Pferde gegen Kriminalität: Australische Polizei setzt auf ungewöhnliches Jugendprogramm
Vierbeiner können gut geeignet sein, angehende Straftäter davor zu bewahren, völlig in die Kriminalität abzurutschen. Diese Erfahrung macht aktuell die australische Polizei. Sie hat mit einem neuartigen Ansatz im Jugendvollzug der Stadt Gold Coast begonnen. Die jungen Menschen sollen mithilfe von Pferden lernen, ihre Emotionen und ihr Verhalten besser zu kontrollieren – um so Jugendkriminalität vorzubeugen.
„Horses Helping Humans“ (Deutsch etwa: Pferde helfen Menschen) ist ein privat geführtes Programm. Es bringt jeden Teilnehmer mit einem passenden Pferd zusammen. Dabei geht es darum zu lernen, wie Körpersprache die Kommunikation beeinflusst.
Pferde manchmal effektiver als Menschen
Der leitende Polizeibeamte Craig Andrew von der Gold Coast Child Protection and Investigation Unit (CPIU) (Deutsch: Kinderschutz- und Ermittlungseinheit) beschreibt das Programm als eine einzigartige und innovative Möglichkeit, um zu jungen Menschen durchzudringen, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden, und ihren Lebensweg zu verbessern.
„Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass Tiere für die Therapie nützlich sein können und in manchen Fällen wichtige Lebenslektionen effektiver vermitteln können als andere Menschen“, erklärt Andrew.
Der Polizeibeamte vergleicht die Persönlichkeiten der Pferde in seinem Programm mit denen der jungen Menschen, die daran teilnehmen. Er stellt fest, dass die Pferde – ebenso wie viele der Teilnehmer – aus schwierigen Verhältnissen kommen und als Reaktion auf ihre Erfahrungen eigene, einzigartige Persönlichkeitsmerkmale entwickelt haben. Manche Pferde sind zum Beispiel sehr dominant, während andere unbeständig sind und Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren.
„Einige unserer Jugendlichen sind Mitläufer, und sie folgen anderen Kindern in die Kriminalität. Einige sind herrschsüchtig und schikanieren, während andere an ADHS leiden und sich nur schwer konzentrieren können. Die Kinder werden mit dem jeweiligen Pferd zusammengebracht, das ihnen am besten vermitteln kann, was sie als Individuum zu lernen haben“, sagt er.
Die Teilnehmer des Programms reiten nicht auf den Pferden. Sie lernen, wie man sie durch eine Reihe von Manövern führt und sie pflegt. Im Programm lernen die Teilnehmer zudem, wie sie ein Gleichgewicht zwischen Geduld und Durchsetzungsvermögen finden, um das Pferd zu überzeugen, ihren Befehlen zu gehorchen. Laut Andrew hilft das den Teilnehmern, mit Ängsten umzugehen und Selbstbeherrschung zu entwickeln.
Teilnehmer, die das Projekt durchlaufen haben, zeigen im Allgemeinen ein verbessertes Verhalten und werden weniger häufig straffällig. Zielgruppe sind Jugendliche im Alter von etwa elf Jahren, die den Anschluss an die Schule verlieren und der Polizei auffallen. Dabei handelt es sich oft um Kinder, die sich in einer Übergangsphase von der Grundschule zum Gymnasium befinden und möglicherweise durch Gruppendruck gefährdet sind. Eltern, Betreuer und Schulen berichten, dass die Kinder und Jugendlichen weniger Konflikte zu Hause haben. Sie beteiligen sich am schulischen Unterricht und sind engagierter.
Pferde werten nicht
„Einer der wichtigen Wirkfaktoren in der pferdegestützten Arbeit ist, dass Pferde kein Werte- und Moralsystem wie wir Menschen haben“, sagt Katharina Greinwald, die staatlich anerkannte Fachkraft in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd ist. Menschen „haben im Kontakt mit dem Lebewesen Pferd die Möglichkeit, in einem wertfreien Raum sich selbst, ihre Ressourcen, Fähigkeiten, aber auch Muster und Strategien zu erfahren und kennenzulernen“.
