Chinas kurzlebiger Außenminister: Peking im Sog von Machtkämpfen und Spaltungen
Wochenlang war er verschwunden, wochenlang hatte die Gerüchteküche um Chinas Außenminister Qin Gang gebrodelt – von Corona, über eine Affäre mit einer TV-Moderatorin bis hin zu politischen Problemen wegen revoltierender Generäle. Nun ist klar, dass Qin seines Postens als Außenminister des kommunistischen Regimes in Peking enthoben wurde.
Erst sechs Monate war Qin Gang im Amt. Nun scheint seine steile Karriere abrupt beendet. Immer wieder hatte es Reibereien und Machtkämpfe mit seinem Amtsvorgänger Wang Yi gegeben. Dieser hatte Qin bereits mehrfach vertreten und soll ihn jetzt als Außenminister ersetzen. Ob Chinas Oberdiplomat Wang Yi seinen – in der Hierarchie der Parteibosse hochwertigeren – Posten als Direktor des Büros für auswärtige Angelegenheiten der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) behält, bleibt abzuwarten, gilt aber als wahrscheinlich. Informationen über eine Umbesetzung gibt es bisher nicht.
Doch das ist nur der sichtbare Teil der ominösen Angelegenheit um den nun Ex-Außenminister Qin. Nach der offiziell erklärten Entlassung von Qin Gang und Einsetzung von Wang Yi am 25. Juli durch Präsidialerlass Nr. 8 sprach die chinesischsprachige Epoch Times mit einigen China-Experten, um einige Blicke hinter die Kulissen werfen zu können. Gibt es einen ernsthaften Machtkampf in China? Seltsame Dinge gehen im Kern des kommunistischen Regimes gerade vor sich.
Plötzliches und langsames Verschwinden
Offizielle Gründe für die Absetzung von Qin Gang wurden nicht bekannt gegeben. Der in Australien lebende chinesische Dissident, Schriftsteller und Jurist, Yuan Hongbing, meinte gegenüber der Epoch Times am Tag der Bekanntgabe der Absetzung von Außenminister Qin, dass es Wang Yi gewesen sei, der ihn habe loswerden wollen.
Der China-Experte, der mit der politischen Situation der KPC vertraut ist, sagte, dass Qin Gang damit begonnen habe, Leute zu ersetzen, wie etwa den Sprecher des Außenministeriums und Vizedirektor der Informationsabteilung des Außenministeriums, Zhao Lijian (50), den Wang Yi sehr geschätzt habe. Zhao wurde auf einen anderen Posten versetzt. Er wurde zum stellvertretenden Direktor der Abteilung für Grenz- und Ozeanangelegenheiten abkommandiert. Dem Experten nach könnte Qin versucht haben, seinen eigenen sozialen Status weiter aufzuwerten. Dabei habe er aber gegen ein Tabu der KPC verstoßen: abteilungsübergreifende Aktivitäten – indem er für den Sohn des Rocket Force-Kommandeurs Fürsprache einlegte.
Chen Yonglin, ein ehemaliger Diplomat Chinas in Australien, sprach am 25. Juli über den Fall mit der Epoch Times. Er vermutet, dass Folgendes geschehen war: Nachdem über die Probleme von Qin Gang berichtet worden sei, habe eine Gruppe von Menschen, die auf Qin Gang neidisch waren, seine Skandale zusammengefasst, Xi Jinping die Situation erklärt und die Gelegenheit genutzt, um Ärger zu machen.
Doch wie geht es weiter mit Qin Gang? Laut Chen werde Qin wohl auch noch von seiner verbleibenden Position als Staatsrat „nach einiger Zeit stillschweigend abgesetzt“ werden. „Xi Jinping möchte nicht, dass sein eigenes Gesicht beschädigt wird, aber tatsächlich wurde nicht nur das Image von Qin Gang beschädigt, sondern auch das Image von Xi Jinping“, erklärte der Ex-Diplomat. Die Absetzung des Außenministers bedeute, „dass Xi lediglich versucht, den Machtkampf innerhalb des Außenministeriums zu lösen“.
Experte: interner Machtkampf und Spaltung
Nach Angaben von Yuan Hongbing handelt es sich bei der Angelegenheit um einen internen Machtkampf zwischen Wang Yi und Qin Gang, bei dem sich auch Vizeaußenminister Ma Zhaoxu auf die Seite von Wang Yi gestellt habe. Doch das ist nur ein Teil eines noch größeren Machtkampfes innerhalb der Partei. Qin Gang selbst spiele bei der Sache gar keine große Rolle. Sein Sturz habe keine großen Auswirkungen, so der Experte. Allerdings zeige sich dabei die verzweifelte Situation des von Xi Jinping geleiteten außenpolitischen Systems der Wolfskrieger-Diplomatie.
Nach Ansicht des Politexperten deutet die Angelegenheit auf eine große Schwäche von Xi hin. „Der Qin-Gang-Vorfall zeigt, dass Xi Jinping innerhalb der gesamten KPC damit überhaupt nicht klarkommt. Obwohl er seine Gegner im Machtkampf losgeworden ist, hat der Machtkampf zwischen verschiedenen Fraktionen und Interessengruppen im KPC-System seinen Höhepunkt erreicht – ein äußerst ernstes Niveau. Einige Leute im KPC-System sagen, dass sich das gesamte bürokratische System der KPC jetzt in einem Zustand der Spaltung befindet“, so Yuan.
Der Tod des Chefleibwächters
Irgendetwas geht gerade im Machtzentrum der Kommunistischen Partei Chinas vor sich.
