Schönbohm-Affäre: Haldenwang gibt Faeser Rückendeckung – Anfrage „wäre nicht befolgt worden“
Zwei Versuche der Opposition waren bisher gescheitert, Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Innenausschuss des Bundestages zur Causa Schönbohm zu befragen. Am Mittwoch, 20. September 2023, hat die Ministerin sich bereiterklärt, zu der umstrittenen Personalentscheidung Rede und Antwort zu stehen. Sie wiederholte dabei im Wesentlichen ihre bereits bekannten Einlassungen in der Sache. Allerdings erhielt sie diesmal Rückendeckung vom Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang.
Schönbohm geht juristisch gegen Faeser und Böhmermann vor
Im Oktober hatte Faeser dem damaligen Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, die Führung der Amtsgeschäfte untersagt. Später hat man den Beamten an die Spitze der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV) versetzt.
Der Entscheidung war ein Bericht des „ZDF Magazin Royale“ über angebliche Kontakte zum russischen Geheimdienst vorangegangen. Schon zum Zeitpunkt der Aufgabenentbindung gab es Kritik an Faeser, diese habe vorschnell und ohne angemessene Prüfung gehandelt. Dies wäre ein Verstoß gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gewesen.
Die Vorwürfe erwiesen sich nach einer sechsmonatigen Untersuchung als nicht haltbar. In dieser Situation soll Faeser den Verfassungsschutz dazu gedrängt haben, nachträglich belastendes Material gegen Schönbohm zusammenzutragen. Schönbohm hat mittlerweile seinen Anwalt eingeschaltet. Er will nun sowohl von ZDF als auch von seinem Dienstgeber Schadensersatz einfordern.
Über mehrere Ecken konstruierte Vorwürfe gegen damaligen BSI-Chef
Die Russland-Vorwürfe gegen den damaligen BSI-Leiter waren von Beginn an auf dünnem Eis. Im Wesentlichen konstruierte das ZDF-Magazin sie über eine Kontaktschuld. Ausgangspunkt war, dass Schönbohm bis 2016 Vorsitzender des Cyber-Sicherheitsrats Deutschland e. V. war.
Ebenfalls in diesem Verein war das Berliner Cybersecurity-Unternehmen Protelion Mitglied. Dieses trug zuvor den Namen Infotecs GmbH und war ein Tochterunternehmen des Cybersicherheitsunternehmens O.A.O. Infotecs. Dieses wiederum soll ein ehemaliger Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes FSB gegründet haben. Der Verein schloss nach Bekanntwerden der Darstellungen das Unternehmen aus.
Ministerin beharrt auf bereits zuvor eingetretenem „Vertrauensverlust“
Faeser hatte bis dato alle Vorwürfe eines Fehlverhaltens zurückgewiesen. Auch am Mittwoch vor dem Innenausschuss blieb sie bei ihrer Darstellung, die ungerechtfertigten Anschuldigungen von ZDF-Moderator Jan Böhmermann seien der Auslöser ihres Vorgehens gegen Schönbohm gewesen.
Vielmehr sei es bereits lange Zeit vor den Russland-Vorwürfen zu einem „Vertrauensverlust“ gekommen. Bereits unter verschiedenen Innenministern der Union habe es „immer wieder Beanstandungen der Fachaufsicht hinsichtlich der Amtsausübung durch Herrn Schönbohm“ gegeben.
Auch sprach Faeser von „gravierenden fachlichen Differenzen hinsichtlich von Fragen der Bewertung von Gefahren durch Cyberangriffe“ im Kontext des Ukraine-Krieges. Diese Umstände hätten dazu geführt, dass es das erforderliche „hundertprozentige Vertrauen“ in den Amtsträger nicht mehr gegeben habe.
Schönbohm zu unbequem? Personalrat bescheinigte ihm „integre Persönlichkeit“
Wie die „Welt“ schrieb, habe Schönbohm sich „nicht als verlängerten Arm des Innenministeriums“ oder Vollstrecker politischer Weisungen gesehen. Stattdessen habe er allein die Positionen der Experten seiner eigenen Behörde Relevanz zugemessen. Entsprechend habe er diese auch gegenüber dem Bundesinnenministerium und anderen Behörden vertreten.
Damit habe er sich jedoch im Sicherheitsapparat und im Ministerium selbst keine Freunde gemacht – sondern zum Teil sogar mächtige Feinde. Schönbohm habe zudem fachliche Einschätzungen zu Schwächen der deutschen Cyberabwehr öffentlich kommuniziert. Aus Sicht des Ministeriums ein nicht akzeptabler Stil.
Der Personalrat hingegen hatte Schönbohm in einem internen Schreiben an Faeser als „integre Persönlichkeit“ bezeichnet. Die Umstände der Reaktion des Ministeriums in der Öffentlichkeit sei „unbefriedigend“.
Haldenwang: Zweite Anfrage von Faeser zu Schönbohm wäre „nicht befolgt worden“
Entlastung für Faeser kam hingegen bezüglich des Vorwurfs, sie habe nachträglich den Verfassungsschutz auf Schönbohm angesetzt, um noch belastendes Material gegen ihn zu finden. Die Union verweist in diesem Zusammenhang auf den internen Vermerk eines hochrangigen Mitarbeiters von Faesers Ministerium.
Darin heißt es, die Ministerin sei unzufrieden mit dem Ergebnis der disziplinarrechtlichen Vorermittlungen über Schönbohm und dem dazu zusammengetragenen Material. Sie habe deshalb angeregt, noch einmal gründlicher zu suchen.
Haldenwang erklärte jedoch, „zu keiner Zeit“ sei versucht worden, mit nachrichtendienstlichen Mitteln Erkenntnisse über Schönbohm einzuholen. Nach seiner Anhörung im Ausschuss erklärte der Verfassungsschutzpräsident:
Eine solche Anfrage wäre rechtswidrig gewesen, und sie wäre nicht befolgt worden.“
Er habe jedoch „auch nicht den Eindruck, dass das in irgendeiner Weise zur Debatte stand“.
Union: Absetzung Schönbohms war „voreilig“
Es habe nur eine einzige Anfrage des Bundesinnenministeriums gegeben, ob zu Schönbohm Erkenntnisse vorlägen, sagte Haldenwang. Solche gab es nicht, entsprechend sei es zu keinen weiteren Anfragen gekommen. Dies sei „weder ausdrücklich noch augenzwinkernd noch auf untersten Ebenen“ der Fall gewesen.
Faeser räumt selbst ein, eine Anfrage an den Inlandsgeheimdienst gerichtet zu haben. Nach den damaligen Medienberichten über Kontakte aus Schönbohms Umfeld nach Russland wäre „alles andere wäre angesichts der Vorwurfslage fahrlässig“ gewesen. Insgesamt sei es damals ihr Hauptziel gewesen, „Schaden vom BSI abzuwenden“.
Die Absetzung Schönbohms sei „voreilig“ gewesen, kritisierte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, im Anschluss an die Befragung. Abgeordnete von FDP und Grünen hatten auch kritisiert, dass Faeser erst jetzt Auskunft zu den Vorwürfen in der Causa Schönbohm gegeben habe.
Faeser selbst hat sich für das Fernbleiben entschuldigt. Sie bleibt jedoch bei ihrer Darstellung, die Opposition habe die Affäre lediglich aufgrund des Wahlkampfs in Hessen zum Thema gemacht.
(Mit Material von AFP und dpa)
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