Versailles oder Louvre: Max Kerly malt sie alle mit Liebe zum Detail
„Ich könnte so etwas tun, wenn ich wollte.“ Dies sind die Worte von Kunstkritikern, die sich an den heute 31-jährigen Londoner Künstler Max Kerly richteten. Sie bemängeln seine üppigen, in monatelanger Arbeit entstandenen Stiftzeichnungen, die die Tower Bridge in London, den Louvre in Paris und andere Oden an die klassische Architektur zeigen.
Noch dazu sind seine Zeichnungen großformatige Porträts – geschaffen mit Liebe zum Detail wie winzige Kacheln und dekorative Feigenblätter erahnen lassen. Bis heute ist dem Londoner Architekturmaler dieser Affront gegen seine Lieblingsarbeit im Gedächtnis geblieben.
Doch es blieb nicht bei dieser einen Kritik, wie Max Kerly der Epoch Times erklärte.
Sie könnten, aber würden sie es auch tun?
„‚Das ist keine Kunst‘, haben sie gesagt. ‚Ich glaube, das ist Mathe‘, erinnert sich Kerly an die rechtfertigenden Worte der Kritiker. Doch ab wann ist etwas Kunst und nicht mehr Mathematik? „Ich sagte: ‚Okay, gut, erklären Sie mir das‘“, erzählt Kerly, der seit zehn Jahren Architektur malt.
Kern der Sache und Hauptargument der Kritiker sind die Messungen, die Kerlys Werke so lebensecht und detailgetreu machen. Überzeugt von seiner Arbeit dachte der Architekturmaler darüber nach, ob seine Kritiker etwas Vergleichbares erschaffen könnten. Schließlich kam er zu dem Schluss: Sie könnten es. Aber mit einigen Bedingungen.
„Möglicherweise könnten Sie es“, so Kerly über seine Kritiker. „Aber sind Sie bereit, die Stunden zu opfern, um es auch zu tun? Es ist leicht zu sagen, dass Sie es schaffen können, aber es wird Sie 100 Stunden kosten. Sind Sie motiviert genug, um das zu tun? Sind Sie geduldig genug, um es zu beenden? Oder sind Sie, falls Sie einen Fehler machen, erfahren genug, um zu wissen, wie Sie ihn beheben können?“
Fünf Monate für sein Lieblingswerk
Für die Fertigstellung einiger seiner Werke benötigte Max Kerly mehrere Monate. Ganze fünf waren für dieses himmlische Bildnis nötig: Geflügelte Engel umkreisen den leblosen, gekreuzigten Jesu Christi – gekrönt wird er von einer pyramidenförmigen, schwebenden Maria, die ihn umarmt und von oben herabschaut.
Diese beeindruckende Szene schmückt eine der Bronzetüren einer prächtigen Kathedrale in Mailand. Sein Werk, „Die Bronzetür, Mailänder Dom“, ist für Kerly etwas ganz Persönliches und wird noch lange sein Liebling bleiben. Insgesamt verbrachte der Künstler 200 Stunden seiner Freizeit – etwa eineinhalb Stunden pro Tag – mit dem Zeichnen.
„Es war schön, daran heranzuzoomen und die Kurven der Figuren wirklich zu erfassen“, schwärmt der Künstler. „Viele meiner Gebäude enthalten Skulpturen, aber ich kann wegen der Größe nicht zu sehr ins Detail gehen.“
In seiner Zeichnung der Kathedraltüren schimmert etwas Schönes durch, trotz der engen Linien und mathematischen Abmessungen. „Ich mag es, die Aufmerksamkeit anderer auf Details von Gebäuden zu lenken, indem ich so viel einfange, wie mein Auge sehen kann“, erklärt Kerly.
Inspiration vor der Haustür
Schon als kleiner Junge liebte es Max Kerly zu zeichnen. Mit fünf Jahren brachte er einen Bagger so gut auf das Papier, dass seine Lehrerin nicht glaube konnte, dass er das gemalt hatte. Kunst wurde schnell zu seinem Lieblingsfach während der gesamten Schulzeit.
Später entschied sich Kerly für ein Studium von Kunst- und Design sowie Illustration. Im Rahmen des Abschlussprojekts entdeckte er dann seine Leidenschaft für Gebäude und die Darstellung ihrer architektonischen Details.
Nach seinem Abschluss im Jahr 2014 reiste Kerly mit seinem Skizzenbuch im Zug durch Italien. „[Es ist] vielleicht die bereicherndste Erfahrung, die ich je gemacht habe, um zu lernen, in was ich meine Zeit investieren wollte“, so der Künstler. Und er fand seine Antwort: die kunstvollen Details in den Renaissancegebäuden. „Ich wollte sie alle zeichnen“, sagt Kerly.
Auf der Suche nach architektonischen Wundern und Quellen der Inspiration reiste er an verschiedene Orte. Neben den italienischen Sehenswürdigkeiten hat der Londoner unter anderem den Louvre und das Schloss von Versailles in Frankreich gezeichnet.
Manchmal muss er aber gar nicht so weit von zu Hause wegfahren, denn auch in London gibt es reichlich Architektur zu bestaunen. In den Straßen Londons setzt Kerly seine Schritte auf das Kopfsteinpflaster und bewundert die schönen Schatten auf alten Gebäuden an einem sonnigen Tag. Von diesen Orten lässt sich der Künstler bei seinen feinen Federzeichnungen inspirieren.