Am 26. April war Generalleutnant Wang Shaojun, Leiter des Zentralen Sicherheitsbüros (CSB), „an einer Krankheit gestorben“. Drei Monate lang hielt die Parteiführung den Tod des ranghohen Militärs geheim. Erst am 24. Juli gab die Staatsnachrichtenagentur „Xinhua“ den Tod des 67-Jährigen in Peking bekannt. Ein Grund für die Verzögerung der Meldung wurde nicht genannt. Wurde sein Tod über Monate hinweg untersucht?
Die „South China Morning Post“ aus Hongkong beschreibt das CSB als „eine mysteriöse Einrichtung, die für die Sicherheit der Spitzenpolitiker und des Regierungssitzes Zhongnanhai im Zentrum von Peking zuständig ist“. In der Vergangenheit hatte Wang als Chinas Chefleibwächter Xi Jinping und ranghohen Parteibosse gedient. Das mächtige CSB untersteht dem Generalbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, das von Xis Stabschef Cai Qi geleitetet wird, der Nummer fünf im Ständigen Ausschuss des Politbüros.
Yao Cheng, ehemaliger Fregattenkapitän (Oberstleutnant) des Marinekommandos der Volksbefreiungsarmee, meinte gegenüber der Epoch Times am 25. Juli, dass die „derzeitige Atmosphäre in der Kommunistischen Partei Chinas von gegenseitigen Tötungen geprägt ist und die Verschleierungspraktiken der Behörden eher Verdacht wecken“.
Am 25. Juli äußerte sich der ehemalige Dozent der Rechtsabteilung der Universität der Chinesischen Volkspolizei, Zhao Yuanming, gegenüber der Epoch Times und erklärte, dass die wahren Hintergründe von Wang Shaojuns Tod noch nicht ans Licht gekommen seien. „Dies liegt daran, dass die Position, die er einst innehatte, zu sensibel war und direkt die persönliche Sicherheit von Xi Jinping betrifft.“ Es gebe möglicherweise Verstrickungen mit hochrangigen Sicherheitskräften.
Mysteriöse Vorgänge in Chinas Militär
Yuan Hongbing hatte auch noch gemeint, dass Qin Gangs größtes Problem wohl sein enger Kontakt zum Militär sei. Näher ging er jedoch nicht darauf ein. Dichter Nebel schürt Gerüchte. Yao Cheng berichtete am 28. Juni auf Twitter, dass am Morgen des 27. Juni General Li Yuchao, Chef der Raketentruppen (People’s Liberation Army Rocket Force, PLARF), aus seinem Büro abgeführt worden sei. Am selben Tag verschwand auch zufällig Qin Gang von der offiziellen Bildfläche. Gibt es eine Verbindung?
Bekannt ist, dass in der Zeit von Qin Gang als chinesischer Botschafter in Washington (Juli 2021 bis Januar 2023) dieser Probleme mit dem in den USA studierenden Sohn des Raketentruppenkommandanten hatte. Vater und Sohn wurden verdächtigt, mit dem Verkauf von militärischen Geheimdienstinformationen der KPC in Verbindung zu stehen.
Wie Lan Shu, ein in den USA lebender politischer Kommentator, der Epoch Times am 25. Juli sagte, könnte auch die dreimonatige Verzögerung der Bekanntgabe des Todes von Chefleibwächter General Wang Shaojun mit den jüngsten Gerüchten über eine Gruppe hochrangiger Militärs zu tun haben. Es sei unklar, ob Wangs Tod mit Problemen einer Reihe von hochrangigen Militärs zu tun haben könnte. „Beide Ereignisse fallen zufällig zusammen. Es ist möglich, dass nach der Untersuchung festgestellt wurde, dass es keine persönlichen Probleme bei Wang Shaojun gab, und die KPC dann die Nachricht von seinem Tod veröffentlichte.“
Doch was geht gerade in Chinas Militär vor sich? Nach Angaben von Lan Shu habe es in letzter Zeit viele Gerüchte gegeben – über verhaftete Generäle. Er nannte Namen: General Zhang Zhenzhong, ehemaliger Vizekommandeur der Raketenarmee, General Liu Guangbin, derzeitiger Vizekommandeur der Raketenarmee, und natürlich General Li Yuchao, der Kommandeur der Raketenarmee. Lan Shu meinte auch, dass man berichte, dass der ehemalige Chef der Raketenarmee (2012 bis 2017) und ehemalige Verteidigungsminister (2018 bis 2021), General Wei Fenghe, ebenfalls in den Fall verwickelt sein könnte. Auch General Ju Qiansheng, Kommandeur der Strategischen Unterstützungstruppen (People’s Liberation Army Strategic Support Force, PLASSF), wurde von Lan Shu genannt.
Einem Bericht der „Times of India“ zufolge gehöre auch General Shang Hong, stellvertretender Kommandeur der Strategischen Unterstützungstruppe und Kommandeur der Weltraumtruppe, zu den von Ermittlungen betroffenen Militärs.
Noch ein merkwürdiger Fall, den die „Times of India“ dieser Tage berichtete: Der zurückgetretene Vizekommandeur der Raketenarmee, Generalleutnant Wu Guohua, war drei Jahre im Ruhestand, bevor er am 6. Juni dieses Jahres plötzlich verstarb. Der Zeitung nach starb Wu an Selbstmord. Die offizielle Version sei jedoch ein „Schlaganfall“ gewesen. Seltsamerweise habe Xi Jinping am selben Tag eine Inspektion des Eastern Theatre Command durchgeführt, der östlichen der fünf Militärregionen Chinas – und direkt gegenüber Taiwan gelegen.
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