Transgender im Sport: Drahtseilakt zwischen Inklusion, Fairness und Gefahr

2024 dürfen Transgender-Sportler erstmals bei den Olympischen Spielen teilnehmen. Wenn es nach den Kritikern geht, bricht das Internationale Olympische Komitee damit seine eigenen Regeln.
Transgender im Profisport: Seilakt zwischen Inklusion, Fairness und Gefahr
Für viele Kritiker ist der Schwimmwettbewerb zwischen Mann und Frau unfair.Foto: 24K-Production/iStock
Von 24. Juli 2024

Mit seinen neuen Richtlinien begrüßt das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Einbindung von Transgender-Athleten in die Olympischen Spiele. Damit sollen alle Sportler die Möglichkeit haben, „in der Kategorie anzutreten, die ihrer selbst bestimmten Geschlechtsidentität am besten entspricht“ – ohne Bevorzugung von männlichen und weiblichen Wettkämpfern. Doch genau dies sorgt immer wieder für Kritik.

Dabei geht es weniger um biologische Frauen, die in Männerkategorien antreten, sondern vielmehr um biologische Männer, die an Frauenwettbewerben teilnehmen. Prominente Beispiele sind die US-Schwimmerin Lia Thomas, die britische Radfahrerin Emily Bridges und die neuseeländische Gewichtheberin Laurel Hubbard, die als „Pionierinnen des Sports“ gefeiert werden.

In den Augen der Kritiker bringen die Transsportler jedoch eine potenzielle Quelle für Unfairness, Missachtung von Frauenrechten, die Zerstörung des Frauensports und Körperverletzung mit. Aber was steckt genau hinter den Bedenken?

Wurden Athletinnen vor vollendete Tatsachen gestellt?

Seit Beginn der modernen Olympischen Spiele im Jahr 1896 hat das IOC geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen den Teilnehmern anerkannt. So kam es, dass im Jahr 1900 erstmals weibliche Athleten bei den Olympischen Spielen in Paris teilnehmen konnten. Ironie, meinen viele Kritiker, denn 124 Jahre später dürfen an jenem Ort erstmals auch Transgender-Sportler gegen biologische Frauen antreten.

Für Mara Yamauchi, zweifache olympische Marathonläuferin aus Großbritannien, missachtet das IOC damit weibliche Athleten, da sie zu keinem Zeitpunkt ein Mitspracherecht bei der Inklusion von Transgender-Sportlern in ihre Kategorie gehabt hätten. Diese Aussage steht im Gegensatz zu jener IOC-Erklärung, in der es heißt, dass „alle Athleten – einschließlich Trans-Athleten – sowie Menschenrechts-, Rechts-, wissenschaftliche und medizinische Experten“ bei der Entscheidung einbezogen wurden.

Mara Yamauchi ist gegen Transgender im Frauensport

Mara Yamauchi, zweifache olympische Marathonläuferin, wirft dem IOC vor, die Meinungen weiblicher Athleten zu ignorieren. Foto: Ulrich Roth/Getty Images

Viele weitere Ex-Olympioniken befürchten, dass die Teilnahme der biologischen Männer den Frauensport aussterben lassen könnte. Angesichts der anscheinend unschlagbaren biologisch männlichen Konkurrenten könnten sich weniger Mädchen und Frauen für den (Profi-)Sport entscheiden, wodurch der Talentpool austrockne.

Viele internationale Sportorganisationen reagierten bereits und haben trotz Empfehlung des IOC Transgender-Sportler in Frauenkategorien verboten. Ausschlaggebend ist dabei ein biologischer Vorteil, den geborene Männer im Gegensatz zu Frauen von Natur aus besitzen.

Knackpunkt: Testosteron

Biologische Jungen und Männer sind dafür bekannt, dass sie gleichaltrigen Mädchen und Frauen meist körperlich überlegen sind. Bereits ein Blick auf die Bestzeiten und Werte im Sportunterricht bestätigt diese Annahme. In Sachsen muss beispielsweise eine Schülerin der 10. Klasse für eine Note Eins im „Dreierhopp“ eine Weite von sechs Metern erreichen, während ihre männlichen Klassenkameraden 7,20 Meter erreichen müssen. Derartige Unterschiede finden sich in nahezu allen Sportdisziplinen und Klassenstufen wieder.

Der Leistungsunterschied liegt in dem Hormon Testosteron begründet, das zur Entwicklung der männlichen Fortpflanzungsorgane wichtig ist und die Muskel- und Knochenmasse erhöht. So kommt es, dass Jungen in der Pubertät einen deutlichen Schub erhalten und größere Knochen, mehr Muskelmasse, stärkere Bänder und Sehnen sowie ein größeres Herz und eine größere Lunge entwickeln als Mädchen. Im Erwachsenenalter weisen die Männer schließlich rund sieben- bis achtmal mehr Testosteron als erwachsene Frauen auf.

Auch im Profisport zeigen sich diese Unterschiede, wie mehrere Studien beweisen. Deshalb wurde in mindestens zehn olympischen Sportarten die Teilnahme von Transgender-Athleten in Frauenkategorien offiziell eingeschränkt.

So wurden sie im Boxen generell ausgeschlossen, während sie im Triathlon oder Tennis nur teilnehmen dürfen, wenn ihr Testosteronwert eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. In der Leichtathletik, im Radsport, beim Schwimmen oder beim Rugby dürfen biologische Männer nur antreten, wenn ihre Geschlechtsumwandlung vor der Pubertät stattfand.

