Schulen warnen vor TikTok-Trend – mehrere Knochenbrüche nach „Superman-Challenge“
Nach Deo-Missbrauch und einem Wettbewerb im Essen von scharfen Chips verbreitet sich derzeit eine neue gefährliche Mutprobe über die Internetplattform TikTok – die „Superman-Challenge“. Mit vorgestrecktem Arm, gerade so wie Superman, werfen sich Kinder und Jugendliche in die Arme ihrer Freunde. Günstigenfalls werden sie von ihnen aufgefangen und zurück in ihre Ausgangsposition katapultiert. Aber es gibt auch Zwischenfälle, teilweise mutwillig herbeigeführt und mit gravierenden Folgen.
Wie auf den verbreiteten Videos ersichtlich, welche die Challenge zeigen, kommt es vor allem unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor, dass während oder nach dem Sprung des vermeintlichen „Superman“ die Hände einfach weggezogen werden. Unter dem Gelächter der Beteiligten landet der oder die Betroffene unsanft auf dem Boden. Ein schmerzverzerrtes Gesicht des Opfers lässt erahnen, dass er die Situation alles andere als lustig findet – dann wird die Kamera ausgeschaltet.
In einem in Rumänien verbreiteten Zusammenschnitt von TikTok-Videos zeigt sich auch, dass selbst ein etwa drei- bis vierjähriges Kind, das sich vertrauensvoll in die Arme zweier Erwachsener – möglicherweise seiner Eltern – fallen lassen will, bitterenttäuscht wird. Nachdem das Kind zu Fall gekommen ist, verwandelt sich das im Video festgehaltene Lachen von Mann und Frau in Entsetzen. Der Mann hält sich erschrocken die Hand vor den Mund, während die Frau auf das Kind stürzt. Dann geht die Kamera aus – eine typische Szene.
In anderen Fällen können die Fänger die Betroffenen nicht halten, knallen mit den Köpfen zusammen oder katapultieren „Superman“ so heftig zurück, dass dieser mit dem Rücken auf den Boden schlägt. Aber es gibt auch Videos, die nichts von der Gefahr ahnen lassen und Kinder zum Nachahmen inspirieren.
Ein weiteres Video zeigt Kinder, etwa im Grundschulalter, bei der „Superman-Challenge“. Im Hintergrund sind große Bananenstauden zu sehen; die Kinder tragen sommerliche Kleidung. Zwei Jungs, die mit kurzen Hosen und T-Shirts bekleidet sind, versuchen, ihre Freunde aufzufangen. Ein Mädchen mit langen schwarzen Haaren, das in ihre Arme springt, wird lachend zurückgeworfen. Fröhlich dreht es sich zur Seite und macht Platz für das nächste Kind. Als ein etwas größerer Junge jedoch auf die beiden Kinder zuspringt, können sie ihn nicht halten. Er landet auf dem harten Steinboden – begleitet vom Gelächter der Kinder. Kurz darauf wird die Kamera abgeschaltet.
Schulen warnen vor Challenge
Auch vor deutschen Schulen macht dieser Trend nicht Halt. Die integrierte Gesamtschule in Mannheim-Herzogenried veröffentlichte anlässlich der ernsthaften Verletzungen eines Schülers am 6. Dezember eine Warnung auf ihrer Website. Darin heißt es:
„Auf TikTok kursiert eine Challenge, die spaßig aussieht, aber sehr gefährlich ist. Heute brach sich einer unserer Schüler einen Arm. In vielen Ländern sind bereits zahlreiche Kinder und Jugendliche mit Knochenbrüchen und anderen schweren Verletzungen ins Krankenhaus gekommen. Experten – so zum Beispiel auch Turntrainer – warnen davor, bei der Challenge mitzumachen.“
Die Schulleitung setzt auf die Vernunft der Schüler, dass sie nicht bei allem mitmachen, „wozu euch das Netz auffordert“. Außerdem bittet die Schule die Eltern um „ein aufmerksames Auge und aufklärende Gespräche“. Zwar seien die Gefahren bereits in der Schule thematisiert worden, „aber doppelt hält besser“.
Laut einem Bericht der „Neuß-Grevenbroicher Zeitung“ haben hunderte Eltern in Neuss in diesen Tagen einen Brief erhalten, in dem vor der „Superman-Challenge“ gewarnt wird. Anlass war ein Unfall, bei dem ein Kind so schwer verunglückte, dass es ins Koma fiel und in einer Klinik behandelt werden musste.
„Wir wollen die Kinder und Jugendliche gegenüber solchen Mutproben resilient machen“, sagte Stefan Kremer, Schulleiter des Gymnasiums Norf, der den Elternbrief laut WDR verfasst und an zehn Schulen verschickt hatte. Zwar betreffe der Vorfall nicht seine Schule, aber so etwas könne überall passieren. „Die Fänger wissen nicht, wie man das macht, es gibt keine brauchbare Anleitung“, mahnte er.
