Kehrseite des Medaillenspiegels: Welches ist „das erfolgreichste Land“ bei Olympiade?
17 Tage waren alle Augen auf Paris gerichtet; sogar 18 Tage lang strebten die besten Sportler der Welt in 37 Sportstätten in und im weitesten Sinne um die französische Hauptstadt nach Medaillen. Am Tag der Eröffnungsfeier wurden keine Wettkämpfe ausgetragen, dafür begannen Rugby und Fußball bereits zwei Tage vorher. Die am weitesten entfernte Sportstätte lag auf Tahiti, einem französischen Überseegebiet, 15.760 Kilometer Luftlinie von Paris entfernt.
10.764 Sportler aus 204 Nationen und zwei neutralen Teams liefen, sprangen, schwammen, fochten, boxten, surften, tanzten, fuhren, schossen, gingen, paddelten, hoben, turnten, rangen, traten, ruderten, schlugen, ritten, segelten, warfen, stießen, spielten und kletterten in den vergangenen Wochen um die begehrten Medaillen. Zu den neutralen Teams gehörten die „Individuellen Neutralen Athleten“, die 32 Sportler aus Belarus und Russland umfassten, sowie ein 37-köpfiges „Olympisches Flüchtlingsteam“.
Bei insgesamt 329 Medaillenentscheidungen gab es 1.044 Plätze auf den Siegertreppchen zu vergeben, darunter in manchen Sportarten aufgrund des Turniersystems zwei Bronzeränge. Weil in vielen Disziplinen neben Einzelwertungen auch Team- und Staffelentscheidungen sowie Mannschaftswettbewerbe stattfanden, konnten am Ende 2.016 Sportler mit mindestens einer Medaille nach Hause gehen. Insgesamt wurden 2.272 der Trophäen aus Silber und Kupfer vergeben. Doch wer ist der oder die Erfolgreichste? Und welches Land hat eigentlich die „meisten“ Medaillen?
Dabei sein ist (fast) alles
Zumindest was die Athleten betrifft, ist diese Frage recht einfach zu beantworten. Allein bei Olympischen Spielen anzutreten, setzt voraus, dass die Sportler in ihren Disziplinen wenigstens zu den Besten des Landes gehören. Erfolgreich sind sie damit alle. Bezogen auf die Medaillen steht Zhang Yufei aus China an der Spitze des offiziellen Medaillenrankings. Die Schwimmerin durfte gleich sechsmal auf das Siegertreppchen:
- Damen Einzel 50 m Freistil (Bronze)
- Damen Einzel 100 m Schmetterling (Bronze)
- Damen Einzel 200 m Schmetterling (Bronze)
- Damen Staffel 4 x 100 m Freistil (Bronze)
- Damen Staffel 4 x 100 m Lagen (Bronze)
- Gemischte Staffel 4 x 100 m Lagen (Silber)
„Nur“ fünf Medaillen gewannen fünf Athleten, darunter Léon Marchand aus Frankreich. Er schwamm seinerseits viermal auf Gold und einmal auf Bronze, wobei alle Goldmedaillen aus Einzelwettbewerben stammen. Bleiben die jeweiligen Staffelwettbewerbe unbeachtet, kann Marchand mit viermal Gold Zhang mit dreimal Bronze das Wasser reichen.
- Herren Einzel 200 m Brust (Gold)
- Herren Einzel 200 m Schmetterling (Gold)
- Herren Einzel 200 m Lagen (Gold)
- Herren Einzel 400 m Lagen (Gold)
- Herren Staffel 4 x 100 m Lagen (Bronze)
Die erfolgreichsten Sportler Deutschlands sind Max Lemke und Jacob Schopf mit je zweimal Gold im Kajak über 500 Meter im Zweier und Vierer. Ebenfalls zwei Goldmedaillen erhielt Jessica von Bredow-Werndl, die sie sich mit ihrem Pferd „TSF Dalera BB“ teilt. Sie ritt im Schlosspark von Versailles sowohl im Team als auch in der Einzelwertung auf Gold. Damit verwies von Bredow-Werndl zugleich ihre Teamkollegin in der Einzelwertung auf Silber, sodass es für Isabell Werth mit ihrem Pferd „Wendy“ nur für je einmal Gold und Silber reichte.
Lea Friedrich fuhr im Bahnradeinzelsprint auf Silber sowie mit dem Team auf Bronze, nachdem sie in der Qualifikation den unmittelbar zuvor aufgestellten Weltrekord gebrochen hatte. Jule Marie Hake paddelte im Kajak über jeweils 500 Meter ebenfalls zu einmal Silber im Vierer sowie auf Bronze im Zweier. Mit ihr im Boot saß Paulina Paszek, die damit als Siebte der deutschen Olympioniken ebenfalls zwei Medaillen holte.
