Wie Saturn: Hatte die Erde früher ein Ringsystem?

21 irdische Meteoritenkrater lassen vermuten, dass unser blauer Planet vor einigen hundert Millionen Jahren ein Ringsystem hatte, wie wir es heute von Jupiter oder Saturn kennen. Die Folgen für das Leben auf der Erde sind weitreichend. Dass die Krater zufällig entstanden sind, ist jedoch weit unwahrscheinlicher als ein Lotto-Sechser.
Wie der Saturn: Hatte die Erde früher ein Ringsystem?
Künstlerische Darstellung der jungen Erde mit einem planetaren Ringsystem.Foto: draco-zlat/iStock
Von 6. Oktober 2024

Staubkörner und Gesteine kreisen um einen Planeten und erscheinen von außen betrachtet wie Ringe: Was nach Saturn, Jupiter oder Neptun klingt, könnte auch auf die Erde zugetroffen haben. Dieser Meinung sind Forscher um Professor Andy Tomkins von der US-amerikanischen Monash University.

Bestätige sich diese Vermutung, würde sie unser Verständnis der Erdgeschichte infrage stellen, so die Forscher. Doch zu welcher Zeit soll die Erde ihr Ringsystem gehabt haben, wie sind sie entstanden und wo sind sie heute? Und wie sind die Forscher zu dieser Theorie gekommen?

Hinweise aus dem All

Die überraschende Hypothese ergibt sich aus plattentektonischen Rekonstruktionen für die Zeit des Ordoviziums vor 466 Millionen Jahren. Zu dieser Zeit soll die Erde ungewöhnlich viele und intensive Meteoriteneinschläge erfahren haben.

Alle bekannten Einschläge aus dieser Zeit befinden sich in einem Umkreis von 30 Grad um den Äquator. Doch wieso lagen die Krater nur in diesem schmalen Bereich und nicht auf den restlichen über 70 Prozent der Erdfläche? Diese Tatsache ließ sich mit keiner der herkömmlichen Theorien erklären und Forscher weltweit rätseln.

Laut Tomkins und Kollegen könnten die Einschläge entstanden sein, nachdem die Erde eine Begegnung mit einem großen Asteroiden hatte – keinen direkten Kontakt, sondern eher eine Fernbeziehung. Dabei könnte der Asteroid die sogenannte Roche-Grenze überschritten haben, eine gedachte physikalische Linie, unterhalb derer Himmelsobjekte aufgrund der Gezeitenkräfte auseinanderbrechen. Seine Trümmer könnten zunächst einen Ring um die Erde gebildet haben und später auf die Erde niedergeregnet sein.

Das Ringsystem entstand an der sogenannten Roche-Grenze. Sobald der Asteroid diese Grenze überschritt, zerbrach er wegen der Gezeitenkräfte in unzählige Trümmerteile. Diese kreisten dann ringförmig um die Erde. Foto: Theresa Knott, Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0

„Im Laufe der Jahrmillionen fiel Material aus diesem Ring allmählich auf die Erde und verursachte die in den geologischen Aufzeichnungen beobachtete Häufung von Meteoriteneinschlägen“, erklärte Prof. Andy Tomkins. „Wir sehen auch, dass Schichten im Sedimentgestein aus dieser Zeit außerordentliche Mengen an Meteoritentrümmern enthalten.“

Eiskalte Folgen für die Erde?

Doch hatte ein derartiges Ringsystem einen Einfluss auf die Erde und wenn ja, welche? „Was diese Entdeckung noch faszinierender macht, sind die möglichen Auswirkungen auf das Erdklima“, so Tomkins.

Zum Beginn des Ordoviziums vor 485 Millionen Jahren war das Klima der Erde sehr warm, mit Meerestemperaturen von bis zu 42 Grad Celsius. Die Ozeane waren von korallenartigen Tieren besiedelt, zwischen denen die bekannten Trilobiten schwammen. Doch recht bald kühlte sich der Planet um fast 20 Grad Celsius ab, bis es am Ende des erdgeschichtlichen Abschnittes – dem Hirnantium – zu einer ausgedehnten Eiszeit und schließlich zum ersten großen Massensterben kam.

Die Erde war im Ordovizium von Trilobiten und skorpionartigen Pentecopterien bewohnt

Lebewesen wie die zwei Meter langen skorpionartigen Pentecopterus starben am Ende des Ordoviziums aus. Foto: Gemeinfrei

Tomkins und seine Kollegen spekulieren, dass der Ring einen Schatten auf die Erde geworfen haben könnte, der das Sonnenlicht blockierte und zur Hirnantium-Vereisung beitrug. Die Eiszeit des Hirnantiums gilt als die kälteste Periode der letzten 500 Millionen Jahre.

„Die Vorstellung, dass ein Ringsystem die globalen Temperaturen beeinflusst haben könnte, fügt unserem Verständnis darüber, wie außerirdische Ereignisse das Klima der Erde beeinflusst haben könnten, eine neue Ebene der Komplexität hinzu“, sagte Tomkins.

Der große Wurf

Normalerweise schlagen Asteroiden an zufälligen Stellen auf der Erde ein, sodass die Einschlagkrater gleichmäßig verteilt sind. Um die Verteilung der Krater nachzuvollziehen, rekonstruierten die Forscher die Lage der Kontinente im Ordovizium und suchten nach Orten, an denen sich Krater aus dieser Zeit befinden könnten.

Eine Untersuchung von 21 ungestörten und erreichbaren Kratern aus dem Ordovizium bestätigte, dass alle früher in der Nähe des Äquators lagen. Diese Regionen umfassen unter anderem Westaustralien, Afrika, Nordamerika sowie kleine Teile Europas und Asiens. Die Krater konzentrieren sich somit auf rund 30 Prozent der möglichen Trefferfläche.

Karte mit den Kratern aus dem Ordovizium, als die Erde ein Ringsystem gehabt haben soll

Alle bekannten Krater aus dem Ordovizium befinden sich in einem Umkreis von 30 Grad um den Äquator (rechts) – dort befanden sich vor 450 Millionen Jahren unter dem alten Kontinent Baltica (links). Foto: Tomkins et al. (2024), doi.org/10.1016/j.epsl.2024.118991 | CC BY 4.0; Collage: kms/Epoch Times

Die Forscher sind sich sicher, dass die Einschläge nicht wie bei gewöhnlichen Asteroiden zufällig entstanden sind. Vielmehr müssen sie das Resultat der niederregnenden Trümmerteile aus dem alten Ringsystem der Erde gewesen sein.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Trefferbild zufällig entstehen könnte, ist etwa so groß wie mit einem Würfel 13-mal hintereinander eine Sechs zu werfen – rund 100-mal seltener als ein Lotto-Sechser mit Superzahl. Ob die Erde tatsächlich einen Ring wie Saturn besaß oder zu anderen Zeitpunkten der Erdgeschichte gar weitere, bleibe dennoch vorerst offen.

Die Studie erschien online am 12. September in der Fachzeitschrift „Earth and Planetary Science Letters“.



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