China nach der Machtdemonstration: Warum jetzt innenpolitische Änderungen kommen

Was kommt jetzt? Chinas Mega-Militärparade ist gelaufen und Xi Jinping hat sich erfolgreich als Führer à la Mao und Deng Xiaoping inszeniert. Wer so viel Macht zeigt, muss sie auch anwenden, um glaubwürdig zu bleiben.
Titelbild
Mit regungsloser Miene und im Mao-Anzug fuhr Xi Jinping an den 12.000 Soldaten vorbei.Foto: Kevin Frayer / Getty Images News
Von und 4. September 2015

Zwölftausend Soldaten, 500 Militärfahrzeuge und 200 Flugzeuge. Dies zusammen mit der Ankündigung, man werde die Armee um 300.000 Mann verkleinern. Staatschef Xi Jinping betonte gestern, China sei „einer friedlichen Entwicklung verpflichtet“, und die Welt macht sich ihren Reim darauf.

Zur größten Militärparade in der Geschichte der Volksrepublik China zitierte die Washington Post einen Militär-Experten, der interpretierte, dass China sich Richtung High-Tech-Armee entwickelt hätte und die Friedens-Erklärung eher eine Demonstration der eigenen Fähigkeit sei, moderne Kriege führen zu können …

Chinesen finden den angekündigten Truppenabbau sehr vernünftig: Für sie war die Bedeutung des Aufmarschs innenpolitisch viel wichtiger, als nach außen. Dies ist Konsens unter China-Beobachtern in chinesischen Auslandsmedien. Sie gehen davon aus, dass Xi Jinping jetzt China noch schneller und wirksamer umgestalten wird.

Was die Gesichter verrieten

Die sieben Ständigen Mitglieder des Politbüros waren dabei. Dazu eine Reihe von alten Spitzenpolitikern (Jiang Zemin, Hu Jintao, Li Peng, Zhu Rongji, Li Ruihuang und Wen Jiabao). Alle wirkten angespannt, nur Wen Jiabao grinste wie ein Honigkuchenpferd. Xi Jinpings regungsloses Gesicht, als er an den Truppen vorbei kutschiert wurde, wirkte geradezu surreal.

Jiang Zemin (89) wurde von zwei Leuten gestützt und machte einen geschwächten Eindruck. (Diese Bilder hätten die Redakteure von CCTV rausschneiden können, taten sie aber nicht.) Sein Nachfolger Hu Jintao stand mit versteinerter Miene neben ihm, mit betontem Abstand. Es gab keinerlei Kommunikation. Die Bilder, die CCTV von Xi Jinping einfing, zeigten Chinas Führer meistens allein oder mit Putin plauschend. Auf der Plattform Sina gab es Videobilder, wo Xi auch mit Jiang redete (ganz höflich, wie das im kommunistischen China unter Todfeinden so üblich ist …)

Warum war Jiang dabei?

Chinesen fragen sich, was Jiangs Anwesenheit zu bedeuten hatte. EPOCH TIMES berichtete, dass ihm nach dem Tianjin-Anschlag die „Bewegungsfreiheit genommen“ wurde, was auch im chinesischen Internet als Fakt betrachtet wird. Im Vorfeld gab es Insider-Gerüchte, für Jiangs Fernbleiben werde man „gesundheitliche Gründe“ vorschieben. Die Sicherheitsmaßnahmen waren exorbitant, weil ein Anschlag durch Jiangs Gefolgschaft befürchtet wurde.

„Hätte Jiang auf der Tribüne gefehlt, wäre das psychologisch seinem Todesurteil gleichgekommen“, meinte ein Experte nun zu EPOCH TIMES. Aus Xis Sicht wäre es ein zu harter Schritt gewesen. Bisher führte Xi den gesamten Machtkampf gegen seinen Vor-Vorgänger sehr durchdacht und auf Nummer Sicher. Also durfte Jiangs Auftritt heute nicht fehlen. Er war aber kein Zugeständnis, sondern im Gegenteil, chinesische Kriegstaktik.

Drei Punkte wurden als innenpolitische Botschaft gesehen:

Xi zeigte, dass das Militär loyal zu ihm steht und er die tatsächliche Kontrolle über den Militärapparat hat. Jiang hat sein Mitspracherecht verloren.

Für Jiang war die Mega-Militärparade das Signal, dass seine Zeit vorbei ist und er das gefälligst akzeptieren soll …

Auch allen Jiang-Gefolgsleuten und innerparteilichen „Anti-Reform-Kräften“ wurde gezeigt, wohin die Reise politisch geht.

