Einsteins Gravitationswellen – noch immer unsichtbar

Weltweiter Aufbau von Messreihen könnte zu Erfolgen führen
Titelbild
LISA auf ihrer zukünftigen Umlaufbahn um die Sonne (ESA/Spektrum)
Von 6. März 2005

Schon seit fast 90 Jahren wartet die wissenschaftliche Welt auf ihren direkten Nachweis, nachdem Albert Einstein 1916 bei einem Vortrag vor der Akademie der Wissenschaften das erste Mal von ihnen gesprochen hatte. Erste Versuche, ihre Existenz experimentell nachzuweisen, machte Joseph Weber mit Hilfe von 1,5 Tonnen schweren Aluminium-Zylindern Ende der 60er Jahre. Leider blieben diese erfolglos.

Schauen wir zurück auf die Anfänge astronomischer Beobachtung mit sichtbarem Licht, als nur einem kleinen Teil des heute erfassbaren elektromagnetischen Spektrums, sind die Fortschritte beachtlich. Heute sehen wir mit Radioteleskopen, quer durch den kosmischen Nebel, direkt in das Zentrum unserer Milchstrasse. Für das menschliche Auge unsichtbare Mikrowellen, Infrarot-, Ultraviolet-, Röntgen- und Gammastrahlen tragen uns verschiedenste Informationen von Gestirnen aus weiter Ferne zu. So vervollständigt sich unser Bild vom Kosmos mit jeder neuen Beobachtungsmethode Stück um Stück.

Heute ist die moderne Wissenschaft der Menschheit kurz davor, Gravitationswellen detektieren zu können. Ein neues Fenster zum All tut sich auf und macht den Blick frei auf ein vollständigeres Bild von unserem Universum.

Kräuselung der Raumzeit

Gravitationswellen entstehen durch beschleunigte Bewegungen sehr massereicher Objekte wie Supernovae (Explosionen von Sternen am Ende ihrer Lebenszeit), Verschmelzungen von superschweren Objekten wie Neutronensternen und Schwarzen Löchern. Ähnlich wie Wellen im Wasser Informationen über die Gestalt eines Bootes zum Ufer tragen können, so tragen uns Gravitationswellen Informationen über die Art ihres Ursprunges zu. Außerdem läuft ihre Ausbreitung relativ verlustfrei ab, so dass selbst Ereignisse aus riesengroßer Entfernung noch registriert werden können. Das ermöglicht es uns, mit Hilfe dieser geheimnisvollen Wellen bis tief in den Kosmos zu blicken.

Die Ausbreitung von Gravitationswellen erfolgt, wie bei elektromagnetischen Wellen, ebenfalls allseitig und mit Lichtgeschwindigkeit. Es handelt sich dabei aber um rhythmische Veränderungen der Struktur des Raumes, also des Raumgerüstes. Für die Zeit in der eine Gravitationswelle das Raumgerüst im Bereich unserer Erde durchläuft, wird die gesamte Erde und alle auf ihr befindlichen Dinge abwechselnd zusammengedrückt und gedehnt. Allerdings sind Gravitationswellen sehr schwer zu messen. Selbst so heftige Ereignisse wie Verschmelzungen von Schwarzen Löchern, können nur sehr geringfügige Kräuselungen der Raumzeit hervorrufen. Auf einer Messstrecke von 3km entsprächen sie nur einer relativen Längenänderung zwischen 10-21 und 10-18 Metern, also dem Bruchteil des Durchmessers eines Protons. Ihr Entdecker, Albert Einstein, selbst hatte kaum Hoffnung, sie je messen zu können. Hulse und Taylor konnten einen indirekten Beweis ihrer Existenz erbringen.

Für einen direkten Nachweis verspricht man sich heute am meisten von der Michelson Interferometrie, als einer äußerst empfindlichen Meßmethode. Dabei werden die winzigen Wellenlängen eines Lasers für Präzisionsmessungen genutzt.

Trennt man mit einem Strahlteiler einen Laserstrahl rechtwinklig auf, und führt die entstandenen Teilstrahlen nach Reflexion wieder zusammen, kann man durch Bewegung von Spiegel2 erreichen, dass sich die Wellenzüge beider Teilstrahlen durch Überlagerung gegenseitig auslöschen. Diese Bedingung kann nur für bestimmte Spiegelpositionen in regelmäßigen Abständen erreicht werden.

Verschiebt man Spiegel2 um die Strecke „x“, bilden die beiden Laserstrahlen ein spezifisches Überlagerungsmuster auf dem Schirm. Von der Form dieses Musters kann man wiederum auf die Größe von Strecke „x“ schließen. Würde nun eine Gravitationswelle die Messanordnung durchlaufen und sie periodisch strecken, bzw. stauchen, so hätte das den gleichen Effekt, als wenn wir beide Spiegel hin und her verschieben würden. Vom Überlagerungsmuster kann auf das Maß der Stauchung geschlossen werden.

LISA soll die Sonne umkreisen

Um mit dieser Methode tatsächlich Gravitationswellen nachweisen zu können, werden an die verwendeten Optiken und Laser allerhöchste Ansprüche gestellt. Um Störungen durch Verunreinigungen zu vermeiden wird der gesamte Strahlweg unter Hochvakuum gesetzt. Die Spiegel sind so befestigt, dass sie von äußeren Störquellen, wie von durch Straßenverkehr verursachten Vibrationen, weitestgehend abgeschirmt sind. Sonst könnte selbst die Meeresbrandung der Nordsee die Messergebnisse von GEO600, der deutsch-englischen Messeinrichtung in der Nähe von Hannover, verfälschen. Außerdem werden große Armlängen (Strecke zwischen den Spiegeln und dem Strahlteiler) benötigt. Dadurch nimmt die messbare relative Längenänderung zu, was die Messempfindlichkeit der Anlage erhöht.

GEO600 ist mit 600m Armlänge eine der kleinsten Anlagen, hat aber eine besondere Optik zur Signalverstärkung. Drei Einrichtungen mit dem Namen LIGO und Armlängen von maximal 4 km wurden in den USA gebaut. TAMA in Japan streckt seine Arme 300m weit aus und VIRGO in Italien 3km. AIGO, eine australische Anlage, ist noch im Bau befindlich.

Damit Gravitationswellen sicher detektiert werden können, ist allerdings der gleichzeitige Betrieb wenigstens zweier dieser Anlagen nötig. Für eine Richtungsbestimmung müssen die Daten von mindestens vier Detektoren verglichen werden. Außerdem kennen die Wissenschaftler schon die Positionen von vielen kontinuierlich strahlenden Quellen von Gravitationswellen und haben mit Computern bereits die Form und Stärke des von ihnen ausgestrahlten Wellenfeldes im Voraus berechnet. Diese errechneten Daten können mit den durch die Messungen gewonnenen Informationen verglichen werden.

Neben den oben beschriebenen Messeinrichtungen gibt es verschiedene Anlagen, die auf der Idee von Joseph Weber gründen. Seine Messanordnung wurde weiter perfektioniert. Heute stehen in der ganzen Welt verschiedene hochpräzise, vibrationsgedämpfte und tiefgekühlte Messaufbauten – sogar in Kugelform, um eine Richtungsbestimmung möglich zu machen.

Das größte derzeitige Unternehmen ist das von der NASA und ESA gemeinsam geführte Projekt LISA. Vom Aufbau entspricht LISA einem Michelson Interferometer mit drei 5 Millionen Kilometer langen Armen. Seine Satelliten sollen in eine Sonnenumlaufbahn gebracht werden, um im Schlepptau der Erde ein gleichschenkliges, sich drehendes Dreieck zu bilden (Start vorrausichtlich 2012).

In Zukunft soll ein Netzwerk aller Stationen betrieben werden. LISA wird dann mit allen großen Bodenstationen zusammen auf die Jagd nach Gravitationswellen gehen.



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