Von den Ozeanen in die Organe: Wie Mikroplastik in den Körper kommt
Ob durch illegale Müllentsorgung, marode Fischernetze oder Partikel von Kosmetikartikeln: Plastikabfälle gelangen auf verschiedenste Wege in die Ozeane. Von Menschen produzierte Plastikabfälle und Kunststoffe werden von der Strömung erfasst und treiben hinaus auf das offene Meer.
In den großen Meereswirbeln sammeln sich diese Abfälle, sogenannte Müllstrudel entstehen. In den Ozeanen gibt es mehrere Gebiete, mittlerweile sechs große, die als Plastikteppiche bekannt sind. Die beiden bekanntesten und größten dieser Plastikansammlungen sind der „Great Pacific Garbage Patch“ im Pazifischen Ozean und der „North Atlantic Garbage Patch“ im Atlantischen Ozean.
Der Müllstrudel im Nordpazifik ist vermutlich der größte und bekannteste Plastikteppich der Welt. Er befindet sich zwischen Hawaii und der kalifornischen Küste. Schätzungen zufolge besteht der „Great Pacific Garbage Patch“ aus Millionen Tonnen Müll. Auch in anderen Meeresregionen gibt es kleinere Ansammlungen von Plastikmüll.
Mit einer oberflächlichen Säuberung der Ozeane durch Entfernung von offensichtlichen Verschmutzungen wie PET-Flaschen, Badelatschen, Kunststofftüten und Fischernetzen wäre es längst nicht mehr getan, denn der schwimmende Müllteppich aus Plastikteilen hat längst weiterführende Auswirkungen – die im ersten Moment für das Auge nicht erkennbar sind.
Nur die Spitze des sichtbaren Plastikmüllberges im Meer
Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, handelt es sich nicht unbedingt um sichtbare Inseln aus Plastikmüll im Meer, auch nicht um Kunststoffteile, die dicht an dicht im Wasser treiben. Das liegt unter anderem daran, dass Plastikgegenstände im Meer in immer kleinere Teile zerbrechen.
Die Ansammlungen, von denen auch unklar ist, wie weit sie in die Tiefen in Richtung Meeresboden reichen oder gesunken sind, bestehen sowohl aus größeren Gegenständen als auch aus Mikroplastikpartikeln. Damit ist der sichtbare Teil dieser riesigen Plastikteppiche in den Meeren nur die Spitze des Müllberges.
Denn Mikroplastik ist mittlerweile nicht nur in den Ozeanen als unmittelbare Folge der Zersetzung von Plastikabfällen, sondern verbreitet sich überall: Über die Ozeane hinaus sind sie in Gewässern, Kleidungsstücken, Kosmetik und Lebensmitteln zu finden und sogar im menschlichen Körper.
Die genaue Konzentration dieser kleinen Plastikteilchen lässt sich mit herkömmlichen Methoden nur schwer nachweisen, denn ein Mikrometer sind 0,0001 Millimeter und damit zu klein, um ihn zu messen. Mikroplastikteilchen sind größer als 0,1 Mikrometer (µm) und kleiner als 5 Millimeter (mm). Nanoplastikpartikel sind kleiner als 0,1 Mikrometer (µm).
Die winzigen Partikel entstehen, wenn größere Kunststoffteile durch Sonneneinstrahlung, mechanische Abnutzung oder chemische Zersetzung zerfallen. Dieses Nanoplastik ist vermehrt Gegenstand intensiver Forschungen. Die Teilchen können aufgrund ihrer geringen Größe in den menschlichen Körper aufgenommen werden.
Wasser aus der PET-Plastikflasche
Wissenschaftler der Columbia University in New York haben jetzt eine Methode entwickelt, um die winzigen Partikel nachzuweisen. Sie verwendeten dafür eine Messmethode, die nicht nur Mikroplastik, sondern auch das viel kleinere Nanoplastik nachweist.
Dabei konzentrierten sie sich auf die Untersuchung von abgefülltem Wasser. Die Studie hatte zum Ergebnis, dass das kommerziell erhältliche Wasser in PET-Flaschen ganze 240.000 Plastikteilchen pro Liter enthält. (Im Vergleich: 5,5 Teilchen pro Liter Leitungswasser).
Das ist 10- bis 100-mal so viel, wie frühere Messungen gezeigt haben und war damit wesentlich mehr als von den Wissenschaftlern angenommen. Nur zehn Prozent des gefundenen Plastiks machte Mikroplastik aus, der Rest sind die viel kleineren Nanoplastikpartikel.
Das mit am häufigsten nachgewiesene Nanoteilchen war Polyethylenterephthalat: PET, was insofern keine Überraschung darstellt, denn das Wasser befand sich in PET-Flaschen. Bekannt ist schon lange, dass sich im Laufe der Zeit von diesen durch natürliche Prozesse wie Abrieb und Zerfall kleinere Partikel wie Mikroplastik und sogar Nanoplastik ablösen.
