Hyperaktives „stellares Kleinkind“ umkreist seinen Stern in nur acht Tagen

Zu verstehen, wie Planeten entstehen, ist eine der größten Herausforderungen für Wissenschaftler. Man geht derzeit davon aus, dass sich Planeten aus den scheibenförmigen Gas- und Staubwolken bilden, die neugeborene Sterne umgeben. Dieser Prozess wurde – bisher – jedoch noch nie beobachtet.
Künstlerische Darstellung des Planeten AU Mic b und seines jungen Roten Zwergsterns. Das System liegt etwa 32 Lichtjahre entfernt im südlichen Sternbild Mikroskop
Künstlerische Darstellung des Planeten AU Mic b und seines jungen Roten Zwergsterns. Das System liegt etwa 32 Lichtjahre entfernt im südlichen Sternbild Mikroskop.Foto: NASA Goddard Space Flight Center/Chris Smith (USRA)
Von 30. Juni 2020

Mehr als ein Jahrzehnt lang haben Astronomen nach Planeten gesucht, die den Stern „AU Microscopii“ umkreisen. Anhand Daten des Transiting Exoplanet Survey Satellite (TESS) der NASA und des Weltraumteleskops Spitzer entdeckten Wissenschaftler jüngst einen neuen Planeten. Der etwa neptungroße Planet umkreist seinen ebenso jungen Stern in etwas mehr als einer Woche.

Der neue Planet „AU Mic b“ befindet sich 31,9 Lichtjahre entfernt im südlichen Sternbild Mikroskop und wurde in einem in „Nature“ veröffentlichten Artikel beschrieben. Das kurz „AU Mic“ genannte System bietet eine einzigartige Möglichkeit zur Untersuchung der Entstehung, Entwicklung und Wechselwirkung von Planeten und ihren Atmosphären mit ihren Sternen.

„AU Mic ist ein kleiner Stern mit nur etwa 50 Prozent der Masse der Sonne“, sagt Jonathan Gagné, wissenschaftlicher Berater am Planetarium Rio Tinto Alcan. „Diese Sterne haben im Allgemeinen sehr starke Magnetfelder, was sie sehr aktiv macht. Das erklärt zum Teil, warum es fast 15 Jahre dauerte, bis der Exoplanet, genannt AU Mic b, entdeckt wurde. Die zahlreichen Flecken und Eruptionen auf der Oberfläche von AU Mic erschwerten seine Entdeckung, die bereits durch die Anwesenheit der Scheibe erschwert wurde“.

20 Millionen Jahre junges, hyperaktives „stellares Kleinkind“

„AU Mic ist ein junger, naher M-Zwergstern. Er ist von einer riesigen Trümmerscheibe umgeben, in der sich Staubklumpen bewegen. Dank TESS und Spitzer hat er nun einen Planeten mit einer direkten Größenmessung“, sagte Bryson Cale, Doktorand der George Mason University in Virginia.

Koautor Stephen Kane, Professor an der University of California, Riverside, ergänzte, es sei „äußerst selten“ einen so jungen Planeten zu finden. Es ist „ein ‚fehlendes Glied'“. Aufgrund der Umlaufbahn konnten die Forscher sowohl Radius als auch Masse messen. „Wir glauben, dass sich AU Mic b weit vom Stern entfernt gebildet hat und nach innen auf seine derzeitige Umlaufbahn gewandert ist. Das kann passieren, wenn Planeten gravitativ mit einer Gasscheibe oder mit anderen Planeten interagieren“, sagte Thomas Barclay von der University of Maryland und Projektwissenschaftler für TESS am Goddard Space Flight Center der NASA.

„Der rote Zwerg AU Mic ist etwa 150 Mal jünger als unsere Sonne und mit etwa 22 Millionen Jahren ein stellares Kleinkind“, so die Forscher. Neben seinem jungen Alter wiegt der Planet nur etwa ein 60-stel der Erde und umkreist seinen Stern in lediglich achteinhalb Tagen. Nach Angaben der NASA gibt es „nur zwei oder drei“ bekannte Sterne, die sowohl ähnlich nahe gelegen als auch jung sind. Einer davon ist Beta Pictoris, AU Mics unmittelbarer Nachbar, mit zwei Planeten, die jedoch 21 beziehungsweise 3,3 Jahre brauchen, um ihren Stern zu umkreisen.

