Rückzug von Bartsch: Linke vor weiterer Zerreißprobe
Inmitten der tiefgreifenden Krise der Linken gibt der langjährige Fraktionschef im Bundestag Dietmar Bartsch seinen Posten auf. In einem Schreiben an die Fraktion erklärte der 65-Jährige, dass er bei der anstehenden Vorstandswahl am 4. September nicht erneut kandidieren werde. Bartsch betonte, dass er diesen Entschluss bereits vor langer Zeit gefasst habe. Vor wenigen Tagen hatte bereits seine Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali ihren Rücktritt verkündet. Sie hatte ihren Schritt als Protest gegen die Parteiführung im Umgang mit Sahra Wagenknecht begründet.
Dietmar Bartsch begründete seinen geplanten Rückzug jedoch nicht mit der aktuellen Krise. In seinem Schreiben an die Abgeordneten erklärte er:
Meine Entscheidung, den Fraktionsvorsitz nach acht Jahren abzugeben, in denen ich die Fraktion zunächst mit Sahra Wagenknecht, dann mit Amira Mohamed Ali geleitet habe, ist lange vor der letzten Bundestagswahl gefallen. Meine Familie und engste politische Freunde kannten diese Entscheidung. Ja, viele haben mich in den vergangenen Tagen und Wochen heftig gedrängt, in dieser für die Partei nicht leichten Situation, noch einmal zu kandidieren. Letztlich bin ich bei meiner Entscheidung geblieben.“
Auf einer anschließenden Pressekonferenz mit dem Titel „Ich habe DIE LINKE nicht aufgegeben– im Gegenteil“ betonte Bartsch die Wichtigkeit für linke Politik. Als Beispiel, wo Dinge grundlegend falsch liefen, nannte er das Heizungsgesetz, die Kindergrundsicherung, das 100-Millionen-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr und das „Wachstumschancengesetz“.
Außerdem sagte Bartsch – und das meine er sehr ernst –, Werte wie Menschlichkeit, Solidarität, Herzlichkeit und viel Lächeln sollten die Linke auszeichnen. Daher verzichte er auch auf negative Kommentare bezüglich der aktuellen Situation. Bartsch spielt auf die drohende Spaltung der Fraktion an, sollte Sahra Wagenknecht die Pläne einer neuen Partei in die Tat umsetzen.
Mit Wagenknecht-Partei: Spaltung und Verlust des Fraktionsstatus
Wagenknecht steht in Konflikt mit der politischen Ausrichtung der Bundesvorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan. Bis Ende des Jahres hat sie sich bezüglich einer Parteigründung Bedenkzeit gegeben. Sollte dies eintreten, droht der Linken und ihrer Bundestagsfraktion eine Spaltung. Es wird erwartet, dass mehrere der 39 Abgeordneten zusammen mit Wagenknecht die Linke verlassen würden. Bei weniger als 37 Mandaten ginge der Fraktionsstatus verloren, was wiederum finanzielle Mittel, Positionen und den Einfluss der kleinsten Oppositionspartei im Bundestag beeinträchtigen würde.
Abgesehen davon – stünden tatsächlich Wahlen vor der Tür, müssten sich die Linke aus dem Bundestag verabschieden. Laut einer aktuellen Insa-Umfrage können sie nur noch 4,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und würden an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte den Funke-Zeitungen, er hätte sich gewünscht, dass Bartsch bis zum Ende der Legislaturperiode die Bundestagsfraktion führt. Er habe ihn in den vergangenen Tagen gebeten, „es anders zu entscheiden“.
Wie gehts weiter bei Die Linke?
Mit Bartschs Rücktritt verlässt einer der bekanntesten Gesichter der Partei die vorderste Reihe. Der 65-Jährige stammt aus Mecklenburg-Vorpommern und bekleidete jahrzehntelang hohe Ämter. Seit 2015 hatte er den Co-Vorsitz der Linken-Bundestagsfraktion inne, zunächst gemeinsam mit Wagenknecht und zuletzt mit Amira Mohamed Ali. Die Frage, wer auf die beiden folgen könnte, bleibt offen. Die Parteiführung hatte gehofft, dass der 65-Jährige bei den Neuwahlen im September erneut für den Posten antritt. Bartsch wurde in der Partei lange Zeit als eine Integrationsfigur betrachtet, die erfolgreich den linken Flügel und den pragmatischen Flügel vereinte. Dies gelang auch aufgrund seiner langjährigen harmonischen Zusammenarbeit mit Wagenknecht.
Bartsch selbst wurde als Pragmatiker angesehen und warnte konstant vor einer möglichen Spaltung der Partei. Jedoch unterstützte er im Juni die Entscheidung der Parteiführung, sich von Wagenknecht abzugrenzen. Als Begründung führte er die anhaltenden öffentlichen Andeutungen von Wagenknecht zur Gründung einer eigenen Partei an. Dem NDR sagte Bartsch kürzlich, eine Aufspaltung hätte dem linken politischen Spektrum noch nie zu mehr Einfluss verholfen. Ein solcher Schritt wäre „ein fataler Fehler“ und „verantwortungslos“.
Was ist moderne „linke“ Politik?
Insgesamt dreht sich der Konflikt innerhalb der Linken nicht nur um die Person Wagenknecht, sondern auch um die Definition moderner „linker“ Politik. Die Parteispitze sucht die Nähe zur Klimabewegung und strebt nach radikalem Klimaschutz in Verbindung mit sozialer Ausgewogenheit. Wagenknecht und ihre Anhänger hingegen warnen vor übermäßigen Belastungen durch Klimaschutz und befürworten eine Begrenzung der Migration sowie den Fortbestand günstiger Energieimporte und Friedensverhandlungen mit Russland.
Der ehemalige Linke-Bundesvorsitzende und Wagenknecht-Vertraute Klaus Ernst wiederholte seine Kritik an der Parteiführung. Diese wolle aus der Linken eine „grün-radikale Umweltpartei“ machen, sagte Ernst dem Sender „Welt“. Die Linke werde aber gebraucht, „um die Lebensverhältnisse der abhängig Beschäftigten zu verändern“. Wenn diese Rolle nicht mehr erfüllt werde, „dann wird es natürlich schwierig mit dem Fortbestand dieser Partei“, so Ernst.
Beim jüngsten Bundesparteitag der Linken im Jahr 2022 konnten sich Wagenknechts Unterstützer nicht durchsetzen. Wissler und Schirdewan sicherten sich hingegen die Zustimmung einer Mehrheit der Delegierten. Die Wahl der neuen Führung der Linksfraktion im Bundestag steht am 4. September an.
(Mit Material von dpa und AFP)
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