Transgender-Schwimmerin Lia Thomas

Transschwimmerin Lia Thomas, ehemals William Thomas. Foto: Joseph Prezioso/AFP via Getty Images

Bestzeiten lügen nicht

Im Rahmen ihrer Forschung warf die australische Gesundheitsforscherin Beth Hands zusammen mit zwei Kolleginnen einen genaueren Blick auf Bestzeiten und sportliche Rekorde von männlichen und weiblichen Spitzensportlern. Besonders in vielen Leichtathletik- und Wassersportdisziplinen zeigte sich dabei ein Leistungsunterschied von vier bis 16 Prozent zugunsten der Männer.

„So ist beispielsweise die US-amerikanische Meisterin im Schwimmen über 100 Meter Schmetterling, Missy Franklin, neun Sekunden langsamer als ihr männlicher Konkurrent Ryan Lochte – obwohl sie die gleiche Körpergröße und Armspannweite haben“, erklärt Hands.

Und auch im Kraft- und Laufsport zeigten sich die Vorteile eines biologisch männlichen Körpers. „Im Gewichtheben liegt der männliche Weltrekord bei gleichem Körpergewicht um 30 Prozent über dem weiblichen Rekord. Im 100-Meter-Sprint haben etwa 10.000 Männer eine schnellere persönliche Bestzeit als die amtierende Olympiasiegerin Elaine Thompson“, so Hands weiter.

Für die US-amerikanische Radsportlerin und Olympiateilnehmerin Inga Thompson ist die Entscheidung des IOC daher widersprüchlich. „Sie erkennen an, dass Frauen eine eigene Kategorie brauchen, aber gleichzeitig befürworten sie die Aufnahme von Transgender-Athleten im Frauensport“, so Inga Thompson.

Jede Transfrau besitzt mit ihrem biologisch männlichen Körper daher die Möglichkeit, neue Rekorde aufzustellen, die von biologischen Frauen nie erreicht werden können. Für biologisch weibliche Sportlerinnen bedeutet dies gleichzeitig, dass ihre Chance, in Mannschaften aufgenommen zu werden oder sich für Wettbewerbe zu qualifizieren, deutlich geringer sein könnte.

Diese Unfairness stößt bei vielen auf Kritik. Doch deutlich gravierender könnten die Auswirkungen bei Kampf- und Kontaktsportarten sein.

Wenn Transgender im Frauensport teilnehmen, könnte Elaine Thompson bald nicht mehr die schnellste Frau der Welt sein

Elaine Thompson aus Jamaika ist die schnellste 100-Meter-Läuferin der Welt. Rund 10.000 männliche Athleten sind schneller als sie. Foto: John Thys/afp via Getty Images

Sicherheitsrisiko für Frauen

Während beim Laufen und Schwimmen die Kontrahentinnen lediglich separat für sich und auf eigenen Bahnen um Siege wetteifern, treten im Boxen, Karate oder Basketball die Sportlerinnen direkt körperlich gegeneinander an. In diesen Sportarten, wo es auf Geschwindigkeit, Kraft und Stärke ankommt, sind kleinere und schwächere Körper von Natur aus einem höheren Verletzungsrisiko ausgesetzt.

Zu einem solchen Vorfall soll es im Herbst 2022 in North Carolina, USA, bei einem Volleyballspiel gekommen sein. Dabei erlitt die Highschool-Volleyballspielerin Payton McNabb erhebliche und langfristige körperliche und geistige Verletzungen, nachdem sie von einem gegnerischen Schmetterball im Gesicht getroffen worden war. Jener Ball kam von einem Transgender-Sportler, der nach offizieller Schulregel in reinen Frauenmannschaften spielen durfte.

Im Volleyball liegt der Rekord für den schnellsten Aufschlag der Damen bei 112 km/h und bei Männern bei 135 km/h. Foto: monkeybusinessimages/iStock

Deswegen verteidigte unter anderem Sebastian Coe, ehemaliger Olympiateilnehmer und Präsident von World Athletics, das Verbot von Transfrauen im Frauensport. „Biologische Frauen sollten in der Lage sein, gesund vom Spielfeld zum Podium zu gelangen“, so Coe. „Wenn es eine Abwägung zwischen Inklusion und Fairness gibt, werden wir uns immer auf die Seite der Fairness stellen.“

Hinzu kommen mögliche seelische Schäden, wenn vermeintliche Transfrauen übergriffig werden. „In einigen Fällen wurden weibliche Athleten von Männern, die sich als Transgender-Frauen ausgaben, überwältigt und schwer verletzt. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn biologische Frauen eingeschüchtert sind und den Sport aufgeben“, sagt Radsportlerin Inga Thompson.

Eine gerechte Lösung für alle

Viele Sportler und Wissenschaftler fordern daher eine Lösung, bei der Transgender-Athleten nicht ausgeschlossen werden, aber biologisch weibliche Sportlerinnen dennoch geschützt werden.

Die australische Gesundheitsforscherin Beth Hands schlägt eine sportartbezogene Lösung vor. „Bei Sportarten, bei denen körperliche Vorteile wie Körperbau, Kraft oder Leistung keine Rolle spielen – etwa im Reitsport –, ist die Biologie des Sportlers nicht so wichtig. Da könnten transsexuelle Männer und Frauen sicher und fair gegen gleichgeschlechtliche Konkurrenten antreten“, so Hands.

Eine zweite Möglichkeit wäre die Einrichtung einer eigenen Transgender-Kategorie oder einer „offenen“ Kategorie für alle Teilnehmer. Bei letzterer könnten biologische Männer und Frauen freiwillig gegen Transgender-Sportler antreten, wie es bereits World Aquatics oder British Triathlon eingeführt haben.

Mit Material von The Epoch Times.



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