Politische Landschaft wird sich verändern“

Nach der großen Show interviewte EPOCH TIMES Xin Ziling, den früheren Direktor des Militärakademie-Verlages (er selbst ist ein pensionierter Oberst auf Divisionsebene). Er rechnet damit, dass sich Chinas politische Landschaft nach der Parade stark verändern wird und dass Xi seine Anti-Korruptions-Politik noch verschärfen wird. Das Hauptproblem für Xi sei Jiang Zemin und dessen mafiöses Netzwerk.

„In Chinas Führungsetage gibt es Kräfte, die nichts als Probleme erzeugen. So kann es nicht mehr weitergehen, es MUSS was passieren“, so Xin. Die Lösung des ‚Problems Jiang‘ sei deshalb unausweichlich. Andernfalls könne China nicht wirklich voranschreiten und erfolgreiche Reformen erleben.

Am Beispiel der Ermittlungen nach der Tianjin-Explosion sei schon zu sehen, welche Änderungen her müssten: Das Politbüro-Mitglied Zhang Gaoli, Ex-Bürgermeister von Tianjin, gab nach dem Vorfall 29 geheime Anweisungen und hielt sieben Videokonferenzen mit dem Ermittlungsteam ab. Dies wurde von seinem Amtsnachfolger verraten. „Zhang Gaoli gehört zur Jiang-Bande. Was ich mit ‚Änderung der politischen Landschaft‘ meine, betrifft genau ihn und andere“, so Xin.

Ein Omen

An der Parteihochschule in Peking wurde neulich ein bedeutsamer Schritt unternommen: Ein Stein mit einer Inschrift nach Jiangs Handschrift wurde abmontiert, der bislang den Eingang geziert hatte. „Wird das nicht Jiang verärgern?“, fragte ein ausländischer Journalist am 21. August bei einer offiziellen Pressekonferenz. Die Antwort war vielsagend: „Weil der Stein so groß ist und direkt vor dem Tor stand, war er ein Verkehrshindernis und Sicherheitsrisiko. Aus diesem Grund haben wir ihn entfernt.“ (Chinesen verstehen sofort: „Jiang ist ein politisches Hindernis und Sicherheitsrisiko“. Zumal der Direktor der Parteihochschule hinzufügte: Der Stein könnte „sogar zur Lebensgefahr für Menschen werden, die dort einfach nur Erinnerungsfotos machen wollen“. Merke: Zivilisten in Gefahr!)

„Dieser Stein war eigentlich ein Machtsymbol Jiangs. Dass er entfernt wurde, ist ein ganz wichtiges Zeichen für politische Veränderung“, so Xin.

Er geht davon aus, dass ‚das Problem Jiang‘ sehr wahrscheinlich durch einen juristischen Prozess gelöst wird. In den vergangenen Wochen reichten 160.000 Menschen Anzeigen gegen Jiang bei Chinas Oberstem Gerichtshof ein. Der Vorwurf: Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Massenmord. Es geht um die Verfolgung von Falun Gong, der beliebten buddhistischen Qigong-Methode, die 1999 durch Jiang zum Staatsfeind erklärt worden war.

Allein die Zahl von 160.000 Anzeigen bedeutet, dass es für eine Verurteilung Jiangs starke Unterstützung aus dem Volk gibt, so Xin. Wenn dazu noch Unterstützung aus der internationalen Gemeinschaft käme, könnte Jiang leicht verurteilt werden. Mit der Falun Gong-Verfolgung habe sich Jiang selbst das Grab geschaufelt, so Xin: „Falun Gong ist genau der Knackpunkt zur Lösung des ‚Problems Jiang‘.“

Siehe: „Warum Chinas Tabu-Thema Falun Gong die Welt betrifft“

Militär-Reform

Im Vorfeld der Parade kündigte Xi Jinping eine Militär-Reform an, welche die tiefgreifendste werden dürfte seit Gründung der Volksbefreiungsarmee. 2,3 Millionen Soldaten hat die Armee, 300.000 davon sollen gehen, auch Offiziere. Chinas sieben Heeres-Regionen sollen zu vier strategischen Regionen verschmolzen werden. Auch ein Joint Forces Command nach US-Vorbild soll im Zuge der Umstrukturierung kommen.

Der Reformprozess ermöglicht Xi, die verbliebenen Jiang-Getreuen im Heer auf elegante Weise loszuwerden, analysierten Hongkonger Medien. Nachdem die Ex-Militärführer Xu Caihou und Guo Boxiong entmachtet worden seien, könne Xi endlich seinen Reformplan durchziehen. Vierzig hohe und mittlere Generäle wurden bereits entmachtet.

Mehr Hintergründe:

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