Wie nah ist ein Taiwan-Krieg? Experte sieht drei Bedingungen

Hightech-Republik, Demokratie und Chinas Nachbar: Noch scheint die globale Brisanz der Taiwan-Frage bei den Menschen im Westen nicht angekommen zu sein. Dabei könnte ein Überfall Chinas auf Taiwan weltweit ungeahnte Folgen mit sich bringen. Eine Analyse.
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Taiwanische Jets vom Typ AT-3 feiern den Nationalfeiertag Taiwans am 10. Oktober 2022 in Taipeh.Foto: Annabelle Chih/Getty Images
Von 22. Mai 2023

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Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine dauert immer noch an. Die globale Situation macht insgesamt einen eher kritischen Eindruck und der nächste große Konflikt könnte in der Taiwanstraße kommen. China rüstet militärisch auf und bringt sich ideologisch stramm auf Linie. Ein Überfall Chinas auf die Hightech-Inselrepublik könnte weltweit ungeahnte Folgen mit sich bringen, nicht nur für die globalen Lieferketten der Halbleiter-Industrie.

Auf der anderen Seite rücken die USA und ihre Verbündeten im Pazifikraum mit Taiwan enger zusammen. Man will Chinas Kommunisten davon abschrecken, nach seinem östlichen Nachbarn zu greifen. Nach Ansicht von Experten ist Xi Jinping jedoch – zumindest im Augenblick – noch nicht bereit dazu, einen Krieg in der Meerenge von Taiwan anzuzetteln. Peking fehlten genau drei Bedingungen für den Kriegsbeginn. Währenddessen wird man auch in Europa China gegenüber immer misstrauischer.

„Hüte dich davor, Taiwan anzugreifen“

Die westliche Welt hat ihren chinesischen Traum mittlerweile ausgeträumt und wacht nun ernüchtert auf. „Hüte dich davor, Taiwan anzugreifen. Die Konsequenzen kannst du nicht planen“, warnte der Europaabgeordnete Michael Gahler (CDU) in Richtung Chinas Führer Xi Jinping. In einem Interview mit der Epoch Times erklärte der außenpolitische Sprecher der Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), dass der Westen nicht nur Putin gegenüber „konsequent und einig“ bleiben müsse.

Auch an China müsse die freie Welt eine deutliche Botschaft senden. Nach Angaben des EU-Parlamentariers beobachte China genau, wie der Westen auf den Krieg Russlands in der Ukraine reagiere und Xi Jinping habe gesagt, dass er, wenn es nicht anders gehe, Taiwan mit Gewalt erobern wolle, so Gahler.

Der Abgeordnete erklärte, dass er sich als Vorsitzender der Taiwan-Freundschaftsgruppe im Europäischen Parlament jedoch für die Fortsetzung des Status quo (in der Taiwanstraße) einsetze. Es gehe also darum, so Gahler, dass dieser Status quo nicht einseitig verändert werde – „und schon gar nicht gewalttätig“.

Es ist möglich: Demokratie für Chinesen

Für das kommunistische Regime ist die Taiwan-Frage aus verschiedenen Blickwinkeln brisant. Einer davon betrifft gar das ideologische Selbstverständnis des Regimes. Denn Taiwan ist eine Demokratie mit gewissen Ähnlichkeiten zum deutschen Wahlsystem.

Nach Ansicht von Gahler zeigt Taiwan direkt vor Chinas Nase, dass Chinesen und Demokratie keine Gegensätze sein müssen. „Taiwan ist als demokratisch organisierte chinesische Gesellschaft natürlich eine tägliche Provokation für die Kommunisten in Peking, weil man jeden Tag sehen kann, dass man auch eine chinesische Gesellschaft offen und demokratisch organisieren kann“, so der Außenpolitiker, der auch auf den „noch höheren Lebensstandard“ in der Inselrepublik hinweist.

Den Angaben des Außensprechers der konservativen EU-Partei nach sei das Europäische Parlament dafür, beispielsweise ein Freihandelsabkommen und ein Abkommen über Investitionsschutz mit Taiwan zu schließen, „damit wir einerseits besser dort investieren können, aber auch die taiwanesische Industrie bei uns besser investiert. Stichwort die Halbleiter-Produktion“, so Gahler. Einiges müsse dabei auch zum Schutz der Lieferwege nach Europa verlagert werden. „Von daher haben wir ein starkes Interesse, uns mit Taiwan politisch, aber auch vor allen Dingen wirtschaftlich enger zu verbinden.“

