Dem kommunistischen Staat entgeht nichts
Nachdem er einen Strafzettel kassiert hatte, machte Chen seinem Ärger darüber im Internet Luft. Wie einfältig doch die Verkehrspolizisten seien, lästerte der Mann aus der chinesischen Provinz Henan auf seiner Seite bei WeChat. Wenige Stunden später stand die Polizei vor seiner Tür, nahm Chen wegen Beamtenbeleidigung fest und ließ ihn erst fünf Tage später wieder frei.
Die Lokalzeitung der Kommunistischen Partei berichtete über diesen Vorfall im Juni. Eines von vielen Beispielen für die immer umfassendere Überwachung im Staat China – online und auf der Straße.
Verschärfung unter Xi Jinping
Soziale Kontrolle ist schon lange ein wichtiger Pfeiler des Systems. Doch seit dem Amtsantritt von Xi Jinping 2012 hat sie ein nie gekanntes Ausmaß erreicht. In den Jahren vor dem Machtwechsel an der Staatsspitze herrschte sogar eine gewisse Entspannung. Die Zivilgesellschaft testete die Grenzen aus, in Internetforen wurde über die Zensur gespottet.
Unter Xi sorgte der Staatsapparat dann mit Gesetzen, neuer Technologie und Ideologie dafür, dass kein Verstoß unentdeckt bleibt. Egal ob es sich um Kriminelle, Oppositionelle oder einfache Bürger handelt.
Die Überwachung beginnt auf der Straße. In chinesischen Städten gibt es laut dem Forschungsinstitut Comparitech durchschnittlich 370 Kameras pro 1.000 Einwohner. Damit liegt die Volksrepublik weit vor Singapur (18 Kameras pro 1.000 Einwohner) oder London (13 Kameras pro 1.000 Einwohner).
„Skynet“ heißt das riesige Kameranetzwerk vom Staat, das Gesichter, Kleidung und sogar das Alter von Passanten erkennen kann. In Hotels müssen die Rezeptionisten das Gesicht jedes Gastes scannen, um die Identität zu überprüfen. Auch beim Online-Shopping und beim Mieten von Fahrrädern oder Autos muss ein Ausweis vorgelegt werden.
„Werden ständig überwacht“
Der Dokumentarfilmer und Aktivist Lu Yuyu erzählte der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, wie die Polizei ihm und seiner Freundin Li Tingyu 2016 aufgrund einer Online-Bestellung auf die Spur kam und sie festnahm.
„Wir werden ständig überwacht“, sagt ein Umweltaktivist, der anonym bleiben möchte. Während der Pandemie wurde die staatliche Kontrolle noch weiter verschärft: Eine Corona-App bestimmt seitdem, wer wohin gehen darf.
Zwar führten auch andere Länder auf der Welt Überwachungssysteme ein, aber „der eigentliche Unterschied in China ist das Fehlen unabhängiger Medien und einer Zivilgesellschaft, die in der Lage wären, diese Neuerungen ernsthaft zu kritisieren“, sagt Jeremy Daum vom Paul Tsai China Center an der Yale Law School in den USA.
Digitale Große Mauer
Die sogenannte digitale Große Mauer zensiert das Internet in China, indem sie viele ausländische Websites blockiert. Wang, ein Oppositioneller, der unter diesem Pseudonym auftritt, dokumentierte auf Twitter seit 2013 tausende Fälle von Chinesen, die wegen Äußerungen im Internet festgenommen oder bestraft wurden. Darunter sind auch Menschen, die über eine mysteriöse Krankheit in der Stadt Wuhan berichteten, die sich später als COVID-19 herausstellte.
Das harsche Vorgehen ist nur möglich, weil die Betreiber der Online-Netzwerke mit der Polizei kooperieren. Weibo, das chinesische Twitter, beschäftigt tausende Inhaltsmoderatoren und blockiert automatisch jedes politisch sensible Wort, wie beispielsweise den Namen Peng Shuai. Die berühmte Tennisspielerin hatte im Winter einen Politiker des sexuellen Missbrauchs beschuldigt.
Xi habe die Gesellschaft und den Staat so umgestaltet, dass „die Partei vorschreibt, was das Volk wissen, fühlen, denken, sagen und tun soll“, urteilt Vivienne Shue, emeritierte Professorin für zeitgenössische Chinastudien in Oxford. Noch mehr als die Zensur an sich beunruhigt den Dissidenten Wang, „wie sie die Ideologie der Menschen prägt, vor allem die Generation Z, die mit dieser strengen Zensur aufgewachsen ist.“ (afp/mf)
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