Wenn sich Wirtschaft und Umweltschutz die Hände geben
Ab 2005/06 soll 40-100 Kilometer vor der deutschen Küste mit der Errichtung der ersten seegestützten Windenergie-Anlagen (WEA) begonnen werden. Ziel der Bundesregierung ist es, mit der Windenergie bis 2030 einen Anteil von 25 Prozent an der Stromversorgung zu erreichen und rund 60 Prozent davon sollen offshore produziert werden. Was von den einen begrüßt wird als weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaschutz, nennen andere „Verspargelung“ der Landschaft mit Monsteranlagen.
In Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Großbritannien existieren bereits Offshore-Anlagen, die sich aber alle nahe der Küste befinden. Die für Deutschland geplanten Anlagen sollen jenseits der 12-Meilen-Zone in der Allgemeinen Wirtschaftszone (AWZ) liegen. Hier herrschen andere Bedingungen vor. Bei größeren Wassertiefen müssen andere Konstruktionen mit einem „steiferen“ Schwingungsverhalten verwendet werden. Eventuell sind Bodenarbeiten auf dem Meeresgrund erforderlich. Generell kann gesagt werden, je weiter eine Anlage vom Land entfernt ist, umso höhere Nebenkosten kommen hinzu, bei der Installation, für Fundamente oder den Netzanschluss. Der Bundesverband Windenergie rechnet mit 113-208 Prozent höheren Kosten bei einer 70 Kilometer entfernten Offshore-Anlage, im Vergleich zur Land-Anlage. Allein 5 Kilometer Seekabel kosten ungefähr 5,5 Millionen Euro. Die höheren Windgeschwindigkeiten mitten im Meer sollen aber die Kosten wieder wettmachen.
Ein anderes Problem ist die in der Bevölkerung oft geringe Akzeptanz der Windenergie, vor allem wegen der Veränderungen des Landschaftsbildes oder der Wirkung auf den Fremdenverkehr. Ein Artikel in der „Welt“ mit dem Titel: Windmühlen vor Kap Arkona, hat ein ganzes Szenario von Einwänden gegen die geplanten Offshore-Parks beschrieben. So hat etwa der Vorsitzende des Fördervereins Kap Arkona e.V. Angst um den Panorama-Blick vom Dach des berühmten Schinkel-Leuchtturms, auf dem jedes Jahr Tausende von Touristen stehen und den „markantesten Punkt der deutschen Ostsee-Küste“ betrachten, nämlich ein Flachwasser-Seegebiet 30 Kilometer vor Rügen mit dem wohlklingenden Namen „Kriegers Flak“. Indessen sollen die dort geplanten Windanlagen aber auch bei schönem Wetter nur schwach am Horizont erkennbar sein.
Ökologische Begleitforschung
Weitere Punkte sind der Vogelzug, die Möglichkeit von Havarien, die Veränderung der Bodenlebewelt durch Bildung von künstlichen Riffen um die Fundamente, oder die Schallimmissionen. Hier ist ökologische Begleitforschung vonnöten. Das Verbundvorhaben MINOS (Marine Warmblütler in Nord- und Ostsee) befasst sich mit der Raumnutzung von Schweinswalen, Seehunden und Meeresvögeln. Für die in ihrem Bestand heute schon erheblich gefährdeten Schweinswale sind vor allem Schalldrücke eine Gefahr. Sind diese zu hoch, was vor allem auch beim Aufbau der Anlagen berücksichtigt werden muss, kann dies zu dauerhaften Gehörsschädigungen der Säuger führen, die sich dann im Meer nicht mehr orientieren können und somit nicht mehr lebensfähig sind.
Meeresvögel haben in Nord- und Ostsee einen bedeutenden Lebensraum, sind aber saisonal oder vorübergehend in ganz unterschiedlichen Verbreitungsbildern anzutreffen. Ein Gefährdungsindex mit neun Faktoren, wie Manövrierfähigkeit und Flughöhe, nächtliche Flugaktivität, Empfindlichkeit gegenüber Schiffs- und Helikopterverkehr, hilft bei der Abschätzung, wie hoch das Gefährdungspotential in der jeweiligen Meeresregion ist. Auf der Forschungsplattform FINO1, die direkt im potentiellen Eignungsgebiet für Offshore-Windparks liegt, wird der Vogelzug mit Radar verfolgt. So kann dessen Intensität, Vertikalverteilung und Richtung erfasst werden. Durch Wärmebildkamera, Videokamerasystem sowie Audiosystem können die Bewegungen sogar bestimmten Vogelarten zugeordnet werden.
Energie für 150.000 Haushalte
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hat mit dem Projekt „Enova Offshore North Sea Windpower“ inzwischen das achte Windpark-Vorhaben mit 48 WEA, 39 Kilometer nördlich von Juist in Wassertiefen von ca. 30 Metern genehmigt. Es handelt sich um ein verkehrsarmes Gebiet zwischen dem küstennahen Schifffahrtsweg und dem Tiefwasserweg, mit den erforderlichen Sicherheitsabständen von mehr als zwei Seemeilen. Vor der jeweiligen Baudurchführung müssen dem BSH detaillierte Bauablaufpläne vorliegen, damit nötigenfalls Bauarbeiten an benachbarten Windparks aufeinander abgestimmt werden können. So sollen auch während der Bauphase Einwirkungen auf die Meeresumwelt z.B. durch Unterwasserschall minimiert werden. Umweltverträglichkeitsprüfungen haben von der Naturausstattung her ein geringes ökologisches Konfliktpotential ergeben. In der erforderlichen Gesamtschau sind auch die Umweltauswirkungen der im gleichen Seeraum bereits genehmigten drei Vorhaben „Borkum West“, „Borkum Riffgrund“ und „Borkum Riffgrund West“ einbezogen worden. Seltene oder geschützte Tierarten bevorzugen andere Gebiete und kommen hier nur als gelegentliche Durchzügler vor. Auch für den Vogelzug haben die Gebiete keine hervorgehobene Bedeutung.
Das neue BINE-Projekt-Info „Multimegawatt-Anlagen“ stellt die neuen Großanlagen vor. Die Broschüre ist kostenfrei bei BINE Informationsdienst erhältlich – telefonisch unter 0228/9 23 79-0 oder im Internet unter www.bine.info.
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