Während einige seiner Werke Auftragsarbeiten sind, zeichnet er viele andere für sich. So schnell werden ihm vermutlich die Motive nicht ausgehen. Sein Tipp: „Es ist immer am besten rauszugehen.“ Und so entdeckte er in London auch die Inspiration für sein bisher größtes Werk.
Akzente mit Blattgold und Aquarell
Dieses ist über einen Meter breit und wirkt mit seiner Fassade und den Säulenreihen augenscheinlich wie ein antiker römischer Palast. Auf dem zweiten Blick offenbart sich jedoch der in den Köpfen der englischen Neoklassikarchitekten wiedergeborene Buckingham-Palast.
Heute denken vielen Menschen an die ikonische in Rot gekleidete Leibgarde, die mit ihren imposanten Bärenfellmützen beinah regungslos Wache stehen. Wie seine anderen Werke besitzt auch die offizielle Residenz der britischen Monarchie besondere Details.
„Sie enthält Elemente aus Blattgold“, sagt Kerly, der immer wieder danach strebt, seine Arbeiten mit verschiedenen Materialien anzureichern. Gelegentlich verwendet er auch Aquarellfarben. „Es ist fast eine Schwarz-Weiß-Zeichnung, aber es hat vier Wachen, die ein sattes Rot bekommen haben, und zwei Teppiche am Ende.“
Seinen Kunststil bezeichnet der 31-Jährige aufgrund der feinen Linienführung als traditionell, aber mit einem modernen Touch. „Das erreiche ich, indem ich Farbnuancen und manchmal auch Blattgold einfüge. Außerdem verleihe ich meinen Zeichnungen durch die Verwendung von Schatten und Tönen eine große Tiefe. Dies sind meine charakteristischen Methoden“, sagt Kerly.
Weg vom Schnellen und Oberflächlichen
Die Fassade des Palastes ist gigantisch, wenn man bedenkt, dass Kerly jeden Ziegelstein, jeden Schatten, jede schmiedeeiserne Stange und jedes Stückchen Mauerwerk mit einem Fineliner zeichnete. Ganz ohne Vorzeichnung mit dem Bleistift.
Für seine Werke verwendet der Londoner spezielle Pigment-Liner beziehungsweise Tuschestifte der Marke „STAEDTLER“ oder „uni PIN“. Diese haben eine Strichstärke von maximal 0,8 Millimeter bis hin zu 0,05 Millimetern. Passend dazu benutzt Kerly hochwertiges säurefreies Papier der Marke „Fabriano Accademia“, das er gleich auf einer Rolle kauft und auf dem sich seine Stifte gut abrollen lassen.
Seine Meisterwerke stellt der Londoner regelmäßig auf Kunstmessen in Großbritannien aus. Neben seinen Originalkunstwerken, die zum Verkauf stehen, können auch limitierte Drucke seiner Zeichnungen erstanden werden. Doch egal ob Original oder Druck, die Intention von Max Kerly ist die gleiche: die kleinen Details genau ansehen und genießen.
„Ich möchte, dass man nah herankommt, einen Blick darauf wirft und sich wirklich auf das Werk einlässt“, sagt er, denn oft „schenken die Menschen einem Kunstwerk nur ein bis drei Sekunden Aufmerksamkeit.“
Vermalt – und nun?
Doch Aufmerksamkeit ist auch für den Künstler wichtig, denn bei Tausenden makellosen Linien könnte ein falscher Strich verheerend sein. Kerly wird oft gefragt, ob er Fehler macht. Die Wahrheit ist überraschend.
„Da der Stift gnadenlos unbarmherzig ist, ist es einfacher, überhaupt keine Fehler zu machen“, sagt er. „Und der einzige Weg, keine Fehler zu machen, ist die Konzentration.“
Wenn es schon spät ist und der Geist durch die Beschäftigung erschöpft ist, will er „keine weiteren Zeichnungen erzwingen“, sagt er, „denn dann macht man nur noch mehr Fehler. Wenn ich also denke: ‚Okay, es ist 10 Uhr‘, dann lasse ich es dabei. Morgen früh komme ich wieder.“
Künstler und Illustratoren legen traditionell großen Wert auf Lockerheit und Freiheit der Hand. Aber Max Kerly sagt über sich selbst, dass er streng, detailliert und langsam arbeitet. Dennoch liebt er, was er tut.
„Manchmal finde ich es immer noch komisch, das zu sagen, aber ich finde den Prozess meditativ. Es gibt nichts Besseres als das Gefühl, ein Werk zu vollenden und sich nach dem nächsten Gebäude umzusehen, das man zeichnen kann“, sagt Kerly.
„Ich lerne jedes Mal etwas Neues dazu“
Und dieses Gefühl der Freude kommt auch bei anderen Menschen an, die seine Arbeiten auf Ausstellungen oder in den sozialen Medien bewundern. „Oh, du bist erstaunlich, Junge“, ist ein Lob, das der Architekturmaler am häufigsten zu hören bekommt. Doch darauf ausruhen wird er sich nicht. „Ich habe inzwischen viele komplizierte Arbeiten angefertigt und ich lerne jedes Mal etwas Neues dazu“, erklärt der Künstler.
Zwar meldete sich hin und wieder auch ein Kritiker zu Wort, der Lineale, Maße und Mathe bemängelt, aber diese Meinung nimmt ihnen der leidenschaftliche Zeichner nicht übel. „Ich nehme es mir nicht zu Herzen“, so Kerly.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Architecture Artist Draws Amazing Palaces, London Bridge, Louvre With Obsessive Detail—Take a Look“ (redaktionelle Bearbeitung kms)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion