Warum das neue Mehlwurmpulver kaum auf den Teller kommt

Das neue Insektenpulver darf in verschiedensten Nahrungsgütern, unter anderem in verarbeitetem Getreide, Backwaren und Backmischungen, in Teigwaren, aber auch in Schokolade oder Milchprodukten wie Käse als Zutat verwendet werden. Auch bei Brot kann es zugesetzt werden, muss aber explizit ausgewiesen werden. Eine Beimischung in Mehl ist nicht erlaubt. Gestattet ist es ausschließlich als Zutat.
Das Thema ist nicht neu: Die EU treibt bereits seit Jahren neuartige Lebensmittel (Novel Food) voran: Am 8. Februar 2022 erfolgte schon eine frühere Zulassung durch die Durchführungsverordnung (EU) 2022/169. Diese betraf gefrorene, getrocknete und pulverförmige Larven des Mehlwurms (Tenebrio molitor) als neuartiges Lebensmittel. Der Unterschied zur aktuellen Zulassung: Diese Zulassung war nicht auf UV-behandeltes Pulver beschränkt und wurde nicht spezifisch einem einzelnen Unternehmen zugeordnet.
Bis auf Weiteres bleibt die Herstellung von Insektenmehl den antragstellenden Unternehmen vorbehalten. Ein vietnamesisches Unternehmen vertreibt ein Pulver aus der Hausgrille Acheta domesticus als neuartiges Lebensmittel in der EU (Durchführungsverordnung (EU) 2023/5). Von einem niederländischen Unternehmen dürfen die Larven des Getreideschimmelkäfers Alphitobius diaperinus als neuartiges Lebensmittel verarbeitet werden (Durchführungsverordnung (EU) 2023/58).
Kennzeichnung als Insekteninhalt
All diese Insekten und Insektenpulver dürfen, anders als in vielen Befürchtungen geäußert wird, nicht einfach untergemischt werden. Falls sie als Zutat beigemischt werden, müssen sie klar im Zutatenverzeichnis aufgeführt und als solche gekennzeichnet werden.
Für das neue Mehlwurmpulver bedeutet das, dass es laut EU-Verordnung als „UV-behandeltes Larvenpulver von Tenebrio molitor (Mehlwurm)“ aufgeführt werden muss. Auch für die anderen „Speiseinsekten“ gilt eine Kennzeichnungspflicht: Die Getreideschimmelkäferlarve muss beispielsweise je nach Form mit „Gefrorene Larven/Paste aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)“ oder als „Getrocknete Larven/Pulver aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)“ ausgewiesen werden.
Lebensmittel mit Insektenzusätzen müssen gut gekennzeichnet sein – speziell für Allergiker. In unmittelbarer Nähe der Zutatenliste muss darauf hingewiesen werden, dass diese Zutaten bei Verbrauchern mit Allergien gegen „Krebstiere und Erzeugnisse daraus“ sowie gegen „Hausstaubmilben“ allergische Reaktionen auslösen können.
Das teure statt das große Krabbeln
Die Akzeptanz der Krabbeltiere auf dem Essensteller ist nicht groß: In einer Untersuchung eines europäischen Forschungsprojektes namens „Sustainable Insect Chain“ (SUSINCHAIN) von 2023 zeichnete sich klar ab: Das große Krabbeln auf dem Lunchbuffet wird nicht so schnell kommen, zumindest wenn es nach Wunsch und Akzeptanz der Konsumenten geht. Die Befragten waren der repräsentativen Umfrage zufolge kaum bereit, für Lebensmittel aus Insekten Geld auszugeben.
„Ganz im Gegenteil: Sie sind sogar der Meinung, dass es einen finanziellen Anreiz oder eine Art Prämie geben sollte, damit man zu insektenbasierten Lebensmitteln greift“, sagte Studienmacherin Mariam Nikravech von der TU Berlin.
Dagegen spricht allerdings der Preis. Laut dem Verband Deutscher Mühlen soll 1 Kilo Mehlwurmpulver mit 50 bis 200 Euro extrem preisintensiv sein. Dem folgend wäre es auch unsinnig, dass Lebensmittelhersteller Zutaten aus Insekten verwenden, um Kosten bei den Rohstoffen zu sparen.
Gibt es schon Lebensmittel mit verarbeiteten Insekten?
