Nancy Faeser hat bei der Landtagswahl in Hessen viel zu verlieren
Für Nancy Faeser geht es bei der hessischen Landtagswahl am Sonntag kommender Woche um viel, vielleicht um ihre politische Zukunft. Die 53-jährige Bundesinnenministerin warf ihren Hut als Spitzenkandidatin der SPD in den Ring und versucht sich an der schwierigen Aufgabe, die regierende CDU in ihrem Heimatbundesland nach beinahe einem Vierteljahrhundert wieder in die Opposition zu drängen.
Den Umfragen zufolge könnte die Mission jedoch scheitern – und Faeser in eine brisante Lage geraten. Dass sie auch im Fall einer Niederlage gegen CDU-Ministerpräsident Boris Rhein als Juniorpartnerin in einer Koalition oder gar als Oppositionspolitikerin zurück nach Wiesbaden gehen wird, gilt als weitgehend ausgeschlossen.
Faeser unter Druck: SPD-Zustimmungswerte sinken massiv
Ob sie sich als politisch angeschlagene Innenministerin dann in Berlin halten kann, ist indes nicht garantiert. Faeser steht somit massiv unter Druck, zumal es im Wahlkampf bislang eher bescheiden läuft. Ihre persönliche Zustimmungswerte sind im Keller, die der SPD ebenso. Die Partei liegt in Umfragen bei 18 bis 20 Prozent, die CDU bei etwa 30 Prozent.
Die SPD-Spitzenkandidatin gibt sich zwar unverdrossen. „Ich habe sehr viel Zuversicht, dass wir die Landtagswahl gewinnen“, betonte sie noch vor kurzem in einem Interview. „Die Erfahrung zeigt, dass sich da noch viel bewegen kann.“ Aber intern dürfte die Stimmung längst gedämpfter sein.
Denn Wechselstimmung ist in Hessen weit und breit nicht in Sicht. Und aus der Bundespolitik kommt eisiger Gegenwind. In der von der SPD geführten Ampelkoalition knirscht es gewaltig, viele Menschen wenden sich ab. Faeser kann sich davon als Vertreterin der Ampel nicht distanzieren.
Ausgerechnet auf der Zielgeraden des Wahlkampfs verschärft sich außerdem die Debatte um steigende Migrationszahlen, in der die Innenministerin im Fokus steht. Dazu kommen weitere Probleme: So steht Faeser wegen der Versetzung des ehemaligen Chefs des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, Arne Schönbohm, wegen angeblicher Russlandnähe in der Kritik. Die Union sprich in diesem Zusammenhang von „Mobbing“. Faeser weist das scharf zurück.
Von Schwalbach nach Berlin
Faeser ist gebürtige Hessin, wuchs in Schwalbach am Taunus auf. Schon mit 18 Jahren trat sie 1988 in die SPD ein, später studierte sie in Frankfurt am Main Jura. Sie ging in die Kommunalpolitik und übernahm Parteiämter, zudem arbeitete sie als Rechtsanwältin in Wirtschaftskanzleien in Frankfurt.
Im Jahr 2003 zog sie als Abgeordnete in den Landtag ein und blieb dort 18 Jahre lang. Wiederholte Wahlniederlagen der SPD verhinderten jedoch Karrieresprünge. Nach der Wahlschlappe ihrer Partei bei der Landtagswahl 2018 wurde sie Partei- und Fraktionschefin.
Faeser, die mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Schwalbach lebt, war damit in Wiesbaden Oppositionsführerin, außerhalb Hessens aber kaum bekannt. Das änderte sich erst, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sie nach der Bundestagswahl 2021 zur Bundesinnenministerin machte. Für viele war das eine Überraschung.
Faeser ist die erste Frau an der Spitze des Schlüsselministeriums, das auch für den Sport zuständig ist. Im Februar verkündete sie ihre Landtagswahlkandidatur, auf dem Nominierungsparteitag der SPD sagte sie: „Mein Herz ist in Hessen.“ Im Fall einer Wahlschlappe will sie jedoch nicht dorthin zurück, sondern Bundesministerin bleiben.
Wenige Monate später bleiben Faeser angesichts der Umfragen nun nicht mehr viele Optionen. Ihre Hoffnungen setzt sie ausgerechnet auf eine hessische Ampelkoalition – also ein Bündnis aus SPD, Grünen und FDP nach dem derzeit viel kritisierten Berliner Vorbild. (afp/dl)
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