Taiwans Präsidentschaftswahl: Bedeutung für die globale Politik und Beziehung zu China

Im Januar 2024 wählt Taiwan seinen Präsidenten, das Parlament – und wohl auch den zukünftigen China-Kurs der Hightech-Republik. Taiwans demokratisches Wahlsystem ähnelt dem in Deutschland – sehr zum Unmut des kommunistischen Nachbarn.
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Am Lotussee von Kaohsiung, Taiwan.Foto: Istockphoto/efired
Von 5. Mai 2023

In Taiwan steht im Januar kommenden Jahres ein Wechsel an der Führungsspitze an. Die Wahl des Präsidenten. Die jetzige Präsidentin, Tsai Ing-wen (DPP), kann nicht mehr antreten. Nach zwei möglichen Amtszeiten von vier Jahren ist Schluss. So ist die Regel. Wer kommt an die Macht: ein Kuomintang-Kandidat (KMT) oder wieder jemand von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP)? Gibt es eine Annäherung an China oder bleibt Taiwans Souveränität oberste Priorität? Eine Wahl, die globale Folgen mit sich bringt.

Vor diesem Hintergrund waren die amtierende Präsidentin Tsai (seit 2016) und der vorherige KMT-Präsident Ma Ying-jeou (2008 – 2016) kürzlich erst gleichzeitig im Ausland unterwegs, Tsai Ing-wen in den USA und Mittelamerika und Ex-Präsident Ma in China. Da beide ihr Amtszeitkontingent bereits erschöpft haben, dienten die Reisen auch zur Wegbereitung für die kommenden Kandidaten. Während die KMT ihren Kandidaten immer noch nicht offiziell nominiert hat, ist der für die DPP schon klar: Vizepräsident William Lai soll ins Rennen gehen.

Das Volk bestimmt den Präsidenten

Bei den Präsidentenwahlen in Taiwan geht es nicht nur um Wirtschaft, Arbeit, Umwelt, Bildung und Gesundheit. Im politischen Kampf zwischen der KMT und der DPP geht es vielmehr auch um die Gewichtung der Beziehungen zum kommunistischen China. Damit verbunden ist auch die außenpolitische Ausrichtung Taiwans. Während der Präsidentschaft von Ma Ying-jeou (2008 – 2016) näherte sich Taiwan zunehmend Peking an. Mit der Wahl von Tsai Ing-wen 2016 entschied sich das Volk von Taiwan, dies wieder rückgängig zu machen.

Taiwan wählt seinen Präsidenten und Vizepräsidenten direkt. Jeder Stimmberechtigte in Taiwan hat jeweils eine Stimme für den Präsidenten und für den Vizepräsidenten. Am Ende entscheidet die einfache Mehrheit. In der Regel treten die Kandidaten der Parteien für beide Posten gleichzeitig und im Team an.

Da der Präsident in Taiwan direkt gewählt wird, hat er auch eine starke Legitimation durch die Wähler. Als Staatsoberhaupt, oberster Befehlshaber der Streitkräfte und Repräsentant der Republik kann der Präsident eine andere politische Agenda haben, als die Regierung. Bei Uneinigkeit über den politischen Weg können daher Konflikte und Spannungen auftreten.

Der Präsident schlägt dem Parlament einen Ministerpräsidenten vor, den die Abgeordneten dann bestätigen oder nicht. Der Ministerpräsident wiederum bestimmt die Minister der Regierung, der Präsident bestätigt – oder auch nicht. Der Präsident kann auch Minister vorschlagen, die der Premierminister dann annehmen muss.

Die Mehrheit im Parlament entscheidet

Der Präsident hat das Recht, vom Parlament vorgeschlagene Gesetze abzulehnen und die Abgeordneten müssen dann nach Wunsch des Präsidenten nachbessern. Allerdings kann das Parlament ein Gesetz auch mit Zweidrittelmehrheit erzwingen. Das Parlament hat auch das Recht, Misstrauensanträge gegen die Regierung oder einzelne Minister einzureichen. Das Parlament kann auch ein Amtsenthebungsverfahren nach Artikel 53 der Verfassung gegen den Präsidenten, den Vizepräsidenten oder hohe Regierungsbeamte beantragen – „wegen schwerer Verbrechen oder Vergehen“. Ein Drittel der Parlamentsmitglieder muss dem Antrag zustimmen, um eine Sonderkommission für die Untersuchung zu beauftragen. Lassen sich die Vorwürfe bestätigen, bedarf es einer Zweidrittelmehrheit im Parlament zur Umsetzung der Amtsenthebung.

