Mit bloßen Händen geknetet und 1.000 Euro pro Stück
In einem fast 450 Jahre alten japanischen Laden kneten Handwerker mit bloßen Händen einen Teig aus feinem Ruß und tierischem Leim. Aus diesem wird später die hochwertige Tusche in Form von 200 Gramm schweren Stangen, die für 1.000 Euro das Stück verkauft werden.
Besonders beliebt sind diese „Tintenbarren“ bei Liebhabern der (japanischen) Kalligrafie. Um aus dem festen Block eine flüssige Tinte zu bekommen, muss die Stangentusche zusammen mit Wasser auf einem Reibstein angerieben werden – solange bis die richtige Konsistenz erreicht ist.
Jahrhundertelange Tradition
Die Traditionswerkstatt „Kobaien“ in Nara, Japan, existiert seit 1577 und stellt bis heute Sumi-Tusche nach einem speziellen traditionellen Verfahren her. Chinesische Tuschhandwerker beeinflussten diese Methode, welche nunmehr seit über 400 Jahren unverändert angewandt wird.
Die Macher der Tusche sind davon überzeugt, dass der Schlüssel zu ihrem Bestehen die „Wertschätzung der traditionellen Methode und das Festhalten an der uralten Produktionsweise“ ist. Dies garantiert ihnen auch, noch viele weitere Jahre Tusche von höchster Qualität herstellen zu können.
Egal, ob einfache Kalligrafen oder japanische Kaiser und Aristokraten: Sie alle verwendeten oder nutzen noch immer die Stangentusche für ihre Schriften, für die Tuschemalerei, für die Lackierungen und/oder die „Sumizome“, eine bekannte Stofffärbemethode. Doch wieso ist diese Tusche so teuer und wie wird sie hergestellt?
Liebevolle Handarbeit
Um die Stangentuschen herzustellen, müssen die Handwerker zunächst das Rohmaterial gewinnen. Dazu verbrennen sie Pflanzenöl – hauptsächlich Raps- oder Sesamöl – in einem abgedeckten, nicht porösen Steingutgefäß. Zusammen mit einem handgeflochtenen Docht aus Binsenstängeln „sammeln“ sie den Ruß in einem Verfahren, das „saien“ genannt wird (zu Deutsch: „Rauch sammeln“).
Unter der Zugabe von feinem Tierleim und ätherischen Ölen entsteht „sumidama“, ein weicher Tuscheteig, der von erfahrenen Handwerkern sorgfältig geknetet, zu Stiften geformt und getrocknet wird.
„Der Prozess des Reibens eines Tuschestäbchens auf einem Tuschestein ist eine meditative Erfahrung, die man mit chemisch synthetisierter Tinte nicht machen kann“, erklärte ein Arbeiter von Kobaien gegenüber The Epoch Times. Besonders der „sorgfältige und zeitaufwendige Herstellungsprozess“ und die Qualität der Materialien bestimme den Preis der Stangentuschen.
Reifezeit von vier Jahren
Die Werkstatt selbst besitzt vier Rauchsammelkammern mit jeweils 100 Steingutgefäßen. Der brennende Docht im Inneren jedes Gefäßes ist nicht mittig platziert, damit sich der Rauch ansammeln kann. Über einen Zeitraum von zwei Stunden sammeln die Handwerker fünfmal am Tag den Ruß, indem sie die Deckel alle 20 Minuten drehen und den Ruß aus dem Inneren abkratzen. Danach wird der Ruß in einem Lagerhaus deponiert und bis zum Beginn des Mischens „schlafen“ gelassen.
„Die Herstellung von Sumi erfordert ein Höchstmaß an Sorgfalt und Liebe“, so der Arbeiter von Kobaien. „Allein der Trocknungsprozess dauert mehr als sechs Monate, gefolgt von einer Reife- und Trocknungszeit von mehr als vier Jahren. Je länger die Trocknungszeit ist, desto besser ist die Qualität der Tusche und desto höher ist der Preis. Einige von ihnen sind mehrere hundert Jahre alt.“ Die älteste erhaltene Kobaien-Stangentusche ist etwa 350 Jahre alt.
