Struktur des Klangs: Warum die Musik von Bach immer noch so beliebt ist
Auch heute noch, Jahrhunderte nach seinem Tod, ist Johann Sebastian Bach (1685–1750) einer der beliebtesten Komponisten der Welt. Auf Streaming-Plattformen hören fast sieben Millionen Menschen weltweit jeden Monat seine Musik. Das Überraschende: Seine Hörerzahl ist sogar höher als jene von Mozart oder gar Beethoven. Dem Prélude seiner Cello-Suite Nr. 1 in G-Dur lauschten mindestens hundert Millionen Ohrenpaare. Aber was macht Bachs Musik so beständig?
Musikkritiker könnten auf seine innovativen Harmonien, die komplexe Verwendung des Kontrapunkts und die symmetrischen Kompositionen verweisen. Stellt man sich Bachs Musik jedoch als ein Netzwerk vor, in dem jeder Knoten für eine Note und jede Kante für den Übergang von einer Note zur nächsten steht, ergibt sich ein ganz anderes Bild.
Klassische Musik als Vorbild
In welcher Verbindung stehen die Noten von Johann Sebastian Bach innerhalb eines gesamten Werkes? Diese Frage stellten sich Dani Bassett, Prof. Peter Skirkanich und Suman Kulkarni von der US-amerikanischen University of Pennsylvania. Um darauf eine Antwort zu erhalten, erstellten die Bioingenieure und Physiker aus Bachs Kompositionen jeweils ein Netzwerk.
Eine solche Analyse könnte für Musiktherapeuten, Musiker und Komponisten von Nutzen sein, da sie ihnen einen noch nie dagewesenen quantitativen Einblick in die Struktur verschiedener musikalischer Kompositionen gewährt.
„Diese Arbeit liefert einen Ausgangspunkt dafür, wie man die Komplexität in der Musik reduzieren und mit einer einfachen Darstellung beginnen kann, um die Struktur dieser Stücke zu ergründen“, sagt Hauptautorin Kulkarni. „Wir haben diesen Rahmen auf ein Dutzend Kompositionen Bachs angewandt und konnten quantitative Unterschiede in ihrer Struktur feststellen.“
Facebook, Shakespeare und Bach
Möglich machte dies ein Modell, das die in komplexen Netzwerken enthaltenen Informationen analysiert und wie diese Informationen von Menschen wahrgenommen werden. Neben Facebook-Posts und Werken von Shakespeare wandten die Forscher dieses System auch auf fünf klassische Musikstücke an, darunter eines von Bach.
„Es war wirklich interessant zu sehen, wie unser Modell uns half, die Struktur dieser Stücke zu verstehen“, sagt Bassett. „Von da an wurde uns klar, dass man nicht nur eine Handvoll Stücke verwenden kann, wenn man wirklich etwas über Musik im Allgemeinen aussagen will. Man muss einen großen Datensatz verwenden.“
Glücklicherweise hat Johann Sebastian Bach mehr als 1.100 überlieferte Werke komponiert, von denen die Forscher etwa ein Drittel als Netzwerke darstellten. „Wir hören eine Note und dann die nächste und die nächste und die nächste“, erklärt Bassett. „Ein Musikstück ist also nur eine Abfolge von Informationen.“
Musik tickt anders
Zwei der wichtigsten Messgrößen, die die Forscher zur Charakterisierung von Musiknetzwerken gefunden haben, sind der Grad der Clusterbildung und die Entropie. Ersteres beschreibt klassischerweise die Grüppchenbildung, Letzteres den Grad der Variation in den Notenfolgen.
Netze mit höherer Entropie, in denen ein bestimmter Knoten mit vielen anderen Knoten verbunden ist, enthalten mehr Informationen und umgekehrt. Der Grad der Clusterung gibt an, inwieweit der Inhalt des Netzes den Erwartungen des Publikums entspricht – je mehr Cluster, umso besser.
„Sprachnetzwerke haben eine sehr hohe Entropie“, erklärt Bassett. „Sie sind also sehr komplex: Sie enthalten eine Menge Informationen, aber sie weichen nur wenig von unseren Erwartungen ab. Bei der Musik ist das Gegenteil der Fall. Sie hat weniger Entropie, weniger Komplexität im Allgemeinen, weicht aber häufig von unseren Erwartungen ab.“
Ausgestattet mit diesem Rahmen für die Quantifizierung musikalischer Strukturen kann die künftige Forschung die Beziehung zwischen verschiedenen musikalischen Strukturen und der Gehirnaktivität der Hörer untersuchen. „Wenn wir verstehen, wie eine Person auf unterschiedliche Komplexitätsgrade in einem Stück reagiert“, so Bassett, “kann uns das helfen, die Art von Musik zu bestimmen, die wir für eine bestimmte Therapie empfehlen.“
Die Vielfältigkeit von Bach
Die Forscher fanden heraus, dass Bachs Choräle eine viel geringere Entropie aufweisen als seine Toccaten, was auf einen Unterschied nicht nur im Stil, sondern auch im Zweck hinweist. Choräle sind einfach und wiederholen sich, während die Toccaten komplexe, chromatische Passagen haben. In der Kirche gesungene Choräle sollen zur Meditation und Anbetung anregen, während Toccaten zur Unterhaltung gedacht sind.
Diese Untersuchungen wollen die Forscher künftig auf weitere Gattungen und Komponisten ausweiten, unter anderem auf Jazzmusik. „Ich bin sehr neugierig auf nichtwestliche Musik und frage mich, welche Unterschiede wir in diesen verschiedenen kulturellen Traditionen feststellen werden“, so Kulkarni.
Die Studie erschien im Februar 2024 in der Zeitschrift „Physical Review Research“.
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