Einschlag unwahrscheinlich: Asteroid wird die Erde „nah oder sehr nah“ passieren
Eine gewaltige Explosion, hundertmal größer als die der Hiroshima-Bombe, die alles im Umkreis von mehreren Kilometern vernichtet, könnte Realität werden, wenn der jüngst entdeckte Asteroid 2024 YR4 – bislang nur als winziger Lichtpunkt im Teleskop zu erkennen – mit der Erde zusammenstößt. Von „einer der höchsten Wahrscheinlichkeiten“ einer Kollision ist die Rede. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass der Asteroid an der Erde vorbeizieht.
Einschlag könnte Paris, London, New York auslöschen
Der erdnahe Asteroid wurde erstmals am 27. Dezember 2024 mit dem ATLAS-Teleskop in Río Hurtado, Chile, gesichtet, teilte die Europäische Raumfahrtbehörde (ESA) mit. ATLAS bezeichnet das „Letzte Alarmsystem für Asteroiden mit terrestrischem Einschlag“ und soll Himmelsobjekte Wochen bis Tage vor einem Einschlag auf der Erde aufspüren. Die Vorwarnzeit für 2024 YR4 ist indes deutlich länger. Kurz nach seiner Entdeckung stellten automatische Asteroidenwarnsysteme fest, dass das Objekt eine „sehr geringe Chance“ hat, am 22. Dezember 2032 auf die Erde zu treffen.
Ein Asteroid dieser Größe schlägt im Durchschnitt alle paar tausend Jahre auf der Erde ein und könnte in einer lokalen Region schwere Schäden verursachen. Daher steht das Objekt ganz oben auf der Asteroidenrisikoliste der ESA.
Bruce Betts, Chefwissenschaftler der Internationalen Planetarischen Gesellschaft, sagte: „Wenn ein Asteroid wie 2024 YR4 über Paris, London oder New York explodieren würde, wären Stadt und ein Teil der Umgebung ausgelöscht.“ Vergleichbar wäre solch ein Einschlag mit dem Tunguska-Ereignis 2008, als ein 30 bis 50 Meter großer Asteroid über Sibirien explodierte und 2.000 Quadratkilometern Wald vernichtete. Die Fläche entspricht knapp der des Saarlandes.
Asteroidenbahn erschwert Beobachtung
Seit Anfang Januar führen Astronomen mit Teleskopen auf der ganzen Welt vorrangige Folgebeobachtungen durch und nutzen die neuen Daten, um die Größe und Flugbahn des Asteroiden besser zu verstehen. Die exzentrische Umlaufbahn des Asteroiden erschwert dies erheblich. Er ist derzeit etwa 27 Millionen Kilometer von der Erde weg und entfernt sich fast geradlinig, sodass die Bestimmung seiner genauen Flugbahn schwierig ist. Ein Einschlaggebiet über dem östlichen Pazifik, im Norden Südamerikas, über dem Atlantik, in Afrika, über dem Arabischen Meer oder in Südasien wurde nicht ausgeschlossen.
Ende Januar schätzten die europäischen Astronomen die Wahrscheinlichkeit, dass 2024 YR4 fast auf den Tag genau acht Jahre nach seiner Entdeckung auf der Erde einschlagen könnte, auf 1,2 Prozent. Dabei handele es sich um „eine der höchsten Wahrscheinlichkeiten für einen Einschlag eines Gesteinsbrockens von bedeutender Größe, die es je gab“, ordnet David Rankin vom Teleskopsystem Catalina Sky Survey auf Bluesky die Daten ein. Diese umfassten allerdings nur einen winzigen Zeitraum der Erdgeschichte.
Wie die ESA weiter mitteilte, werde der Asteroid in den nächsten Monaten allmählich aus dem Blickfeld der Erde verschwinden. Um dennoch so viele Daten wie möglich zu sammeln, koordiniere man die Beobachtung des Asteroiden mit immer leistungsfähigeren Teleskopen bis zum Einsatz des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile.
Es ist dennoch möglich, so die ESA weiter, dass 2024 YR4 aus dem Blickfeld verschwindet, bevor wir die Möglichkeit eines Einschlags im Jahr 2032 vollständig ausschließen können. In diesem Fall werde der Asteroid wahrscheinlich auf der ESA-Risikoliste verbleiben, bis er im Jahr 2028 wieder beobachtet werden kann.