„Zudem ermöglicht das Getragen- und Bewegtwerden auf dem warmen Pferd ein Gefühl von Angenommensein und Gehaltenwerden. Es knüpft an frühkindliche Erfahrungen an, wirkt beruhigend und rhythmisierend, was insbesondere für traumatisch belastete Kinder entscheidend ist“, führt sie weiter aus.
Greinwald erklärt, dass Kinder Nähe, Zugewandtheit, Vertrauen und eine Echtheit im Kontakt erleben würden, die sie gegenüber Menschen häufig verloren haben. „Das Potenzial ist riesig“, meint sie.>
Vom Aggressor zum Streitschlichter
Pferdegestützte Therapie wird auch in Deutschland immer häufiger im Rahmen der pädagogischen Arbeit angeboten.
So lernen im Freizeitpark IN NATURA des Arbeiter-Samariter-Bundes in Mecklenburg-Vorpommern Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis zwölf Jahren mit Pferden. Die Therapie leitet Anne-Kathleen Schäfer. Sie arbeitet seit 22 Jahren als Sozialpädagogin mit einer Ausbildung im heilpädagogischen Reiten.
„Die Nähe von entspannten Tieren bewirkt messbar, dass das Bindungshormon Oxytocin freigesetzt wird. Die Kinder und Jugendlichen sind dadurch zugänglicher“, erklärt Schäfer.
Vor allem lernen die Kinder, ihr Verhalten zu reflektieren und es anzupassen. Den Umgang, den die Kinder mit den Tieren erlernen, die ihnen gegenüber völlig unvoreingenommen sind, kann auf das Verhalten zu anderen Menschen übertragen werden, weil die Kinder gelernt haben, sich besser in die Lage eines anderen Lebewesens hineinzuversetzen.
Die Sozialpädagogin betont, dass sich durch die Arbeit mit den Pferden und die Erfolgserlebnisse ein gesteigertes Selbstwertgefühl einstellt. Dieses wiederum führe zu mehr Zufriedenheit, welche eine wichtige Schlüsselkompetenz sei. Zufriedenere Kinder könnten konstruktiver mit Konflikten umgehen: „Wenn man gelernt hat, schwierige Herausforderungen zu bewältigen, wie zum Beispiel, dass das Pferd einer Anweisung folgt, führt dies zu einer inneren Zufriedenheit, die dazu beiträgt, dass man sich nicht in Konflikten mit anderen verwickelt. Man versucht nicht, sich selbst aufzuwerten, indem man andere herabsetzt.“
Das Vertrauen von Kindern zu gewinnen, um ihnen Anerkennung, Zuwendung und Hilfestellung geben zu können, sei ein sehr wichtiger Teil ihrer Arbeit.
Sie berichtet von einem einprägenden Erlebnis mit einem 12-jährigen Jungen, der in einer Wohngruppe gelandet und sehr aggressiv war. Er hatte anderen Kindern Verletzungen zugefügt, ihnen Finger und Ellbogen gebrochen: „Der Junge war bei uns in der sozialen Gruppenarbeit. Unser Pferd Lisette hat aufgezeigt, dass er eigentlich nur Angst hat und ganz unsicher ist. Im Zuge unserer spielerischen Übung habe ich gemerkt, dass er gar nicht lesen konnte und auch in der Schule heillos überfordert war.“
Die pferdegestützte Therapie habe den Jungen sehr gestärkt, erklärt die Sozialpädagogin: „Ich habe ihm nicht erzählt, dass Lisette jenes Pferd ist, das am allerbesten hört, wenn man sie führt. Er war so stolz, dass er das allergrößte Pferd führen konnte und ist so daran gewachsen. Er wurde dann umgeschult. Später ist er Streitschlichter geworden, obwohl er in seiner vorherigen Schule das absolute Problemkind gewesen war.“
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion