Wasserknappheit in Deutschland? Das Problem ist die Infrastruktur
Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, sieht keinen Wassermangel in Deutschland: „Wenn es vereinzelt zu Engpässen in der Trinkwasserversorgung kommt, dann liegt das meist nicht daran, dass das Wasser knapp ist, sondern, dass zu viel Wasser gleichzeitig angefordert wird.“
Das könne in einzelnen Regionen die Systeme überfordern, deren Pumpleistung, Leitungs- und Hochbehälterkapazitäten auf einen niedrigeren Bedarf zugeschnitten sind. „Können diese Systeme nicht mehr genügend Wasser pro Zeiteinheit weiterleiten, müssen Gemeinden kurzfristig Gartenbewässerung und Poolbefüllungen untersagen. Das gibt den Speichern Zeit, sich wieder zu füllen und die Trinkwasserversorgung zu sichern. Denn die hat absolute Priorität.“
Es ist genug Wasser da
Zahlreiche, eher ländliche, Kommunen meldeten in den vergangenen Tagen einen stark steigenden Wasserverbrauch. Häufig sind kleinere Orte von leer gelaufenen Trinkwasserspeichern betroffen, so zum Beispiel Nieder-Beerbach (Hessen, Gemeinde Mühltal). In einem Stadtteil von Lauenau (Niedersachsen, Gemeinde Rodenberg) wurde der Wassernotstand ausgerufen. Gleiches geschah in Weilrod (Hochtaunuskreis), Grävenwiesbach (Hochtaunus), in Bad Endbach (Hessen) oder auch im Odenwaldkreis.
„Dabei ist genug Wasser da, es muss nur richtig verwendet werden“, erklärt der Weilroder Bürgermeister Götz Esser (FWG).
In Lauenau forderte die Feuerwehr die Menschen auf, so wenig Wasser wie möglich zu verbrauchen. „Grund war aber nicht, dass zu wenig Wasser dagewesen wäre. Der Wasserverbrauch ist einfach massiv angestiegen“, zitiert „Kommunal“ den dortigen Bürgermeister Hudalla.
Die Pumpen der Wasserversorgung in Lauenau würden 25 Kubikmeter Wasser pro Stunde schaffen, was an normalen Tagen völlig für die 4000 Einwohner ausreiche. Einen absoluten Spitzenwert von 30 Kubikmetern Verbrauch in der Stunde gab es an diesem heißen August-Wochenende. Doch eine Aufrüstung der Anlage würde „die Wasserversorgung massiv teurer machen“.
In diesem Sommer fuhren und flogen die Menschen eben nicht in den Urlaub. Viele kauften sich ein Planschbecken oder einen Pool – der Absatz bei Schwimmbadfirmen ist massiv gestiegen. Diese zögen doch eine Menge uneingeplantes Wasser aus den Speichern der Wasserwerke.
Eine Sprecherin des hessischen Umweltministeriums warnte schon zuvor mit Blick auf die Folgen von Corona: „Auch aufgrund der eingeschränkten Urlaubsmöglichkeiten in diesem Sommer wird mit Auswirkungen auf den Verbrauch gerechnet“.
Ein Problem der Infrastruktur: „Just in Time“ statt vorausschauendes Denken
Die Wasserversorgung in Deutschland ist dezentral organisiert. In vielen Orten, in denen es Überschwemmungen gibt, wird festgestellt, dass der Platz für das Wasser fehlt. Renaturierung, welche Flussläufe verlangsamt und das Wasser in der Region hält, dauert seine Zeit. Örtlich ist die Trockenheit im Boden hoch.
Wasserfachleute verweisen darauf, dass in den vergangenen Jahren zu wenig Wasserpuffer entstanden, statt dessen eher ein „Just in Time“ vorherrschte. „Kommunal“ schreibt:
Ohne Wasserspeicher oder andere Möglichkeiten zur Speicherhaltung wird es in einigen Orten künftig nicht mehr gehen.“
In Deutschland beansprucht die öffentliche Wasserversorgung nur 2,7 Prozent der vorhandenen Wasserressourcen, es sei grundsätzlich Wasser im Überfluss vorhanden.
Allerdings gibt es ein technisches Problem: das Leitungsnetz. In ländlichen Regionen sind die Wasserleitungen oftmals sehr lang. Wenn viele Menschen gleichzeitig den Wasserhahn aufdrehen, kommt mitunter Wasser „eben nur noch tröpfchenweise“ an.
