Warum Stammzellen das Herz reparieren
Der Rostocker Mediziner Alexander Kaminski untersucht das Fließverhalten von Stammzellen. Er beobachtet, wie sie sich durch den Körper bewegen und an Stellen, an denen sie gebraucht werden, anlagern. Dass Stammzellen zur Reparatur beschädigter Areale, beispielsweise im Herzmuskel, beitragen, konnte der Herzchirurg an der Klinik und Poliklinik für Herzchirurgie am Universitätsklinikum Rostock schon mehrfach nachweisen. Welche Vorgänge dabei genau ablaufen, ist weiterhin Gegenstand intensiver Forschungsarbeiten. Sein Achtungserfolg ist in der Fachwelt belegt: Die Zeitschrift „Laboratory Investigation“, ein Ableger der renommierten „Nature“-Gruppe veröffentlichte die Forschungsergebnisse als Titelstory mit Bild. (siehe Foto)
Wie bewegen sich die Zellen im Körper, warum lagern sie sich an bestimmten Stellen an, an anderen nicht? Die Forscher sprechen von „Rolling“ und „Homing“, „Rolling“ steht für die Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit, „Homing“ für das aktive Anlagern einer Stammzelle an eine bestimmte Stelle eines Gefäßes für einen späteren Übertritt in das Gewebe. „Wir versuchen zu erklären, warum die Zellen gerade an diesen Stellen bleiben“, sagt Kaminski. Bekannt war, dass für das Anlagern von Stammzellen eine Entzündung oder ein Trauma im Gewebe ausschlaggebend waren. Kaminski fand heraus, dass ein Stickoxyd produzierendes Enzym in der Gefäßwand am Prozess beteiligt ist.
David Nisbet vom Department of Materials Engineering an der Monash University in Bebourne umgeht das Problem mit dem Fließverhalten, indem der den Stammzellen gleich ein Vehikel mitgibt. Er hat ein einzigartiges dreidimensionales Gerüst geschaffen, mit dessen Hilfe Stammzellen eine schnellere und effektivere Erneuerung beschädigter Nerven im menschlichen Körper erreichen könnten. Dabei setzte er bestehende biologisch abbaubare Polymerfasern ein und arbeitet diese zu einer Art 3-D Gebilde um.
Nanogerüst zum Zelltransport
„Wir können die Stammzellen außerhalb des Körpers im Gerüst anbringen oder nachdem dieses in den Körper injiziert wurde“, beschreibt Nesbit den möglichen Einsatz des Nanogerüsts. „Die Nervenzellen verwachsen mit dem Gerüst genauso wie sich Efeu an einem Gitter entlang rankt und bilden so eine Brücke im Gehirn oder Rückenmark. Mit der Zeit zerfällt das Gerüst und wird auf natürliche Weise vom Körper ausgeschieden. Zurück bleiben die regenerierten, intakten Nerven.“
An der Medizinischen Klinik und Poliklinik I der Universität München konzentriert man sich auf die Entwicklung von Stammzelltherapien bei Herzerkrankungen. Einer Arbeitsgruppe um Wolfgang-Michael Franz ist es gelungen, grundlegende Prozesse der Herzentwicklung auf molekularer Ebene zu entschlüsseln und dies für eine vermehrte Bildung von schlagenden Herzmuskelzellen aus embryonalen Stammzellen zu nutzen. Die Ergebnisse wurden Ende Februar in der Fachzeitschrift „Nature Cell Biology“ veröffentlicht.
Das besondere an einer Stammzelle ist, dass sie, anders als die anderen Zellen im Körper, noch kein Spezialist ist. Sie könnte also an einer beliebigen Stelle im Körper eingebaut werden. Dort sollte sie dann die jeweils benötigte ganz gezielte Funktion übernehmen – etwa ein krankes oder zerstörtes Gewebe ersetzen. Soweit die Theorie. Franz und seine Mitarbeiter haben solche pluripotenten (zu vielem fähige) Stammzellen mit einem Protein, das nur im Herzen vorkommt, programmiert und dadurch Aufschlüsse bekommen, wie sich diese zu Herzmuskelzellen umwandeln –ein Meilenstein in der Forschung.