Folgenschwer, aber unwahrscheinlich
Die amerikanischen Astronomen machten über einen Zeitraum von rund 50 Tagen bereits 300 Beobachtungen, wobei sie laufend Orbitveränderungen, Kollisionsbahnkorrekturen, Mindestabstand zum Geozentrum, Aufprallwahrscheinlichkeit, Aufprallenergie, Wahrscheinlichkeit einer Kollision bestimmten.
Der Asteroid ist nunmehr auf der sogenannten Turiner Skala in Klasse 3 von 10 eingestuft: eine nahe Begegnung, die die Aufmerksamkeit von Astronomen und der Öffentlichkeit verdient. Mehr als Klasse 4 wurde bislang nicht vergeben – auch dieser Himmelskörper wurde inzwischen in Klasse 0 zurückgestuft. Das ist nicht ungewöhnlich. Die Wahrscheinlichkeit des Einschlags eines Asteroiden steigt nach der Entdeckung häufig schnell an, um nach weiteren Beobachtungen meist ebenso schnell auf null zu sinken.
Der Leiter der Asteroidenabwehr der ESA, Richard Moissl, bestätigt diese Einschätzung: 2024 YR4 sei kein sogenannter Planetenkiller, der das Leben auf der Erde auslöschen könnte. „Es ist kein Grund zur Beunruhigung“, so der Wissenschaftler. Mit anderen Worten, das zunächst angenommene und von vielen Medien verbreitete Risiko einer Kollision mit 2024 YR4 besteht nicht. Weiter sagte Moissl:
Wir gehen davon aus, dass es ein naher oder auch sehr erdnaher Vorbeiflug wird.“
Ähnlich sieht es Kelly Fast bei der NASA zuständig für den Schutz vor Asteroiden: „Man bekommt häufig Beobachtungen von Himmelskörpern, die dann wieder verschwinden. Der Asteroid 2024 YR4 sah zunächst aus, als wäre er ein Risiko.“
Und wenn doch …?
Die Geschichte zeigt, dass eine Kollision der Erde mit einem Asteroiden nicht grundsätzlich auszuschließen ist. Im August 2020 verfehlte uns ein 50-Tonnen-Asteroid um Haaresbreite, als er im bisher geringsten Abstand von nur 3.000 Kilometern an der Erde vorbeiflog. Zum Vergleich: Der Mond ist knapp 400.000 Kilometer von der Erde entfernt.
Mit etwas mehr Luft – im Abstand von etwa 32.000 Kilometer – wird der 2004 entdeckte und nach dem ägyptischen Gott des Chaos benannte Asteroid Apophis mit einem Durchmesser von 350 Meter die Erde im April 2029 passieren. Er galt als Bedrohung für die Erde. Inzwischen wird ausgeschlossen, dass Apophis in den nächsten 100 Jahren mit unserem Planeten kollidiert. Er wurde nach der Turiner Skala zuerst in Klasse 4, aber bereits 2009 in Klasse 0 eingestuft.
Es ist davon auszugehen, dass der Vorbeiflug von 2024 YR4 im Jahr 2032 jenem von Apophis drei Jahre zuvor ähneln werde. Sollte sich im Laufe der kommenden Jahre dennoch ein Risiko durch 2004 YR4 einstellen, wäre noch genügend Zeit, um sich darauf vorzubereiten: 2028 tritt er wieder ins Sichtfeld der Astronomen ein, bevor er sich 2029 das nächste Mal der Erde nähere.
Unabhängig davon arbeiten Wissenschaftler seit Jahren an einer planetaren Verteidigung, erläuterte der Astronom Andrew Rivkin, Johns-Hopkins-Universität, ein Mitglied der NASA-Mission zur Änderung der Flugbahn gefährlicher Asteroiden. Dies wurde bislang nicht gebraucht, aber erfolgreich getestet:
Dass das Prinzip sogenannter Stoßsonden zur Abwehr gefährlicher Objekte aus dem Weltall funktioniert, bewies 2022 die NASA im Rahmen ihres Asteroidenschutzprogramms AIDA. Dabei gelang es, den erdnahen Doppelasteroiden Didymos durch den gezielten Aufschlag der 500 Kilogramm schweren NASA-Sonde DART auf seinen Begleiter Dimorphos (etwa 150 Meter Durchmesser) abzulenken, sodass Dimorphos einen möglichen Kollisionskurs zur Erde verließ.
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