In Taiwan hängt die Regierungspolitik stark von der politischen Dynamik im Parlament ab. Denn die vom Premierminister geleitete Regierung wird normalerweise von der Mehrheit im Parlament gestützt.

Aborigines im Taiwan-Parlament

Das Parlament selbst wird alle vier Jahre gewählt. Die nächste Wahl findet ebenfalls im Januar 2024 statt, jedoch getrennt von der Präsidentenwahl. Ähnlich wie in Deutschland gibt es eine Direktwahl und eine Verhältniswahl. Dazu kommt eine Taiwan-spezifische Komponente. Die Parlamentssitze in Taiwan sind derzeit auf 113 festgeschrieben: 73 Direktkandidaten, jene mit den meisten Stimmen in ihren Wahlkreisen, 34 Sitze im Verhältnis der landesweit gewählten Parteien, wobei es eine 5-Prozent-Hürde gibt und sechs Sitze, die den Aborigines gehören, der indigenen Bevölkerung von Taiwan.

Der Begriff Aborigines oder Ureinwohner wird allgemein als Oberbegriff für die Clans und Stämme der Ureinwohner Australiens in Verbindung verwendet. Jedoch gibt es auch Aborigines auf Taiwan, allerdings andere Clans und Stämme, mit eigener Kultur, Sprache, Geschichte und Tradition. Diese wählen ihre Parlamentsvertreter durch ein eigenes „indigenes Wahlsystem“ nach Artikel 18 des „Gesetzes zur autonomen Regierung der Ureinwohner Taiwans“ aus. Dabei werden von den Aborigines der verschiedenen Stämme ihre Vertreter als Mitglieder eines Wahlkomitees gewählt. Aufgrund der geografischen Verteilung der Stämme gibt es verschiedene Wahlkreise, in denen sich Kandidaten zur Wahl stellen. Die sechs Kandidaten mit den meisten Stimmen kommen ins Parlament.

Die Bürger Taiwans haben das Recht, ihre Regierung durch freie und faire Wahlen zu wählen, und es gibt eine Verfassung, die die Grundlage für die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte bildet. Viele Taiwanesen sind entschieden für die Beibehaltung der Demokratie und Freiheit in ihrem Land und sehen die Unabhängigkeit Taiwans als unverzichtbar für die Wahrung dieser Werte an – insbesondere gegenüber dem von der Kommunistischen Partei diktatorisch regierten China.

Freiheit oder chinesische Provinz

Vor allem die jungen Generationen in Taiwan haben kaum noch familiäre Beziehungen nach China. Man wählte mit Tsai auch einen Kurs gegen die Wiedervereinigungsambitionen Chinas. Denn der kommunistische Nachbar würde nur allzu gern die Hightech-Inselrepublik unter seine Herrschaft bringen. Denn Taiwan stellt nach Angaben von US-Außenminister Antony Blinken rund 70 Prozent der High-End-Computerchips der Welt her und stellt, zum Ärger Chinas, eine der stabilsten und demokratischsten Nationen in Asien dar. Die meisten Taiwanesen verspüren daher keinen Drang, so leben zu wollen, wie die Menschen in China.

Im vergangenen Jahr kündigte der taiwanesische Milliardär und Gründer des Halbleiterkonzerns UMC, Robert Tsao, an, umgerechnet rund 100 Millionen US-Dollar an das Verteidigungsministerium von Taiwan spenden zu wollen, um Taiwans Bevölkerung auf einen eventuellen Angriff durch China vorzubereiten. Tsao sprach von „zivilen Kriegern“ für die Verteidigung der Heimat. „Die Chinesen müssen schon über meinen toten Körper steigen, um Taiwan einzunehmen“, sagte der patriotische 76-Jährige. Tsao wurde 1947 in Peking geboren. Seine Familie wanderte bereits 1948 von China nach Taiwan aus, wo Tsao 1980 United Microelectronics Corporation (UMC) gründete. Vor rund zehn Jahren zog sich Tsao aus UMC zurück.

