Verein Tacheles deckt auf: Eigentlich gilt das Arztgeheimnis für alle – außer in Wuppertal bei Hartz-IV-Empfängern
Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im Beruf arbeiten kann, steht oft vor der Frage, wie es weitergehen soll. Seelische und körperliche Erkrankungen treten Forschungen zufolge häufig bei Hartz-IV-Empfängern auf.
Die bit gGmbH ist ein Unternehmen, dass nach eigenen Angaben Menschen den Wiedereinstieg in das Berufsleben ermöglicht. Sie arbeitet in Kooperation mit dem Jobcenter Wuppertal. Um die Leistungsfähigkeit der Langzeitarbeitslosen einzuschätzen, werden die Betroffenen arbeits- und sozialmedizinisch untersucht. Die Ergebnisse unterliegen bis auf wenige Punkte der ärztlichen Schweigepflicht.
Erlaubt ist die Weitergabe der Daten, die dem Leistungsbild des Jobcenters entsprechen – beispielsweise, dass der Hartz-IV-Empfänger „nicht über drei Stunden arbeitsfähig ist“ oder als „vollschichtig erwerbstätig“ eingestuft werden kann.
Verstoß gegen ärztliche Schweigepflicht und Amtsanmaßung
Die bit gGmbH gab jedoch darüber hinaus die genaue ärztliche Diagnose von den Arbeitslosen – etwa „aufgrund von Depressionen“ – an das Jobcenter weiter. Darin liegt ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht und das widerspricht dem Datenschutz. Die genaue Anzahl der Verstöße ist nicht bekannt. Allerdings gab es insgesamt etwa 15.500 Fälle von 2014 bis 2018, in denen die Firma bit gGmbH tätig wurde, wie der Sozialhilfeverein Tacheles e.V. herausfand, so „gegen-hartz“.
Zudem deckte der Verein auf, dass durch die bit gGmbH vermehrt amtsanmaßende Meldeaufforderungen an die Wuppertaler Hartz-IV-Empfängern versandt wurden. Die bit gGmbH drohte ihnen mit Sanktionen. Diese Vorgehensweise war sogar mit dem zuständigen Jobcenter abgestimmt.
Hartz-IV-Empfänger, die an physischen oder psychischen Erkrankungen leiden, werden besonders häufig sanktioniert. Das ergaben auch mehrerer Studien, die durch wissenschaftliche Dienste des Bundestages ausgewertet wurden.
Sozialexperte Harald Thomé vom Verein Tacheles rügte die Amtsanmaßung der bit gGmbH und übergab die Informationen zur fachaufsichtsrechtlichen Prüfung an das Ministerium für Arbeit und Soziales NRW. Das Ministerium erklärte laut „gegen-hartz“:
alle Beteiligten (wurden) darauf hingewiesen, dass die sozialmedizinische Stellungnahme für den Auftraggeber nur die vermittlungs- und beratungsrelevanten Funktionseinschränkungen und sozialmedizinische Beurteilung enthalten darf, welche für die Aufgabenerfüllung der Jobcenter Wuppertal AöR notwendig ist.“
Die Weitergabe der medizinischen Daten war danach rechtswidrig, bestätigt das Ministerium. Die bit gGmbH wird nun einen externen Datenschutzbeauftragen einsetzen, damit es zu keinen weiteren Verstößen kommt. Dem Verein Tacheles reicht das noch nicht. Er möchte das gesamte Ausmaß der Verstöße feststellen. (sua)
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