Podiumsplätze, Medaillenträger oder Medaillen?
Laut offiziellem Medaillenspiegel erkämpfte Team Deutschland 33 Medaillen: zwölfmal Gold, 13-mal Silber und achtmal Bronze. Korrekterweise müsste man dies als „Podiumsplätze“ bezeichnen, denn aufgrund der Team-, Staffel- und Mannschaftserfolge erhielten 104 Sportler insgesamt 111 Medaillen: 24-mal Gold, 50-mal Silber und 37-mal Bronze.
Teilgenommen an den Olympischen Spielen haben 447 deutsche Sportler, sodass – durchschnittlich – jeder vierte (24,8 Prozent) eine Medaille erhalten hat. Andererseits könnte man auch sagen, die deutschen Sportler, die das Siegertreppchen bestiegen haben, erhielten jeder durchschnittlich knapp 1,07 Medaillen. In Verbindung mit der Bevölkerung Deutschlands ergibt sich zudem eine „Medaillen-Inzidenz“ von 0,13 Medaillen pro 100.000 Einwohner.
Anhand dieser Zahlen ist es mehr oder weniger offensichtlich, dass es nicht einfach ist, „das erfolgreichste Land“ zu küren. Noch deutlicher wird dies im Vergleich von Guatemala und Marokko: Beide Nationen erreichten je einmal Gold und Bronze und teilen sich damit im offiziellen Medaillenspiegel Rang 60. Die Wertung sowohl nach Anzahl der Medaillen als auch nach Medaillenträgern entscheidet Marokko für sich, hat allerdings auch mehr Sportler geschickt.
So konnten sich für Guatemala zwei der 16 Olympioniken über Medaillen freuen: Adriana Ruano Oliva über Gold im Trap-Schießen der Damen und Jean Pierre Brol Cardenas über Bronze im Trap-Schießen der Herren. Team Marokko, bestehend aus 59 Sportlern, erhielt hingegen gleich 20 Medaillen: einmal Gold für Soufiane El Bakkali im Hindernis-Lauf der Herren über 3.000 Meter sowie 19 Bronzemedaillen für das Fußballteam der Herren.
Die Medaillenträger beider Länder konnten sich gleichermaßen über durchschnittlich je eine Medaille freuen. Doch während in Team Guatemala nur jeder achte Olympionike (12,5 Prozent) eine der Trophäen erhielt, lag dieser Anteil in Team Marokko mit knapp 34 Prozent der Sportler – mehr als jeder Dritte – fast dreimal so hoch. Auch bezogen auf die Medaillen-Inzidenz hat Marokko (0,05 Medaillen pro 100.000 Einwohner) die Nase vor Guatemala (0,01 Medaillen pro 100.000 Einwohner).
Die erfolgreichsten Länder …
… nach offiziellem Medaillenspiegel
Mit 126 Medaillenrängen führen die USA das offizielle Ranking an, gefolgt von China und Japan. Athleten aus dem „Reich der Mitte“ bestiegen 91-mal das Siegertreppchen und damit nur dreiviertel-mal so häufig wie Sportler aus dem „Wilden Westen“. Ihre Gegner und Gegnerinnen aus dem „Land der aufgehenden Sonne“ schafften es 45-mal auf das Podium.
Nach dieser Zählung erreicht Team Deutschland mit 33 Ehrungen Rang zehn und damit das vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ausgerufene Minimalziel. Angestrebt hatte der DOSB Platz fünf. Bei der wegen Corona um ein Jahr verschobenen Olympische Spiele in Tokio 2021 erreichte „Team D“ mit 37 Podiumsplätzen Rang neun im Medaillenspiegel. Zwischen 2000 und 2016 zählte Deutschland stets zu den besten sechs, vor der Jahrtausendwende sogar zu den Top 3.
… nach Medaillenträgern
Bei der Frage nach jenem Land mit den meisten Medaillenträgern führen wiederum die USA das Feld an: 255 Sportler flogen mit einer oder mehreren Medaillen nach Hause. Die Vereinigten Staaten stellen jedoch zugleich das größte Team in Paris, sodass dies nicht verwunderlich ist.
Auf den zweiten Platz kommt, ebenso wenig verwunderlich, das Land mit den zweitmeisten Sportlern: Frankreich. Von den Athleten mit Heimvorteil erkämpften 168 mindestens eine Medaille. Auf Platz drei kletterte China mit 132 Medaillenträgern, dicht gefolgt von Großbritannien, das mit deutlich weniger angetretenen Sportlern 131 Medaillenträger feiern kann. Es folgen die Niederlande (107) und auf Rang sechs die 104 Medaillenträger Deutschlands.
