Zustand von Nord- und Ostsee schlechter denn je
Den Ökosystemen in Nord- und Ostsee geht es einem aktuellen Report der Umweltorganisation Greenpeace zufolge schlechter denn je.
„Unsere Meere werden geplündert, zerstört und verschmutzt, nur für den kurzfristigen Profit – mit drastischen Folgen für die Artenvielfalt und letztlich für uns alle“, sagte Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack. Nach Angaben der Organisation schwinden die Bestände von Dorsch und Hering in der Ostsee. Deutschlands einzige Walart, der Schweinswal, sei stark gefährdet. Doch der Report erntet auch Kritik.
„Es geht den Ökosystemen in Nord- und Ostsee im Gegenteil deutlich besser als vor 30 Jahren“, sagte dagegen der Direktor des staatlichen Thünen-Instituts für Ostseefischerei, Christopher Zimmermann, in Rostock. Es stimme nicht, dass der Fischereidruck unaufhörlich ansteige. Einige Aussagen des Berichtes sind nach Meinung von Zimmermann verzerrt, weil die Organisation mit dramatischen Aussagen den Druck erhöhen wolle. Zimmermann zufolge geht es in der Ostsee derzeit einem von zwei Dorschbeständen (Ostdorsch) und einem von vier Heringsbeständen (Westhering) schlecht oder sehr schlecht. Bei beiden Beständen spielten die veränderten Umweltbedingungen die größere Rolle.
Greenpeace wollte am Donnerstagabend mit dem Aktionsschiff „Beluga II“ zu einer Tour auf Nord- und Ostsee aufbrechen, um den Zustand der Meeresgebiete zu dokumentieren. „Deutschland hat beim Schutz der Meere total versagt“, sagte Greenpeace-Experte Maack. Um die Meere zu retten, müsse es echte Schutzgebiete geben. Den zehn Meeresschutzgebieten, die Deutschland in seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) vor mittlerweile 15 Jahren ausgewiesen habe, fehle bis heute jegliches Management, monierte der Report. In den Schutzzonen der Nord- und Ostsee sowie im Nationalpark Wattenmeer seien immer noch die zerstörerische Fischerei mit Grundschleppnetzen und Stellnetzen erlaubt, auch die Ausbeutung von Öl oder Sand- und Kiesabbau, kritisierte Greenpeace weiter.
„Wenn man es sich dann im Detail anguckt, sieht man, es ist eigentlich viel komplizierter“, sagte Zimmermann. „Die Umweltverbände tragen Mitschuld daran, dass der Prozess so schleppend verläuft, weil sie zum Beispiel Forderungen stellen, die einfach nicht konsensfähig sind.“ Umweltverbände erzeugten gerne den Eindruck, dass Fischerei grundsätzlich alles kaputt mache. Für jedes Schutzgebiet müsse sich aber individuell angeschaut werden, was dort erlaubt werden könne und was nicht.
Kritik am Greenpeace-Report kam auch vom Deutschen Fischerei-Verband in Hamburg. „Es ist nicht zutreffend, dass es kein Management gibt“, sagte Generalsekretär Peter Breckling. Es gebe unter anderem Naturschutzverordnungen, Raumordnung oder Nationalparkgesetze im Wattenmeer. „Fischerei in Schutzgebieten kann weiter laufen, weil sie nicht „zerstörerisch“ ist.“
Greenpeace zieht das Fazit, dass Deutschland alle selbst gesetzten Ziele verpasst habe. „Während Deutschland in der öffentlichen Wahrnehmung hierzulande, aber auch international als Vorreiter in Sachen Meeresschutz gilt, hält dieser Eindruck einem Faktencheck nicht stand“, heißt es im Report. „Im Kampf gegen die Klimakrise und das Artensterben sind wir besonders auf gesunde Meere als Verbündete angewiesen“, erklärte Maack. „Sie stabilisieren das Weltklima, haben rund 90 Prozent der atmosphärischen Treibhausgaswärme aufgenommen und rund 30 Prozent des menschengemachten CO2 gespeichert.“
Am Mittwoch hatte eine Antwort des Bundesverkehrsministeriums die Erwärmung von Nord- und Ostsee aufgezeigt: Die Nordsee hat sich im Zeitraum 1969–2017 unter Berücksichtigung der mittleren Oberflächentemperatur um 1,3 Grad Celsius erhitzt, wie es in der Antwort auf eine schriftliche Frage der Parlamentarischen Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Steffi Lemke, heißt. In der westlichen Ostsee wurde demnach seit 1982 ein Temperaturanstieg von 0,6 Grad pro Dekade gemessen, das heißt um mindestens 1,8 Grad. Wenn sich der Temperaturanstieg fortsetze, drohten in beiden Meeren massive Veränderungen der Meeresumwelt, sagte Lemke. (dpa)
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