Im Fall von Weilrod erklärte der Leser
wenn eine kleine Dorfgemeinde Anwohnermäßig wächst, Campingplätze u.s.w. hinzukommen, die Haushalte ganz einfach und eben auch naturgemäß mehr Wasser verbraucht, so ist das sicher erklärbar. Wenn aber die Gemeinde-Herren sich nicht um Modernisierung, Erweiterung u.s.w. kümmern …….?
Andere regen sich über den Golfplatz des Ortes auf, der weiterhin bewässert wird – allerdings aus einem eigenen Teich ohne Verbindung zum Trinkwassernetz des Ortes.
Christian Erhardt von „Kommunal“ bringt es auf den Punkt:
Die Wasserknappheit herrscht meist am Ende der Leitung, nicht beim Grundwasser.“
Jährlich bleiben 82,4 Prozent allen nutzbaren Wassers ungebraucht
Laut den Daten der Bundesanstalt für Gewässerkunde sowie des Statistischen Bundesamts herrscht in Deutschland kein Mangel an Trinkwasser. Deutschland kann jährlich auf rund 188 Milliarden Kubikmeter Trinkwasser zurückgreifen. Davon genutzt sind lediglich 17,6 Prozent, was einer Wassermenge von rund 33,1 Milliarden Kubikmeter entspricht.
Für die öffentliche Wasserversorgung mit Trinkwasser stehen 5,1 Milliarden Kubikmeter zur Verfügung. 28 Milliarden Kubikmeter Wasser gehen in die nicht öffentliche Wasserversorgung (Industrie und Gewerbe, Landwirtschaft etc.). 69,1 Prozent des Trinkwassers kommen aus Grund- und Quellwasser, der Rest ist sogenanntes Oberflächenwasser aus Seen und Flüssen.
Der Trinkwasserverbrauch in Deutschland ist seit 1990 um 15 Prozent gesunken. 1990 verbrauchten die Menschen im Durchschnitt 147 Liter Trinkwasser am Tag, im Jahr 2019 waren es durchschnittlich pro Person pro Tag in Deutschland nur noch 125 Liter.
Anders gesagt: jährlich bleiben in Deutschland 154,9 Milliarden Kubikmeter Wasser ungenutzt – 82,4 Prozent allen nutzbaren Wassers.
Großstädte: Einwohner sollen Bäume gießen
In Großstädten wie Frankfurt oder Darmstadt sind nach Angaben der „Hessenschau“ eher die Stadtbäume gefährdet. Frankfurt ist dazu übergegangen, neben Brauchwasser auch Gießwasser aus dem Main in zwei Tankwagen zu pumpen und die jungen Bäume im Stadtgebiet zu wässern. Den Frankfurter Stadtwald zu gießen ergäbe keinen Sinn. Die umgebauten Lkws schaffen 6.000 Liter Flusswasser pro Tank und reichen es später ähnlich einer Tankstelle an kleinere Fahrzeuge weiter, die durch die Straßen fahren.
Darmstadt konzentriert sich ebenfalls bei der Bewässerung auf junge Bäume. Die Stadt rief die Einwohner auf, die Bäume zu gießen. Ebenso in Wiesbaden, hier setzt die Stadt zusätzlich vermehrt auf Bäume, die trockenes Stadtklima besser vertragen: Amberbäume, Rot-Ahorne, Roteschen oder Zürgelbäume.
Robert Paul Pudelko fragt daraufhin auf Twitter: „meine Nachbarn sind verwirrt. Einerseits wird wegen #Wasserknappheit #wassernotstand darum gebeten Wasser zu sparen, andererseits wird dazu aufgerufen eimerweise Wasser an öffentliche Bäume zu schütten… Was sollen sie denn nun tun?!“
Für die Landwirtschaft, deren Erträge wohl „leicht unterdurchschnittlich“ ausfallen werden, wird 2020 klar gesagt: „Es ist nicht die Trockenheit, die dazu geführt hat, dass die Erträge in einigen Regionen nicht optimal sind, sondern die Kombination mit den Spätfrösten. Die Tage, an denen es in diesem Winter gefroren hat, können Sie vielerorts an einer Hand abzählen. Dann kamen die Spätfröste und zerstörten die Blüten. So waren die möglichen Erträge von vornherein reduziert“, so Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.
Wasserverbände haben aus technischen Gründen nicht unbedingt Interesse an extrem sparsamem Wasserverbrauch, da die Kanalisation nicht austrocknen sollte. In einem solchen Fall müssen die Wasserwerke die Kanäle spülen – meist mit Trinkwasser -, was die Kosten erhöht.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion