Vom Problemfall zur Wunderschule – Gebrüder-Grimm-Grundschule in Hamm erhält Deutschen Schulpreis
Zu wenig Personal, zu wenig Geld, zu viele Probleme. „Es gab Situationen, in denen mussten wir die Kinder mit der Polizei aus der Schule holen“, beschreibt Schulleiter Frank Wagner die Situation, der er und seine Kollegen noch vor Jahren hilflos ausgesetzt waren.
„Als ich vor zwölf Jahren hier ankam, ging es über Tische und Bänke“, sagte Schulleiter Frank Wagner laut „Zeit“. Ein Junge hätte damals Lehrer und Schüler mit einer mit Plastikkugeln gefüllten Pistole beschossen.
Inzwischen ist es anders. Die Türen im Flur stehen alle offen, auch zum Büro der Schulleitung. Weil nicht genügend Klassenzimmer vorhanden sind, finden manche Kurse sogar im Lehrerzimmer statt.
Spätestens nach dem diese Brennpunktschule in dieser Woche den mit 100.000 Euro dotierten Deutschen Schulpreis erhalten hat, fragen sich viele nach dem Geheimnis des Schulleiters. Denn die Jury spricht von einem „Lern- und Erfahrungsraum mit Wohlfühlaspekt“. Kinder könnten „ihre Basiskompetenzen entwickeln und ihre Talente entwickeln und entfalten“.
Unfassbarer Moment: Deutscher Schulpreis geht an Gebrüder-Grimm-Schule in Hamm und alle rasten aus ? https://t.co/vG98ZfPs8p pic.twitter.com/YM6k8Bguyd
— m∆rt:n (@martinfehrensen) June 6, 2019
Das Problem gehe bei den Erstklässlern los: Einige von den Kindern könnten schon schreiben und lesen. Andere könnten nicht einmal den Stift richtig halten. Doch in der Gebrüder-Grimm-Schule in Hamm haben sich die Leistungen der Grundschüler in den letzten Jahren verbessert. Das ist sogar Schulleiter Wagner „fast unheimlich“.
Die Leistungen der Schüler werden in landesweiten Vergleichsarbeiten bewertet. Im Jahr 2015 kamen nur drei Prozent von den Drittklässlern in die obersten Bewertungen, beim letzten Test waren es plötzlich 34 Prozent. Landesweit erreichten 44 Prozent der dritten Klassen in Nordrhein-Westfalen die beiden obersten Kompetenzstufen, an der Grimmschule lag die Quote bei 80 Prozent.
Das Geheimnis des Erfolges
Damals, als die Verzweiflung am größten war und nichts mehr in der Schule funktionierte, wandte sich Schulleiter Wagner an den Schulrat. Er bat um mehr Geld, mehr Personal, irgendein Rezept. Denn die Kinder lernten nichts mehr. Trotz ständiger Rechtschreibübungen kam bei den Kindern nichts an. Statt die Regeln in den Texten anzuwenden, machten sie nur noch mehr Fehler.
Statt der erforderten Maßnahmen gab der Schulrat Wagner einen Rat. Er sagte:
Sie sind doch selbst am nächsten dran an Ihrer Schule!“
In dem Moment wurde Wagner klar:
Wenn ich etwas ändern will, muss ich es selber machen.“
Er griff auf kein fertiges Konzept eines Schulamtes zurück. Wagner und sein Team fing an auszuprobieren. Sie fragten sich immer dabei: „Was haben unsere Kinder davon, was brauchen sie?“
Die Lehrer sind keine Einzelkämpfer mehr
Seitdem gibt es den Epochenunterricht mit jahrgangsübergreifenden Fragen, praxisnah. Wenn ein Kind sich beispielsweise Knetschleim herstellen möchte, muss es die Gramm-Angaben in den Rezepten zusammenrechnen können. Wer Weltraum-Fragen erforschen wolle, müsse lesen können. Und das alles müsse geübt werden. So wurden die Kinder motiviert und trainiert auf Lesen, Schreiben und Rechnen.
Kinder arbeiten anhand schriftlicher Zielvereinbarungen an ihrem persönlichen Lernplan. Teilweise knobeln sie allein und lösen ihre Aufgaben selbständig. Teilweise gibt es intensiven Unterricht in kleinen Gruppen.
Zudem erhalten die Lehrkräfte Unterstützung durch Heilpädagogen und Erzieher. Statt den üblichen Team-Teachings, bei dem eine Klasse von zwei Lehrern unterrichtet wird, hat der Schulleiter diese Stunden in die Nachmittagsbetreuung der Kinder verlegt. Da die Lehrer nun am Nachmittag mitarbeiten, können die Nachmittagskräfte in den Unterricht einbezogen werden. Damit ist kein Lehrer mehr Einzelkämpfer, alle übernehmen Verantwortung für das einzelne Kind.
Die anderen Mitarbeiter schauen noch mal von einer ganz anderen Warte aus auf die Kinder, die nehmen zum Beispiel das familiäre Umfeld mit in den Blick“, so Wagner.
Diese multiprofessionellen Teams schützen nicht nur vor Belastung, so Maresei Lassek, Vorsitzender des Grundschulverbands. Sie seien oft auch kreativer und mutiger. Das sei gerade wichtig im Hinblick auf Armut, Migration und Digitalisierung – Themen, die „massiv auf die Grundschulen einstürmen und die Bedingungen für den Unterricht verändern“.
Das Brainstorming für neue Ideen gibt es an einer großen Pinnwand im Schulleiterbüro. Ideen von Schülern und Lehrern werden dort auf kleinen Zetteln gesammelt. Ein Teil der Zettel hängt bereits unter der Rubrik „erledigt“.
So gibt es Komplimente-Kärtchen, die sich Lehrer und Schüler aus einem Aufsteller nehmen und verschenken können. Denn in der Grimm-Schule steht Lob an erster Stelle. Das sieht man auch an den Spiegeln im Treppenhaus. Darunter stehen Sätze wie „Schön, dass du da bist“ oder „Du bist etwas ganz Besonderes“. (sua)
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