Mars-Menschen könnten weitgehend unabhängig von der Erde leben – Studie
Am 20. Juli 1969 betrat erstmals ein Mensch eine fremde Welt. Anlässlich seines ersten Schrittes auf dem Mond sprach Neil Armstrong die berühmten Worte: „Es ist ein kleiner Schritt für [einen] Menschen, aber ein gigantischer Sprung für die Menschheit.“
Heute, 55 Jahre später, gibt es zwar noch keinen dauerhaft besiedelten Außenposten der Menschheit auf dem Mond, mit der russischen Raumstation MIR sowie später der Internationalen Raumstation ISS jedoch immerhin im All. Dies könnte sich in den nächsten Jahr(zehnt)en ändern. Der nächste große Sprung soll die Menschheit zurück auf den Mond und weiter auf den Mars bringen.
Diese Missionen sollen Langzeitaufenthalte und astrobiologische Forschung ermöglichen sowie die künftige Erforschung des Sonnensystems erleichtern. Zugleich stellen sowohl Einsatzdauer als auch Entfernungen einige ernsthafte logistische Herausforderungen für nachträgliche Versorgungsmissionen dar. Forscher um Christoph Gross vom Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität Berlin haben eine mögliche Lösung: keine.
„Lieferdienst“ zum Mars zu langsam und zu teuer
Während das Spaceshuttle in der Regel am zweiten Tag seiner Reise die ISS erreicht, schafft es eine Dragon-Kapsel auf Express-Kurs in sechs Stunden. Abgesehen von der nötigten Vorbereitungszeit auf der Erde ist somit selbst für Mondmissionen – Reisezeit drei Tage – eine relativ zeitnahe Erreichbarkeit gewährleistet. Hingegen dauert die Reise zum Mars sechs bis neun Monate.
Aufgrund der Entfernungen und der damit verbunden Kosten sind Versorgungsmissionen für eine künftige Marssiedlung unpraktisch. Laut Gross sei es besser, sich auf lokale Ressourcen zu verlassen. Der Fachausdruck dafür heißt „In-situ-Ressourcennutzung“. Glücklicherweise gebe es auf dem Mars reichlich Möglichkeiten, um Sauerstoff, Treibstoff, Wasser, Erde für den Anbau von Nahrungsmitteln und Baumaterialien herzustellen.
Gross und Kollegen blickten dabei vorrangig auf die Gewinnung von Ressourcen aus mehreren bekannten Lagerstätten hydratisierter Mineralien auf der Marsoberfläche. Die Forscher legten zugleich Schätzungen vor, wie viel Wasser und Mineralien gewonnen und wie diese genutzt werden können.
Aller Anfang ist schwer, aber gemacht
Der vielleicht wichtigste Rohstoff wurde dabei bereits auf dem Mars erfolgreich erzeugt, Sauerstoff. So meldete die NASA am 20. April 2021 die erfolgreiche Umwandlung von atmosphärischem Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff. Theoretisch könnte damit ein irdisches Lebewesen – für sehr kurze Zeit – auf dem Roten Planeten atmen.
„Die hydratisierten Minerale auf dem Mars sind das größte bisher bekannte Wasserreservoir auf dem Mars“, so Gross. Sie bestehen hauptsächlich aus Sulfaten und Schichtsilikaten. Aus Sulfaten lasse sich „relativ leicht Wasser extrahieren, und wie in der Studie beschrieben, können die Mineralien auch als Dünger für die Nahrungsmittelproduktion verwendet werden. Die Schichtsilikate könnten als Baumaterial oder zum Beispiel für Keramik verwendet werden.“
Perspektivisch soll Wasser, aufgespaltet in Sauerstoff und Wasserstoff, nicht nur Luft zum Atmen, sondern auch Raketentreibstoff liefern. Das ist nicht nur für einen möglichen Rückflug interessant, sondern aufgrund der geringeren Schwerkraft auch für Reisen zu weiter entfernten Zielen.
Bis es jedoch soweit ist, sei es sinnvoll, einige robotische Vorläufermissionen zu starten, um Ressourcen zu erkunden, zu bewerten und mit Abbau und Aufbereitung zu beginnen.
„Robotische Vorläufermissionen könnten mit dem Abbau und der Veredelung der Ressourcen beginnen, insbesondere für die Treibstoffproduktion“, so Gross. „Auch der robotergestützte Bau von Habitaten oder die Vorproduktion von Sauerstoff sind zum Beispiel denkbare Projekte.“ Die Verwendung hydratisierter Minerale eröffne dabei äquatoriale Standorte für die Erforschung und den Bau von Lebensräumen, fernab von den eisigen Polkappen.
Die Studie erschien Anfang Juli 2024 in der Fachzeitschrift „Acta Astronautica“.
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