der erste Schritt wäre einmal, dass man überhaupt die Vermutung hat, dass man an ME/CFS erkrankt sein könnte. Denn die Information bekommt man nur in den seltensten Fällen von seinem Arzt. Wenn man also an einer unerklärlichen Erschöpfung leidet, die nach Belastung schlimmer wird, sollte man sich über ME/CFS informieren. Man nennt dieses Kardinalsymptom PEM – Postexertionelle Malaise. Die gibt es in dieser Form nur bei ME/CFS und so lässt es sich sehr gut abgrenzen von anderen Ursachen für Fatigue.
Grundsätzlich kann jeder Hausarzt die Diagnose stellen. Ist die PEM vorhanden und sind andere Erkrankungen ausgeschlossen, kann jeder Arzt auf Basis anerkannter Diagnosekriterien, den sogenannten kanadischen Konsens-Kriterien, die Diagnose stellen. Eine solche Differentialdiagnose anhand fester klinischer Kriterien ist für Ärzte eigentlich Routine. Beispielsweise Migräne wird so diagnostiziert und eine Vielzahl anderer Erkrankungen.
Wie sieht die Versorgungslage von ME/CFS-Patienten in Deutschland aus?
Mit einem Wort: Düster. Wie bereits gesagt, findet ME/CFS im Medizinstudium und der Facharztausbildung nicht statt. Fortbildungsangebote sind selten und freiwillig. Und die Ärzte müssten ja erst einmal auf die Idee kommen, dass Fatigue nicht immer gleich psychosomatisch ist. Leider ist auch das Gesundheitssystem auf Scheibchenmedizin ausgelegt und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Fachärzten, wie es einer so komplexen Erkrankung angemessen wäre, gibt es nicht.
So landen am Ende viele Menschen mit ME/CFS in einer Reha, die per Definition die Patienten „aktivieren“ und wieder für den Beruf fit machen soll. Aber bei akut Erkrankten, die an ME/CFS leiden, führt das regelmäßig zu teilweise dramatischen Verschlechterungen. Und schließlich ist ME/CFS nicht im Katalog der „chronischen Erkrankungen“ enthalten, für die Ärzte mehr Geld bekommen können. Auch in der Versorgungsmedizin – also beim Versorgungsamt, den Rentenversicherungsträgern, den meisten Krankenkassen – ist ME/CFS nicht in den Katalogen aufgeführt und weitestgehend unbekannt.
Ich muss nicht erst sagen, dass das eine ganz unheilvolle Kombination ist, die für die Betroffenen sehr oft enormes menschliches Leid verursacht. Schwer körperlich kranke Menschen werden ignoriert, ausgelacht, ihnen werden psychische Störungen unterstellt.
Angesichts des großen volkswirtschaftlichen Schadens müsste es ja viele Initiativen in Medizin und Politik geben – was können Sie berichten?
Es gibt vereinzelt Bewegung, die hoffnungsvoll stimmt. Beispielsweise gab es Anhörungen in den Landtagen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zu ME/CFS. Auch gab es eine höchst erfolgreiche Petition an den Bundestag, woraufhin der Petitionsausschuss eine Anhörung durchgeführt hat. Aber konkrete Maßnahmen sind sehr selten und sehr gering. So gab es zwar Fördermittel für Forschung – fünf Millionen Euro für Erforschung von Long Covid. Aber das beinhaltet nicht das Krankheitsbild ME/CFS.
Außerdem ist es angesichts der volkswirtschaftlichen Kosten durch ME/CFS ein Tropfen auf dem heißen Stein und gänzlich unverhältnismäßig. Dabei wäre es gut investiertes Geld. Beispielsweise gibt es Medikamente gegen andere Autoimmunerkrankungen, die potenziell auch bei ME/CFS helfen. Aber die müssen erforscht und klinisch getestet und dann für ME/CFS zugelassen werden, was sehr teuer ist. Das – nur ein Beispiel – muss die Politik fördern.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?
Es wären drei Wünsche: Mehr Forschung, mehr Ausbildung und Fortbildung, bessere medizinische Versorgung. Und als Sahnehäubchen ein Ende der Stigmatisierung und der dramatischen Fehldiagnosen. Das waren nun schon vier. Der fünfte Wunsch wäre, dass möglichst viele Menschen unser Buch kaufen und lesen, verleihen, verschenken und die Erkrankung so bekannter wird.
Wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch und wünsche Ihnen und den anderen Betroffenen nur das Beste!
Das Interview führte Bernd Oliver Bühler
Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 53, vom 16. Juli 2022.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion