Pelosis Taiwan-Besuch und das große Spiel hinter den Kulissen

Nancy Pelosis Taiwan-Besuch gilt als eine politische Niederlage für Peking. In Wirklichkeit sei es eine gut geplante Show zwischen Joe Biden und Xi gewesen. Eine Analyse.
Nancy Pelosi in Taiwan
Nancy Pelosi (l.) und Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen (r.) am 3. August 2022. Pelosi blieb nur 18 Stunden in Taiwan. Die Reisevorbereitung dauerte jedoch einige Monate.Foto: Handout/Getty Images
Von 19. September 2022

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Nancy Pelosi wurde während ihres Taiwan-Besuchs (2. bis 3. August) wie ein Rockstar gefeiert: Eine 80-jährige Frau widerstand dem Druck und der „Wut“ Pekings und gab Chinas Führer Xi Jinping symbolisch eine Ohrfeige.

Das sieht auf den ersten Blick wie eine politische Niederlage für die Kommunistische Partei Chinas (KPC) aus. Doch in Wirklichkeit sei das eine gut geplante Show zwischen US-Präsident Joe Biden und Xi gewesen. Das schreibt Guermantes Lailari, pensionierter Auslandsexperte der US-Luftwaffe, in einem Kommentar für die amerikanische Epoch Times.

Zurzeit lebt Lailari als Taiwan-Stipendiat in Taipeh. In einer ausführlichen Analyse der Begebenheiten vor und nach Pelosis Besuch erklärt er, wie die Regierungen der USA und Chinas ein gut inszeniertes Schauspiel in fünf Akten vor der ganzen Welt aufführten.

Akt 1: Den richtigen Zeitpunkt wählen

Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, wollte den Inselstaat Taiwan anfänglich am 10. April besuchen. Doch da sie zwei Tage vor ihrer Reise an COVID-19 erkrankte, musste sie ihren Besuch absagen. Allerdings flog sie bereits zwei Wochen später mit ihrem Sohn Paul Pelosi Jr. in die Ukraine und machte ein Selfie mit Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Die Absage sei kein Zufall gewesen, denkt Lailari. Dem Militärexperten zufolge war der geplante Taiwan-Besuch im April für alle Beteiligten „ungültig“. So hätten sich die KPC und die Volksbefreiungsarmee (VBA) zu damaligem Zeitpunkt noch nicht genug auf die Medienkampagne und militärischen Vorhaben vorbereitet. Außerdem befand sich Shanghai damals im Lockdown, was zu Verzögerungen im Schiffsverkehr führte – die Transportwege waren blockiert.

Auf amerikanischer Seite war das Militär ebenfalls nicht vorbereitet. Es waren keine US-Truppen vor Ort, um Pelosi Schutz gegen die VBA zu bieten. Der Flugzeugträger USS Ronald Reagan wurde in Japan gewartet und andere Schiffe der US-Marine waren nicht in der Nähe von Taiwan. Ferner hatte Taiwans Militär im April keine Übung abgehalten, um seiner Bevölkerung zu zeigen, dass es auf die VBA vorbereitet sei.

Pelosis Taiwan-Besuch musste also verschoben werden. Dadurch hätten Biden und Xi und hochrangige Diplomaten beider Seiten genug Zeit gehabt, um Pelosis Reise besser zu planen.

Akt 2: Die Reise koordinieren

Im Sommer war es dann so weit: Pelosi wollte im Rahmen einer Asienreise verschiedene Staaten besuchen, darunter auch Taiwan. Um den besten Zeitpunkt für die Reise zu finden, musste Pelosis Büro sich mit dem US-Verteidigungsministerium beraten.

„Wurde sie vom Verteidigungsministerium darüber informiert, dass die US-Marine Anfang August mit maximaler Feuerkraft in der Region präsent sein würde und dass vom 29. Juni bis zum 4. August die Großübung „Rim of the Pacific“ (RIMPAC) stattfinden würde, an der 26 andere Nationen mit ihren 38 Marineschiffen und 25.000 Soldaten teilnehmen würden?“, fragt sich Lailari.

Sobald das Datum des Besuchs feststand, organisierte das US-Verteidigungsministerium alles rund um Pelosis Flug und koordinierte die Reise mit allen Ländern, die sie besuchen sollte.

„Zufälligerweise“ hielt Taiwan vor Pelosis Besuch die jährliche Militärübung Han Kuang ab. Als die Demokratin in Taiwan ankam, befand sich die taiwanische Armee also in höchster Einsatzbereitschaft.

Akt 3: Die Stärke der VBA zeigen

Nach Pelosis Besuch war die Volksbefreiungsarmee an der Reihe, ihre Stärke zu zeigen. Vom 4. bis 10. August führte die VBA rund um Taiwan die größte Übung in ihrer Geschichte durch. Keine andere Nation mischte sich ein – alle beobachteten das Geschehen.

Laut Lailari hätten Schiffe der US-Marine während der Übung die Straße von Taiwan durchqueren können. Das taten sie nicht. Dazu hätte die US-Flugwaffe als Zeichen der Stärke in der Nähe Taiwans Patrouillenflüge durchführen können. Das tat sie nicht.

Auch Taiwans Militär reagierte eher passiv – selbst als mindestens vier Mittelstreckenraketen die Insel Taiwan überflogen. Zudem drangen chinesische Schiffe, die am Manöver teilnahmen, in die ausschließliche Wirtschaftszone und die Hoheitsgewässer Taiwans ein. Sie verletzten außerdem die ausschließliche Wirtschaftszone Japans und der Philippinen.

Ferner überquerten chinesische Schiffe und Flugzeuge mehrfach die Mittellinie der Straße von Taiwan, die als die inoffizielle Grenze zwischen der kommunistischen Volksrepublik China und der Republik China auf Taiwan gilt.

Akt 4: Eine neue Norm etablieren

Dass die VBA bei ihren Manövern die Mittellinie der Taiwanstraße überquert, sei nicht neu, meint der Militärexperte. Neu sei jedoch, wie häufig das bei der Militärübung vom 4. bis 10. August geschah.

Neu ist auch, dass Schiffe der chinesischen Marine nun die Mittellinie viel häufiger überqueren und viel häufiger vor Taiwan patrouillieren, als das vor der Übung der Fall war.

Die Botschaft sei klar: „Auf Xis Befehl will die VBA Schiffe und Flugzeuge daran hindern, ohne Erlaubnis nach oder von Taiwan zu reisen. Das neue Vorgehen zeigt deutlich, dass die VBA dazu in der Lage ist und ihr Augenmerk auf eine Blockade des Inselstaates richtet.“

Lailari fragt sich, ob die USA, Japan, die Philippinen und Taiwan diese neue Norm der VBA akzeptieren werden. Sollten sie es tun, sollte man nach dem Grund fragen.

Letzter Akt: Welt soll nach den Regeln der KPC spielen

Pelosis Besuch habe nur einen Zweck gehabt, so Lailari. Er sollte die Voraussetzungen für eine langsame Eskalation der Ereignisse schaffen, was faktisch zu einer Blockade Taiwans führen würde.

Als eine andere US-Delegation nach Pelosis Besuch nach Taiwan reiste, habe China der neuen Norm mehr Nachdruck verliehen: Sein Militär veranstaltete ein weiteres Manöver, in dem es die Blockade Taiwans übte.

Nach Lailaris Ansicht werde Xi nach den Wahlen in den USA und Taiwan und dem 20. Nationalkongress der KPC im Herbst 2022 über den Zeitplan und das Tempo der „Strangulationsstrategie“ entscheiden.

Mao und seine kommunistischen Streitkräfte nutzten 1949 die Strangulationsstrategie, um Peking einzunehmen. Sie hatten sich auf einen langen Kampf vorbereitet, konnten die Stadt aber schließlich nach 29 Stunden einnehmen. Das folgt der Maxime des antiken chinesischen Militärstrategen Sunzi: „Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen.“

Sollte Xi Taiwan ohne einen Kampf einnehmen und diese „größte Leistung“ demonstrieren können, werde er in das Pantheon der chinesischen Kommunisten aufgenommen, meint Lailari. „Hoffen und planen wir, dass er keinen Erfolg hat“, schloss der Militärexperte ab.



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