Einstmals ein Befürworter der Vereinigung mit China änderte Tsao seine Meinung. Wie SkyNews berichtete, sprach der Milliardär einst mit Radio Free Asia über seinen Sinneswandel nach der Niederschlagung der Hong Konger Demokratiebewegung durch China. Heute erinnert Tsao daran, dass Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping seine Armee angewiesen habe, bis zum Jahr 2027 angriffsbereit zu sein. Er erklärte: „Die kommunistische Partei um Präsident Xi ist ein kriminelles Syndikat. Wie die Mafia.“ Taiwans Schwachpunkt liege nicht bei den Waffen, so der Milliardär, „sondern im Denken der Bevölkerung“. Viele Menschen spürten keine Gefahr – „und das ist gefährlich“. Robert Tsao: „Ich muss die Menschen wachrütteln.“

Die jüngere Geschichte Taiwans

Für das kommunistische China ist Taiwan eine abtrünnige Provinz. Peking strebt eine Wiedervereinigung an, notfalls mit Gewalt. Ein Blick in die jüngere Geschichte der beiden Länder gibt einen Einblick.

1895 eroberte das japanische Kaiserreich die Insel Taiwan (Formosa) vom letzten chinesischen Kaiser der Qing-Dynastie im Rahmen des Ersten Japanisch-Chinesischen Krieges. 1912 gründete die Kuomintang die Republik China. Von 1937 bis 1945 kämpften die Regierungstruppen der Kuomintang gemeinsam mit den Truppen der Kommunistischen Partei Chinas unter Mao gegen die japanischen Besatzer. Insgeheim festigte Mao jedoch im Verlauf des Krieges seine Basis in den ländlichen Gebieten Chinas, unter anderem mithilfe des sowjetischen Diktators Josef Stalin. Nach der Kapitulation Japans im 2. Weltkrieg 1945 wurde Taiwan an die Republik China (Kuomintang) zurückgegeben.

In den folgenden Jahren tobte in China ein Bürgerkrieg zwischen der Regierung und den kommunistischen Rebellen um die Macht im Land. Während die Kuomintang die Hauptlast des Krieges gegen Japan getragen hatte und entsprechend geschwächt daraus hervorging, hatte Mao seine Truppen im Hinterland geschont. Erneut mit Unterstützung Stalins drängten sie die Regierungstruppen immer weiter zurück. Nach der Eroberung der damaligen Hauptstadt Nanjing durch die Kommunisten musste die Kuomintang-Regierung 1949 schließlich das Festland China Mao überlassen und flüchtete nach Taiwan, wo sie das Kriegsrecht ausrief. Während Mao Zedong die Volksrepublik China ausrief, führte die Kuomintang ihre Regierung und die Republik China auf Taiwan weiter, auch gegenüber der UNO als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. 1971 musste die Republik China (Taiwan) ihren UN-Sitz aufgrund einer UN-Resolution an China abgeben.

Von der Fluchtinsel zur Hightech-Republik

Und dennoch. Das kleine Taiwan entwickelte sich als von China getrenntes politisches und wirtschaftliches System und erlebte nach Protesten gegen die Regierung in den späten 1980er-Jahren einen Wandel hin zur Demokratie. Das Kriegsrecht wurde von der Regierung aufgehoben und politische Aktivitäten und Meinungsfreiheit ermöglicht. 1991 fanden die ersten freien Parlamentswahlen Taiwans statt. Die Kuomintang-Partei gewann dennoch die Wahlen 1988, 1992 und 1996. In dieser Zeit wurden weitere politische Reformen für die Demokratie in Taiwan durchgeführt. Die 1986 gegründete Demokratische Fortschrittspartei (DPP) gewann erstmals die Parlamentswahlen im Jahr 2000 und stellte auch den Präsidenten. Erst 2008 kamen mit Ma Ying-jeou die Regierungsmacht und Präsidentschaft zur Kuomintang zurück.

In all diesen Jahren entwickelte sich auch die Wirtschaft Taiwans immer besser. Heute floriert das Land als Hightech-Nation in den Bereichen Elektronik (ASUS, ACER, Foxconn, HTC), IT, Automobil, Textil, Maschinen und Chemie. Taiwans Halbleiterindustrie (TSMC, UMC) ist nach Samsung (Sükorea) weltführend.



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