Die drei Bedingungen des Krieges

Drei Bedingungen für einen möglichen Krieg in der Taiwanstraße sieht Professor Li Shih-hui von der School of International Affairs an der National Chengchi University in Taiwan und Vorsitzender des Taiwan Institute of Japan Studies. Er erklärte gegenüber der Epoch Times: „Es gibt drei Bedingungen für einen Krieg in der Taiwanstraße. Die Erste ist, dass Taiwan unabhängig wird, wer entscheidet über Taiwans Unabhängigkeit? Das Volk von Taiwan. Die zweite ist, dass sich ausländische Kräfte einmischen, und wer entscheidet über die Einmischung ausländischer Kräfte? Die Vereinigten Staaten. Drittens entscheidet Peking über die Unabhängigkeit Taiwans oder die Einmischung ausländischer Mächte, was gleichbedeutend damit ist, dass Xi Jinpings Wille so stark ist, dass er einen Krieg beginnen könnte. Es gibt also diese drei Bedingungen.“

Nach Angaben von Professor Li gingen viele Bürger Taiwans nicht davon aus, dass der Krieg sehr nahe sei, weil die Erklärung von Taiwans Unabhängigkeit von ihnen abhänge: „Also denken die Taiwanesen jetzt, ich bin nicht unabhängig, ich habe nicht die Dinge getan, die Peking dazu bringen würden, einen Krieg zu beginnen.“ In dieser Hinsicht spielt auch die Präsidentenwahl in Taiwan Anfang 2024 eine große internationale Rolle.

In der internationalen Gemeinschaft ist man da offenbar weniger optimistisch. Wie Li Shih-hui erklärte, hätten andere Länder wie Japan oder Australien jedoch keinen Einfluss auf einen Krieg in der Taiwanstraße. Daher seien sie nervös und besorgt, so der Wissenschaftler.

Allerdings scheint es so, dass China trotz seiner aggressiven Rhetorik zum Taiwan-Thema, derzeit einen Angriff eher nicht erwägt. Nach Angaben der chinesischsprachigen Epoch Times interviewte kürzlich Yao Cheng, einen ehemaligen Stabsoffizier des Marinekommandos der Kommunistischen Partei Chinas. Nach Angaben des früheren Oberstleutnants befinde sich die „globale militärische Konfrontation […] jetzt in einem kritischen Stadium“. China habe in den vergangenen Jahren immer mehr Militärübungen in der Umgebung von Taiwan durchgeführt, mit Kampfflugzeugen und Kriegsschiffen – und dabei sogar die Mittellinie in der Straße von Taiwan überschritten. Allerdings glaubt Yao, dass ein Angriff auf Taiwan nicht unmittelbar bevorstehe. China sei nicht vorbereitet, so Yao, vor allem, was seine Waffen angehe. Viele Waffen des chinesischen Militärs seien kampfunfähig. Das betreffe auch Kriegsschiffe und Flugzeuge.

CIA warnt davor, Xi zu unterschätzen

Kürzlich berichtete „Reuters“ von Plänen der US-Regierung, die Presidential Drawdown Authority (PDA) zu nutzen, um Taiwan mit Waffenhilfe im Wert von 500 Millionen US-Dollar zu versorgen. Durch die PDA, einer Art Behörde, kann der US-Präsident vereinfacht und beschleunigt Ressourcen aus dem Verteidigungshaushalt für humanitäre Zwecke freigeben. Im aktuellen US-Haushalt wurden vom US-Kongress bis zu einer Milliarde US-Dollar an Waffenhilfe für Taiwan für die Presidential Drawdown Authority (PDA) freigegeben. Zudem berichteten Medien von einem Anfang Mai geplanten Treffen von Vertretern von 25 US-Rüstungsfirmen in Taiwan, um die Möglichkeiten einer gemeinsamen Waffenproduktion zu besprechen.

Der Chef des Auslandsgeheimdienstes der USA, Willaim Burns, sagte im Februar bereits gegenüber CBS, dass der Verlauf des Ukrainekriegs Xi Jinpings Siegesgewissheit gegenüber Taiwan beschädigt hat. Der CIA-Direktor erklärte, dass Xi die Erfahrungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine „sehr aufmerksam“ beobachtet habe und „ein wenig verunsichert“ und „ernüchtert“ sei, von Moskaus Leistung auf dem Schlachtfeld. Dennoch: „Unsere Einschätzung bei der CIA ist, dass ich die Ambitionen von Präsident Xi in Bezug auf Taiwan nicht unterschätzen würde.“ Er sagte jedoch auch, dass der Konflikt um Taiwan „zutiefst unglücklich wäre […] für alle Beteiligten, einschließlich China“.

Deutliche und mahnende Worte nutzte auch der ehemalige Nationale Sicherheitsberater der USA, Robert O’Brien, als er am 12. April bei einer Diskussion auf dem Weltwirtschaftsgipfel 2023 sagte, dass sich die Absichten der Kommunistischen Partei Chinas nicht darauf beschränkten, Taiwan zurückzuerobern, sondern die ganze Welt zu beherrschen. Ob es wegen Taiwan zu einem Konflikt zwischen den USA und China komme, hänge davon ab, wie eitel Xi Jinping sei und wie sehr ihn sein Ehrgeiz antreibe.



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