Auch die Bildungsinfluencerin und Lehrerin Hilal Ebcin warnt in einem auf ihrem Instagram-Kanal „teacher-light“ veröffentlichten Post vor der „Superman-Challenge“. Die Reaktionen darauf bleiben nicht aus. Jemand antwortete: „Mein Schüler kam auch mit Atemnot in meinen Unterricht gerannt, weil er dabei auf den Rücken geknallt ist.“ Es habe auch schon zwei Platzwunden an der Schule gegeben. Ein anderer berichtete, dass er von der Challenge bislang nichts wusste, aber die Schüler schon dabei auf dem Schulhof beobachtet habe – in diesem Fall sei zum Glück nichts passiert. Eine andere schildert, dass sich eine Fünftklässlerin dabei am Vortag den Arm gebrochen hat. Und noch jemand schrieb, dass sich ein Schüler in der vergangenen Woche deswegen „mehrere Knochen gebrochen hatte“.
Ärzte berichten von Knochenbrüchen
Nicht nur Lehrer sind alarmiert. In Kärnten warnen inzwischen auch Ärzte vor der Nachahmung des Superman-Sprungs. In der vergangenen Woche hatten sich dabei zwei Schüler (elf und 14 Jahre alt) komplexe Hand- beziehungsweise Armbrüche zu, weil sie hart auf den Boden prallten, sodass sie operiert werden mussten. Wie die „Krone“ berichtete, wurden dem 14-Jährigen sechs Schrauben und eine Metallplatte eingesetzt.
Doch es gibt noch weitere Opfer. Ein Drittklässler aus einem österreichischen Bezirk schilderte gegenüber dem Blatt: „Eine Schulkameradin hat sich die Elle und die Speiche gebrochen, als sie von den anderen nicht mehr aufgefangen wurde und von einem Meter Höhe auf den Boden knallte.“ Unter den Schülern gelten nach seiner Äußerung diejenigen als „cool“, die sich trauen, an der Challenge teilzunehmen. Dabei räumt der Drittklässler ein: „Alle, die mitmachen, wissen aber, dass es gefährlich ist – es ist wirklich der größte Schwachsinn.“
Die Kinderchirurgen appellieren, dass derartige Challenges nur unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt werden – wie im Sportbericht.
Rumänien: Über 20 Patienten an einem Tag
Berichte aus anderen Ländern zeigen ebenfalls das Ausmaß des TikTok-Trends. Das rumänische Nachrichtenportal „news.ro“ berichtete Anfang Dezember von dutzenden Jugendlichen, die Frakturen und schwere Traumata anlässlich der „Superman-Challenge“ erlitten hatten. Demnach wurden in Bukarest an einem einzigen Tag über 20 Patienten im Grigore-Alexandrescu-Krankenhaus behandelt, von denen zwei operiert werden mussten.
Der Klinikleiter Alexandru Ulici bezeichnete den Trend als „besorgniserregendes Phänomen“. Zunächst schien der Trend harmlos, aber mit der Zeit habe sich die Zahl der Patienten erhöht. Auf die Frage nach der Heilungsdauer antwortete er: „Das hängt von der Fraktur ab.“ Bis zur vollständigen Wiederherstellung könne es ein bis zu zwei Monate dauern.
Das Klinikum betonte, wie wichtig es sei, dass Eltern ihren Kindern erklären müssten, dass sie nicht an solchen Wettbewerben teilnehmen sollten.
Bereits im März wurden laut „Ynetnews.com“ in Israel 19 Kinder im Krankenhaus behandelt, die sich wegen ihrer Teilnahme am TikTok-Trend zahlreiche Verletzungen zugezogen hatten – bis hin zur Bewusstlosigkeit. Eine Zwölfjährige erlitt eine Gehirnerschütterung. Sie schilderte: „Es war schrecklich – sie warfen mich sehr hoch.“ Dann sei sie hingefallen und bewusstlos geworden.
TikTok rät: Anhalten, innehalten, entscheiden und handeln
Inzwischen hat auch TikTok auf den gefährlichen Trend reagiert. Wenn man das Stichwort „Superman-Challenge“ (mit oder ohne Bindestrich) eingibt, bekommt man einen Sicherheitshinweis angezeigt:
„Einige Online-Challenges können gefährlich, verstörend oder sogar inszeniert sein. Informiere dich darüber, wie du gefährliche Challenges erkennst, damit du deine Gesundheit und dein Wohlbefinden schützen kannst.“
TikTok arbeite daran, allen in der Community dabei zu helfen, fundierte Entscheidungen über ihre Interaktionen mit Online-Challenges zu treffen, heißt es weiter.
Seinen Nutzern gibt TikTok vier Verhaltensweisen an die Hand:
- Anhalten: Wer etwas Besorgniserregendes oder Schlimmes sieht, wie beispielsweise eine gefährliche Challenge, soll einen Moment innehalten und über das Gesehene nachdenken.
- Innehalten: Man soll darüber nachdenken, ob etwas schiefgelaufen ist – oder hat die bei der Challenge gezeigte Person besondere Fähigkeiten? Kann man sich sicher sein, keine Verletzungen davon zu tragen, wenn man es selbst probiert? Im Zweifelsfall sei es ratsam, sich an eine Vertrauensperson zu wenden.
- Entscheiden: Wem eine Challenge riskant oder gefährlich erscheint oder daran zweifelt, ob sie dies ist, sollte nicht daran teilnehmen. „Eine Challenge ist es nicht wert, dass du dich oder andere dafür in Gefahr bringst“, heißt es auf TikTok.
- Handeln: Wer auf eine Challenge oder Falschmeldung stößt, die er möglicherweise für gefährlich hält, sollte diese zudem nicht mit anderen teilen und auch kein „Like“ vergeben, sondern sie bei TikTok melden.
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