Epoch Times hat dazu beim Lebensmittelverband Deutschland e. V. nachgefragt. „Worüber wir tatsächlich nicht verfügen, sind Marktzahlen, aber aktuell sieht es unserer Auffassung nach nicht danach aus, dass der Markt für Lebensmittel mit Insekten als Zutat wächst, auch wenn die Speiseinsekten neue Zulassungen auf europäischer Ebene erhalten“, so Verbandssprecherin Manon Struck-Pacyna. Und weiter:
Die Nachfrage ist seitens der Verbraucherinnen und Verbraucher einfach nicht da. Im Gegenteil, hier herrscht große Skepsis und Verunsicherung.“
Kurze Phase der Neugier, dann Flaute
Es habe aber eine kurze Welle der Neugier gegeben, so Struck-Pacyna gegenüber Epoch Times, als es die ersten Produkte in Deutschland auf dem Markt gab. Allerdings seien diese auch von einer größtenteils positiven Berichterstattung begleitet worden. Im Vordergrund stand das Speiseinsekt als alternative Proteinquelle.
Dort, wo Insekten eingesetzt werden, wird dies bislang explizit beworben – als Alleinstellungsmerkmal und Kaufargument für diejenigen, die für diese Art von Proteinalternativen offen sind. Oft braucht es dafür gar nicht das Kleingedruckte auf der Packung, sondern wird von Lebensmittelherstellern direkt im Produktnamen beworben, wie beim „Bug-Breack-Insektenriegel“, der damit wirbt, eine „wahre Proteinbombe“ zu seien. Er sei „auch sehr gut für die Paleo-Ernährung geeignet“.
Viele Bäckereien reagierten inzwischen, oft auch in den sozialen Medien, und geben „Entwarnung“: Beispielsweise die Wiener Bäckerei Felzl – hier werde das Thema „Future Food“ zwar großgeschrieben, wie „Der Standard“ berichtet, dennoch ist eine Verwendung von Mehlwurmpulver nicht geplant: „Nach aktuellem Stand sehen wir keine Relevanz für unser Sortiment und planen auch künftig keinen Einsatz.“
Mehlwurmpulver zu verwenden sei „absolut nicht vorstellbar – auch nicht für einzelne Backwaren“, erklärt Julia Bader-Gradwohl von der burgenländischen Vollkornbäckerei Gradwohl in Österreich. Ihre Philosophie beruhe auf echter Vollwertigkeit. Zu hochwertigen, biologisch angebauten Rohstoffen gehört laut Gradwohl eine handwerkliche Verarbeitung ohne künstliche Zusätze. Dabei entspreche UV-behandeltes Mehlwurmpulver als stark verarbeitetes Produkt nicht diesem Anspruch.
Menü Dschungelcamp mit viel Protein und wenig CO₂
Gut zwei Monate nach der Zulassung des Mehlwurmpulvers scheint klar: zu teuer, zu wenig Nachfrage, geringe Akzeptanz – fast kein Endverbraucher will also Insekten verspeisen. Selbst viel positive Medienberichterstattung führte zu wenig positiver Resonanz und konnte die Skepsis von Verbraucherseite offenbar nicht ausräumen.
Dabei warb die Bundesregierung schon 2023 auf ihrer Website eingehend für das, was im Dschungelcamp als Ekel-Challenge serviert wird: „In der Tierfütterung werden essbare Insekten schon länger zur Deckung des Proteinbedarfs von Nutztieren eingesetzt. Doch auch für Menschen bieten sie einige Vorteile.“
Essbare Insekten seien eine exzellente Quelle von Omega-3-Fettsäuren, B-Vitaminen und wichtigen Mineralstoffen. Außerdem seien Insekten klimafreundlicher, argumentiert die Bundesregierung. Sie benötigten weniger Platz und Wasser als Rinder, Schweine oder Hühner und verursachten weniger Treibhausgasemissionen. Demnach sind die krabbeligen Tiere eine „nachhaltige Alternative zu Fleisch aus Nutztieren“, denn ihr „essbarer Anteil ist mit 80 Prozent deutlich höher als zum Beispiel beim Rind mit 40 Prozent“.
Die Wandlung des Wurms: Früher Schädling, jetzt Superfood?
Ein Sprecher des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erklärt gegenüber Epoch Times den Unterschied zwischen Schädling und Lebensmittel:
„Bei Vorratsschädlingen handelt es sich um lebende Tiere (meist Insekten), die zum Beispiel durch falsche Lagerung in Lebensmitteln unbeabsichtigt auftreten und das Lebensmittel durch Verschmutzung und Kontamination mit Körperabsonderungen ungenießbar (aber nicht giftig) für den menschlichen Verzehr machen können. Die als neuartig zugelassenen Insekten sind natürlich nicht als eben solche Schädlinge erwünscht. Die zur Herstellung von diversen Produkten verwendeten Insekten werden speziell gezüchtet und müssen allen Hygienevorschriften entsprechen.“
Auch die Einfuhr von Insekten aus Drittstaaten unterliege strengen Vorschriften, so der Sprecher des BVL. Ein Vergleich zwischen Vorratsschädlingen und den in Lebensmitteln eingesetzten Insekten könne demnach nicht gezogen werden.
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