Geschäftsführer erhält Kündigung, weil er nicht genderte
Klaus Roggenthin ist promovierter Soziologe und ehemaliger Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe (BAG-S). Der Verein wird von Sozialverbänden getragen und setzt sich für die Belange und Forderungen von Straftätern ein. Roggenthin verfasste im Zuge seiner Arbeit den Ratgeber „Wegweiser“ für Inhaftierte, Entlassene und deren Familien, in welchem er nicht genderte. Darauf folgte eine Welle an Reaktionen, bis er im Februar 2022 die Kündigung erhielt.
Roggenthin behauptet, dass er entlassen wurde, nachdem er nicht eingesehen habe, die Gender-Sprache zu benutzen und reichte Klage bei Gericht ein. Seine fristlose Kündigung wurde durch einen Vergleich aufgehoben, dafür endet der Vertrag zum 30. September. Sein Gehalt ab Februar soll ihm nachgezahlt werden.
Erklärung „überflüssig“ und abgelehnt
Zur Erklärung des „Wegweiser“, in welchem er nicht Genderte, sagte Roggenthin in einem Gespräch mit der „Welt“, dass sich die Veröffentlichung an Menschen richte, die in Haft waren oder sind. „Weil Bildungsstand und Sprachkompetenz bei dieser Gruppe oft nur gering ausgeprägt sind, haben wir die Texte eigens von einer Agentur für verständliche Sprache bearbeiten lassen. Es wäre doch absurd, diesen Gewinn an Lesbarkeit dann durch Einführung einer Kunstsprache zunichtezumachen, die den Regeln der deutschen Rechtschreibung widerspricht und an der Lebenswelt der Adressaten völlig vorbeigeht“.
Dies wollte der ehemalige Geschäftsführer in einer Mitgliederversammlung im November 2018 ausführen. Sein Vortrag sei allerdings als überflüssig bezeichnet und abgelehnt worden, heißt es in der Klageschrift.
In dem Sitzungsprotokoll wurde festgehalten, dass einige der Anwesenden es „ungeheuerlich“ fanden, „die Verwendung einer gendergerechten Sprache überhaupt infrage zu stellen, so dass es zu Unruhen kommt“. Der Vortrag sei an dieser Stelle beendet worden. Später sei das Protokoll geändert und die Passage zum Abbruch des Vortrages gestrichen worden.
Gendern für alle?
Wenige Monate später beschloss der Vorstand im Februar 2019, dass das Gendern zukünftig zum Standard erhoben werden sollte. Roggenthin erzählt, dass ihm vom damaligen Vorstandsvorsitzenden noch versichert worden sei, diese Regelung für Namensbeiträge nicht zu verpflichten. „Wir können Gastautoren, die bei uns schreiben, ja kaum dazu zwingen, ihre Texte zu gendern. Und auch in meinen eigenen Beiträgen und Interviews sollte mir das angeblich freigestellt bleiben.“
Stets gegendert habe Roggenthin nach eigenen Angaben in Texten der Homepage oder in Pressemitteilungen, bei denen der Geschäftsführer selbst nicht namentlich als Autor genannt wurde. „Ich hielt die Grundsatzentscheidung für Gendersprache für bedauerlich, aber solange ich persönlich nicht öffentlich dazu genötigt wurde, konnte ich damit leben.“
Diese Grenzziehung sei nach Angaben eines Arbeitsrechtlers der „Welt“ in Ordnung gewesen. „Solang es nur um Textbausteine beispielsweise für die Website eines Unternehmens geht, wird der Arbeitgeber die Verwendung von Gendersprache im Rahmen seines Direktionsrechts wohl verlangen können.“ Von Arbeitnehmern dürfte eine „persönliche Unterwerfung unter eine bestimmte Weltsicht oder Ideologie, und nichts Anderes ist das Gendern“, nicht verlangt werden.
Gendern allgemein verpflichtend
Die Konflikte haben sich nach Roggenthin weiter verschärft und die BAG-S das Gendern Mitte Februar 2022 für allgemein verpflichtend erklärt.
Daraufhin stellte Roggenthin eine Anfrage, wie damit umgegangen werden solle, wenn beispielsweise Interviewpartner nicht gendern würden, oder wenn Konflikte wegen der verschiedenen Schreibweisen mit Doppelpunkten oder Unterstrichen entstünden. Acht Tage nach der Anfrage habe Roggenthin seine Kündigung erhalten. „Ich stellte kritische Nachfragen und wurde deswegen entlassen. Ich habe absolut nichts gegen die Gleichstellung. Ich möchte aber selbst entscheiden, welche Sprache ich nutze“, sagte er.
Gendern nicht einziger Grund der Kündigung
In der Verteidigungsschrift des Vereins wurde das Gendern nur als ein Aspekt neben vielen weiteren Hauptgründen für die Kündigung aufgezählt. In der Verhandlung habe die Beklagtenanwältin betont: „Es war keine Kündigung wegen des Genderns. Auch noch mal in aller Öffentlichkeit und für die Presse: Es hat nichts mit dem Gendern zu tun.“
In dem Schriftsatz der Beklagten wurde Roggenthins Verweigerung zu gendern allerdings als „weiterer einleuchtender Grund“ für die Kündigung bezeichnet.
Als weitere Gründe wurde angeführt, dass Roggenthin die Bundestagung 2020 nicht ausreichend vorbereitet, Kongresse der Mitgliedsversammlung nicht besucht und sich Fehler bei der Haushaltsführung geleistet habe. Außerdem habe er Termine versäumt.
Roggenthin bestreitet das und betont, dass er die von Bund gewährten Mittel sogar von 115.000 Euro (2010) auf 189.000 Euro (2022) gesteigert habe. Außerdem habe es nie eine Abmahnung gegeben und er habe ein durchweg positives Zwischenzeugnis im November 2020 erhalten. In diesem steht unter anderem: „Herr Roggenthin erledigte als Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe e. V. die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit. Sein Verhalten gegenüber den Mitgliedern des Vorstandes sowie den Mitarbeiter*innen, Kund*innen und Partner*innen war jederzeit einwandfrei.“
Die Details für die Kündigung seien laut Gericht „nicht gerade substantiiert“ vorgetragen worden. Allerdings sei das zunehmend schlechte Verhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausreichend Grund für eine Kündigung.
Kündigungsschutzgesetz gilt nicht
Die BAG-S ist ein Kleinbetrieb mit weniger als elf Mitarbeitern. In diesem kleinen Team seien interner Zusammenhalt und eine reibungslose Zusammenarbeit besonders wichtig und das Kündigungsschutzgesetz gelte dort nicht. Schikanöse oder treuwidrige Kündigungen seien auch dort verboten, unterhalb dieser Grenze habe der Arbeitgeber allerdings freie Hand, so der Richter.
Roggenthin teilte nach dem Verfahren der „Welt“ mit, dass die BAG-S gedroht habe, eine zweite, außerordentliche Kündigung auszusprechen, weil sie glaube, dass Roggenthin vertrauliche Verfahrensankten an die Presse gegeben habe. Dann würde das nächste Verfahren mit entsprechenden Kosten und möglichen Auswirkungen auf seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld folgen.
„Das Positive an diesem Prozess ist, dass er sichtbar gemacht hat, dass Gendern keineswegs, wie gern behauptet wird, immer nur freiwillig ist, sondern dass es auf subtile oder auch rabiate Art erzwungen wird“, schlussfolgert Roggenthin aus dem Verfahren.
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