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„AU Mic b“ vielleicht kein Einzelkind

Wenn ein Planet aus unserer Perspektive vor seinem Stern kreuzt – dem sogenannten Transit – verursacht sein Durchgang einen deutlichen Helligkeitsabfall des Sterns. Regelmäßige Helligkeitsabsenkungen eines Sterns signalisieren die Möglichkeit eines vorbeifliegenden Planeten. Normalerweise braucht es mindestens zwei beobachtete Transite, um die Anwesenheit eines Planeten zu erkennen.

Um diese Schwankungen der Helligkeit zu erkennen, überwacht TESS große Bereiche des Himmels jeweils 27 Tage lang. Danach, wenn sich der Satellit der Erde am nächsten befindet, laden die Wissenschaftler die Daten herunter.

Wie es der Zufall wollte, so die Forscher, fand der zweite Transit während TESS’s Arbeitspause statt. Im Gegenzug erhielten sie die Möglichkeit mit dem inzwischen im Ruhestand befindlichen Spitzer-Weltraumteleskop nach AU Mic b zu schauen. Die NASA-Infrarot-Teleskopanlage (IRTF) und das W. M. Keck-Observatorium auf Maunakea (Hawaii) sowie die Europäische Südsternwarte in Chile bestätigten die Entdeckung.

Anhand der kombinierten Daten konnten die Forscher schließlich die Orbitalperiode von AU Mic b bestätigen. Die Analyse dieser Messungen zeigt zudem, dass der Planet etwa 8 Prozent größer ist als Neptun – und möglicherweise nicht der einzige Planet ist, der diesen Stern umkreist. In den TESS-Daten ist ein weiterer Kandidat für einen Transit zu sehen.

„Dies ist eine aufregende Entdeckung, zumal sich der Planet in einem der bekanntesten jungen Sternensysteme befindet und dem der Erde am zweitnächsten liegt […] AU Mic könnte das Geschenk sein, das uns immer wieder beschenkt“, sagte Astronom Michael Bottom Universität Hawaii (UH).

„Planeten verändern sich wie Menschen, wenn sie reifen. Für Planeten bedeutet dies, dass sich ihre Bahnen bewegen und sich die Zusammensetzung ihrer Atmosphären ändern kann. Einige Planeten bilden sich heiß und kühlen ab, und ähnlich wie Menschen werden sie mit der Zeit kleiner. Aber wir brauchen Beobachtungen, um diese Ideen zu testen. Planeten wie AU Mic b sind eine außergewöhnliche Gelegenheit“, ergänzte UH-Astronomie-Professor Eric Gaidos. Dann fügte er hinzu: „Zufälligerweise stehen dieser Stern und sein Planet vor unserer kosmischen Haustür.“

Weitere Puzzleteile

Als Nächstes wollen die Forscher mehr über die Atmosphäre des neuen Planeten erfahren. Da er sich erst vor kurzem gebildet hat, „verliert er möglicherweise seine Atmosphäre in einem Tempo, das wir sehen können“, sagt TESS-Wissenschaftler Barclay. „Es könnte sogar etwas tropfenförmig erscheinen, da sich der Planet bewegt und einen Teil seiner Atmosphäre hinterlässt. Wir werden also nach ihm suchen.“

Neben der Verlustrate der Atmosphäre können sorgfältige Beobachtungen zudem dazu beitragen, festzustellen, woraus die Atmosphäre des Planeten besteht. Die Bestimmung der Bestandteile der Atmosphäre könnte dem Team wiederum helfen herauszufinden, wo sich der Planet gebildet hat. Denn bestimmte Substanzen können nur in einer bekannten Entfernung vom Stern existieren.

Zu wissen, wo sich der Planet gebildet hat, würde Hinweise darauf geben, wie er sich seit seiner Entstehung bewegt hat. Aber die Arbeit ist nicht einfach. „Die Wanderung der Planeten zu verstehen, ist ein wirklich schwieriges Problem. Eines der lustigsten und frustrierendsten Dinge beim Studium von Sternen ist, dass wir nie zu ihnen gehen können“, sagt Barclay. „Diese Entdeckung ist also nur ein weiteres Puzzleteil bei dem Versuch zu verstehen, was vor sich geht.“

(Mit Material der NASA, der University of California Riverside, der University of Hawaii at Manoa, der University of Montreal und der University of Maryland Baltimore County) 



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