„Damit in Zukunft auch Patienten von dieser bedeutenden Entwicklung profitieren können, müssen die Ergebnisse auf so genannte saubere Zelllinien übertragen werden, die nur aus dem Ausland bezogen werden können. Gleichzeitig könnten solche Zellen auch für die Erprobung von Medikamenten eingesetzt werden. Beides setzt jedoch eine Liberalisierung der Stichtagsregelung des deutschen Stammzellgesetzes voraus“, sagt Franz und spricht damit ein heikles Thema an, denn die Stammzellforschung ist sehr umstritten, weil zur Gewinnung der Zellen Embryonen getötet werden müssen und in Deutschland diesbezüglich strenge Gesetze existieren. Gleichzeitig stehen aber nicht genügend Spenderorgane, etwa nach Unfällen oder einem Herzinfarkt, zur Verfügung. Diese Lücke wollen die Forscher mit der regenerativen Medizin auf Basis von Stammzellen, schließen
Gliagewebe kann mehr als nur Stützen
Die Stammzellexpertin Götz vom Helmholtz Zentrum München untersucht die molekularen Grundlagen der Gehirnentwicklung. Schon bei früheren Untersuchungen hatte sie nachgewiesen, dass Gliazellen des Gehirns, die als Stützgewebe für die Nervenzellen gelten, auch als Stammzellen fungieren können. Nun konnte sie darstellen, wie diese reaktiven Gliazellen im Gehirn der Maus nach Verletzung ihre Zellteilung wiederaufnehmen. Sie werden zu Stammzellen, die sich unter günstigen Bedingungen in Zellkultur sogar zu Nervenzellen umbilden. Damit gelang der bahnbrechende Nachweis, dass in einer Verletzungsregion des Gehirns adulte neurale Stammzellen vorhanden sind, die als Quelle für neue Nervenzellen dienen könnten. Götz: „Dank dieser Ergebnisse rückt das Fernziel ein wenig näher, die Prozesse therapeutisch nutzen zu können“.
Auch Wissenschaftler der Universität Basel befassen sich mit der Neubildung von Nervenzellen. Sie verglichen das Gehirn der Taufliege Drosophila mit dem des Säugetiers. Dabei konnten die Forscher um Heinrich Reichert Parallelen in der Gehirnbildung nachweisen, wie in der aktuellen Ausgabe von „Neural Development“ zu lesen ist.
Die Nervenzellen im Gehirn der Taufliege entstehen aus stammzell-ähnlichen Vorläuferzellen, den so genannten Neuroblasten. Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass deren Tochterzellen sich nur ein Mal teilen, um schließlich je zwei Nervenzellen auszubilden. Bei Säugetieren teilen sich diese Vorläuferzellen aber mehrmals, was zu einer bemerkenswerten Steigerung der Nervenzellanzahl im Säugergehirn führt.
Die Forscher konnten jetzt nachweisen, dass gewisse Neuroblasten im Gehirn von Fliegen ebenfalls in der Lage sind, solche „Miniatur-Vorläuferzellen“ zu produzieren. Dazu haben die Forscher Markierungs- und Zellliniennachweismethoden im Gehirn der Drosophila eingesetzt (siehe Foto).
Das Labor von Reichert beschäftigt sich seit Jahren mit der Entwicklung des Gehirns und vergleicht dabei vor allem die zellulären und molekularen Mechanismen von Taufliege und Säugetier. Die Gesamtheit dieser vergleichenden entwicklungsbiologischen Studien weist darauf hin, dass die Gehirne aller Tiere, inklusive jenes des Menschen, auf einem ähnlichen Bauplan beruhen.
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