Ebenfalls entscheidend für den Preis ist das verwendete Öl. Stangentuschen, die aus teureren Ölen wie Kamelie oder Sesam gewonnen werden, können mehr als viermal so viel kosten wie jene aus Rapsöl. Während maschinell hergestellte Tintenbarren inzwischen den Markt überschwemmen, hat Kobaien seine Nische bei anspruchsvollen Kunden gefunden.
Diese Qualität erreicht keine Maschine
So fertigen die Handwerker in Kobaien ihre Produkte nicht am Stück und alle unter gleichen Voraussetzungen, wie es bei der Herstellung von modernen Industrieprodukten der Fall ist. „Die Menge an Leim, Ruß und Wasser, die gemischt werden muss, ändert sich jeden Morgen in Abhängigkeit von der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit“, so der Mitarbeiter.
Sobald der Teig gemischt und zu Stangen geformt ist, beginnt der heikle Trocknungsprozess. Deshalb bedecken die Handwerker die geformten Stangen bis zu 40 Tage lang täglich mit feuchter Asche der Japanischen Kastanien-Eiche. Diese wird dann nach und nach durch trockene Asche ersetzt, damit die Barren langsam austrocknen.
Anschließend werden die Stäbe mit Stroh zusammengebunden und etwa sechs Monate lang bei mäßiger Luftfeuchtigkeit im Haus aufgehängt, damit auch die letzte Restfeuchte entweicht. Es dauert mindestens vier Jahre, bis die Stangentuschen vollständig ausgetrocknet und „gereift“ sind.
„Chemisch synthetisierte Tinte kann zwar in kurzer Zeit in Massenproduktion hergestellt werden und hat eine einheitliche Farbe, aber es fehlt ihr an Tiefe und Fülle“, so der Kobaien-Arbeiter. „Die aus feineren Rußpartikeln hergestellte Tinte hat eine einzigartige, tiefschwarze Farbe, die künstliche Tinte nie erreicht. Außerdem dringt unsere Tusche anders in das Papier ein, was ihr eine dreidimensionale Wirkung verleiht.“
„Sumi-Tusche hat sieben Farben“
„Ein Tuschemaler erzählte mir einmal, dass er beim Malen eines Bildes mit der Sumi-Tusche von Kobaien die Luft zwischen den Bergen in der Ferne und dem Ort, an dem er sich gerade befand, ausdrücken konnte. Ich glaube, das ist es, worum es bei unserer Tusche und ihrer Herstellung geht“, erzählt der Mitarbeiter. Bereits seit Jahrhunderten schätzen die Menschen die Tusche von Kobaien für ihre Besonderheit. So lautet sogar ein altes Sprichwort: „Sumi-Tusche hat sieben Farben.“
Die ersten Aufzeichnungen über die Ankunft von Tuschestäbchen in Japan finden sich im Nihonshoki – der Chronik Japans. So schickte der König von Goguryeo in Korea im Jahr 610 nach Christus angeblich zwei Mönche mit Sumi-Tintenstäbchen nach Japan.
Aber schon vor dem Nihonshoki hatte das japanische Volk einen „regen Austausch“ mit den alten Dynastien auf dem chinesischen Festland und auf der koreanischen Halbinsel. „Wir glauben, dass viele Intellektuelle und Handwerker mit Kenntnissen in der Herstellung von Tuschestäbchen bereits zu dieser Zeit nach Japan gekommen waren, auch wenn das nicht aufgezeichnet ist“, vermutet der Kobaien-Mitarbeiter.
„Unser höchstes Ziel ist es, die in der Edo-Periode [vom 17. bis 19. Jahrhundert] entstandenen Stangentuschen herzustellen. Diese gelten nämlich als perfekte Tusche“, erklärt der Mitarbeiter abschließend.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Traditional Ink That Costs Over $1,000 a Stick and Is Kneaded With Bare Hands Inside a 450-Year-Old Shop: Photos“. (redaktionelle Bearbeitung kms)
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