Auch Polyamid, eine Art Nylon, wurde gefunden. „Ironischerweise stammt es wahrscheinlich aus den Kunststofffiltern, die das Wasser vor dem Abfüllen reinigen“, erklärt Beizhan Yan, Umweltchemiker und Mitautor der Studie. Für Biophysiker und Studien-Mitverfasser Wei Min eröffnet sich mit diesen Forschungsergebnissen ein neues Feld für die Wissenschaft: „Die Untersuchung von Nanoplastik ist wichtig, denn je kleiner die Dinge sind, desto leichter können sie in uns eindringen.“
Haben wir in Zukunft Organe aus Plastik?
Damit steht im Raum, dass Nanoplastikpartikel sich in lebenswichtigen Organen anreichern könnten – mit unbekannten Folgen für die Gesundheit. Die Partikel sind so klein, dass sie sogar direkt in die Blutzellen und ins Gehirn gelangen können.
Nanoplastik wurde bereits mit Krebs, Fruchtbarkeitsproblemen und Geburtsfehlern in Verbindung gebracht. Das National Institute of Environmental Health Science gibt zu bedenken: “Wie sich das Vorhandensein dieser Mikro- und Nanokunststoffe in der Luft, im Wasser, in der Nahrung, in der Kleidung und in anderen Umweltmedien sowie ihr Eindringen in den menschlichen Körper auf die Gesundheit auswirkt, ist noch nicht ausreichend erforscht.“
Das Vorhandensein aber von Mikroplastik in menschlichem Lungen-, Blut- und Plazentagewebe sowie in menschlicher Muttermilch wurde nachgewiesen.
Mit dem Trinken der empfohlenen zwei Liter pro Tag aus PET-Flaschen nimmt unser Körper also eine halbe Million Nanopartikel Plastik auf. Bei jedem Quetschen oder bei Erwärmung der Flasche werden es mehr, wenn sich Nanopartikel aus der Flasche heraus lösen. Ebenso entsteht bei jedem Auf- und Zuschrauben des Deckels Abrieb, der ins Getränk rieselt und dann beim Trinken in den Körper gelangt.
Die Nanopartikel sind klein genug, um durch die Darmwand in die Blutgefäße zu gelangen. Mit dem Blut werden sie ins Herz und ins Gehirn transportiert und kommen sogar in die Zellen hinein. Alles Plastik, egal wie klein die Partikel sind, ist für unsere Zellen Fremdstoff und nicht bekömmlich, erst recht nicht in großen Mengen. Auch wenn die meisten der Plastikpartikel wieder mit den Nahrungsabfällen ausgeschieden werden, verbleibt der Rest im Körper und lagert sich offenbar in Organen ab.
Wie soll eine mit Plastik „angereicherte“ Zelle reibungslos funktionieren?
Das National Institute of Environmental Health Science gibt zu bedenken, dass die Plastikpartikel auch mit Entwicklungs-, Gehirn-, Immun- und anderen Problemen verbunden seien können. Eines der Probleme ist, dass von Zellen aufgenommenes Mikroplastik bei Zellteilung weitergegeben wird.
Das haben Forscher der MedUni Wien als Ergebnisse einer Studie Anfang März 2024 veröffentlicht, die Auswirkungen der winzigen Kunststoffteilchen auf Krebszellen im menschlichen Magen-Darm-Trakt untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Plastikteilchen deutlich länger in der Zelle verbleiben als bisher angenommen, da diese bei der Zellteilung an die neu gebildete Zelle weitergegeben werden.
Außerdem wurden erste Hinweise dafür entdeckt, dass die Plastikpartikel die Metastasierung von Tumoren fördern könnten. Circa fünf Gramm Plastikpartikel gelangen pro Woche in den Magen-Darm-Trakt – das ist so viel wie eine Kreditkarte.
Kein Ende des Plastikstrudels in Sicht
Während aktuell an den Auswirkungen von Plastik und seiner Partikel auf den menschlichen Körper geforscht wird, findet der Nachschub seinen Weg über die Ozeane: Laut einer WWF-Studie von 2022 hatten sich zu diesem Zeitpunkt 150 Millionen Tonnen Kunststoff in den Ozeanen angereichert. In den nächsten 30 Jahren ist laut der Studie der Umweltorganisation mit einer Verdoppelung des Partikelaufkommens in den Weltmeeren zu rechnen.
Um dem entgegenzuwirken, engagieren sich mittlerweile viele Initiativen wie The Ocean Cleanup. Die gemeinnützige Organisation entwickelt neue Technologien, um den Plastikmüll einzufangen und zu entfernen. Mit langen Meeresreusen will die Organisation in nur ein paar Jahren 90 Prozent des gesamten Kunststoffabfalls aus den Weltmeeren „fischen“.
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