… nach Anzahl der vergebenen Medaillen
Unbestritten ist, dass mehr Medaillenträger, auch mehr Medaillen nach Hause bringen. Ein zweiter Faktor – die Anzahl der siegreichen Mannschaften – ist jedoch ebenso, wenn nicht sogar wichtiger, wie am Beispiel von Guatemala und Marokko. Insgesamt belegen die USA wieder Rang eins und verweisen Frankreich und China auf die Plätze zwei und drei.
Mit nur 93 Medaillenträgern, aber 121 gewonnen Medaillen, mischt Australien die folgenden Ränge auf und sichert sich in dieser Wertung hinter Großbritannien Rang fünf. Deutschland kommt nach den Niederlanden nur auf Rang sieben. Japan, im offiziellen Medaillenspiegel auf dem dritten Rang, schafft es sowohl nach Medaillen als auch nach -trägern nur auf Rang zehn.
… nach Medaillenquoten
Bezüglich der Medaillen-Effizienz (Medaillen pro Medaillenträger) und -Effektivität (Medaillenträger pro Olympionike) haben indes ganz andere Länder die Nase vorn.
Die durchschnittlich meisten Medaillen pro Medaillenträger erzielte der kleine karibische Inselstaat St. Lucia. Mit Gold im 100-Meter-Lauf der Frauen sowie Silber im 200-Meter-Lauf der Frauen holte Julien Alfred die ersten olympischen Medaillen in der Geschichte ihres Landes. Zugleich ist sie die einzige siegreiche Sportlerin ihrer vierköpfigen Landesmannschaft und muss sich ihre Medaillen damit mit niemandem „teilen“. Damit hat St. Lucia im Schnitt die effizientesten Athleten der Olympischen Sommerspiele.
Die meisten Medaillenträger pro Teilnehmer weist wiederum Nordkorea auf. Von den 16 Sportlern erreichten sieben Sportler Medaillenränge. Kim Mi-rae im Wasserspringen der Damen vom Zehn-Meter-Turm sogar zweimal, im Einzel (Bronze) und im Synchronspringen (Silber). Mit einer Erfolgsquote von 43,75 Prozent waren sie die effektivste Nation in Paris 2024.
In der dritten Teilwertung dieser Art – Medaillen pro Olympionike – gewinnen wiederum die USA mit durchschnittlich 0,54 Medaillen pro Sportler. Rang zwei teilen sich St. Lucia, Nordkorea und Botswana mit durchschnittlich je einer halben Medaille pro Athlet.
… nach Medaillen-Inzidenz
Wer sein Land bei den Olympischen Spielen vertreten darf, reist stellvertretend für seine Nation zu den Wettkämpfen. Dass ein Land nur die Besten schickt, sollte selbstverständlich sein – ebenso dass ein Land mit vielen Einwohnern dabei aus einem größeren Talentpool schöpfen kann. Wir betrachten daher abschließend die sogenannte Medaillen-Inzidenz. Für Deutschland beträgt diese wie beschrieben 0,13 Medaillen pro 100.000 Einwohner. Damit liegen wir im guten Mittelfeld. Sowohl die USA als auch China schneiden deutlich schlechter ab.
Auch hier hat wiederum ein winziger karibischer Inselstaat die Nase vorn: Grenada. Anderson Peters (Bronze im Speerwerfen der Herren) und Lindon Victor (Bronze im Zehnkampf der Männer) erzielten zwar nur zwei Medaillen für ihr Land. Grenada hat allerdings nur gut 117.200 Einwohner. Daraus ergibt sich eine Inzidenz von 1,7 Medaillen pro 100.000 Einwohner.
Mit 1,51 Medaillen pro 100.000 Einwohnern geht Rang zwei an Dominica, ebenfalls ein karibischer Inselstaat. Bei nur rund 66.200 Einwohnern reichte hierfür Thea LaFonds Goldmedaille im Dreisprung der Damen. Die Fidschi-Insel holten trotz 928.000 Einwohnern und nur einem Bronze-Rang ebenfalls (knapp) 1,51 Medaillen pro Einwohner. Das scheinbar unmöglich gelingt, weil ihr Silber an das Rugby-Team ging und sie damit gleich 14 Medaillen nach Hause bringen.
Den vierten Platz der Inzidenz-Rangliste belegt wiederum St. Lucia. Die zwei Medaillen von Julien Alfred reichen für 1,11 Medaillen pro 100.000 Einwohner. Die niedrigste Medaillen-Inzidenz haben nicht etwa Indien oder China mit je über einer Milliarde Einwohnern, sondern Pakistan. Auf 100.000 Einwohner kommen hier nur 0,0004 Medaillen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion