Weltweite Lebensmittelknappheit
Als die ersten Symptome der weltweiten Nahrungsmittelknappheit spürbar wurden, schlugen einige Fachleute Alarm: jetzt müssten Veränderungen vorgenommen werden, wenn die Welt eine mögliche Katastrophe vermeiden wolle. Dass die Lebensmittel immer knapper werden, ist inzwischen unschwer zu erkennen. Ein kurzer Blick nach Westafrika zeigt, wie die Preise für Getreide und Soja in die Höhe schnellen – trotz einer guten Ernte im letzten Jahr. Der Weltmarktpreis für Getreide hat sich seit 2007 verdoppelt.
Aber auch in den reicheren Ländern ist das Problem spürbar. In Kanada beispielsweise schnellten die Brotpreise nach oben. Mehl hat im Vergleich zum letzten Sommer fast den doppelten Wert ereicht. Der Preis für Reis stieg in Kanada im vergangenen Jahr um 100 Prozent, und Teigwaren verteuerten sich um 25 Prozent.
In Italien gab es Demonstrationen wegen der steigenden Nudelpreise. Fast 70.000 Menschen protestierten auf den Straßen von Mexiko gegen die im Januar sprunghaft gestiegenen Preise für Tortillas.
In einigen ärmeren Ländern führten Nahrungsmittelknappheit und steigende Preise zu Aufständen. Das UN-Welternährungsprogramm rief vor kurzem die Geberländer dazu auf, ihre Beiträge zu erhöhen und warnte davor, dass ein weltweiter plötzlicher Preisanstieg für Lebensmittel zu Unruhen führen könnte. Anfang April kamen in Haiti laut UN vier Menschen bei Aufständen wegen knapper Lebensmittel ums Leben. In den vergangenen Wochen gab es Unruhen in Burkina Faso, Kamerun, Ägypten, Indonesien, der Elfenbeinküste, Mauretanien, Mosambik und im Senegal.
Globale Getreidevorräte reichen nur 53 Tage
Die weltweite Versorgung mit Getreide ist auf den niedrigsten Stand seit 40 Jahren gesunken. Die globalen Vorräte an Getreide wären nach etwa 53 Tagen erschöpft, wenn heute die Produktion eingestellt würde. „In Nordamerika konnte man als erstes [höhere] Lebensmittelpreise feststellen,“ sagte die amerikanische Wissenschaftlerin Laura Carlsen, die derzeit im Rahmen des Amerika-Programms des Zentrums für internationale Politik (CIP) in Mexico-City tätig ist. Carlsen hat die Tortilla-Krise erforscht, die auf Mexico-City übergriff, nachdem die Kosten für Grundnahrungsmittel im Januar um 50 Prozent angestiegen waren.
„Das ist für Mexico-City wirklich sehr bedeutsam, weil es die Ernährungsgrundlage vieler Menschen ist“, sagte sie. Ihre Forschungen bestätigen, was auch andere als den Hauptgrund für die steigenden Lebensmittelpreise ansehen: Hamsterkäufe.
Konzerne kontrollieren die Produktionskette
In Mexiko und den meisten anderen Ländern kontrolliert eine Handvoll internationaler Konzerne mehr und mehr den gesamten Bereich der Nahrungsmittelproduktion – vom Anbau über den Einkauf von den Farmern bis zur Lagerung, Verarbeitung und Verteilung. Carlsen sagte, dass Untersuchungen der Tortilla-Krise zu dem Ergebnis kamen, dass die Einlagerung riesiger Getreidemengen in Vorratslagern zu einem Einbruch in der Versorgung und zu einem starken Preisanstieg geführt hätten.
Das Problem ist jedoch nicht auf Mexiko beschränkt. Die Methoden der Händler und einiger Agrarwirtschafts-Giganten sind einer der Hauptgründe für die Lebensmittelunsicherheit. „Sie schaffen es, die Preise durch Horten oder andere Mechanismen zu kontrollieren, die die Preisgestaltung auf dem Binnenmarkt manipulieren“, erklärte Carlsen. Getreidehändler und örtliche Vermittler kaufen große Mengen an Getreide auf und lagern es, weil sie davon ausgehen, dass der Preis in der Zukunft ansteigen wird. Diese Spekulation verursacht eine künstliche Knappheit, die zwangsläufig zu einem Preisanstieg führt.
Reisknappheit und galoppierende Preise
Auf den Philippinen, die zur Zeit unter einer extremen Reisknappheit und galoppierenden Preisen leiden, hat die Regierung Polizei und Militär eingesetzt, um gegen die Reisaufkäufer vorzugehen. Hamsterkäufe können durch eine örtliche Dürre oder klimatische Faktoren ausgelöst werden, die zu einer Knappheit führen. Händler kaufen die für die Versorgung notwendige Menge auf, weil sie wissen, dass die Preise steigen werden. „Das verschlimmert die Situation noch“, sagte Carlsen. Es ist eine Praxis, die in Afrika zu Hungersnöten oder woanders zu künstlich erhöhten Preisen führt.
Aber Handelspraktiken sind nur einer der Faktoren, die im Verdacht stehen die Lebensmittelpreise nach oben zu treiben. Ein weiterer ist die zunehmende Verwendung von Biokraftstoffen. Biodiesel und Ethanol wurden als ökologische Alternative zu Erdöl bejubelt und als Möglichkeit, die Abhängigkeit des Westens vom Mittleren Osten zu durchbrechen.
Fazit ist, Zucker, Getreide und andere Feldfrüchte werden auf zwei vollkommen verschiedenen Märkten nachgefragt – einem, der Menschen ernährt und einem, der Fahrzeuge mit Treibstoff versorgt.
Die kanadische Regierung sprang wie die vieler anderer Länder auch auf diesen Zug auf: Im vorigen Dezember kündigte Agrarminister Gerry Ritz eine Investition von 1,5 Milliarden Dollar im Bereich der Biokraftstoffproduktion an. Die Investitionen zielen darauf ab die Produktion von Biokraftstoffen, die als Antwort auf den Klimawandel übermäßig angepriesen wurde, auf drei Milliarden Liter pro Jahr bis 2012 ansteigen zu lassen.
Biokraftstoffe versprechen einen expandierenden Markt für kanadisches Getreide und einen Boom für unterbezahlte Farmer, aber der umfassende Eingriff in die Umwelt ist fraglich, sagte Pat Mooney, Geschäftsführer der ETC-group, (setzt sich ein für nachhaltige Entwicklung, soziale und ökologische Vielfalt und Menschenrechte) und Empfänger des Right Livelihood-Preises und der Pearson Medal of Peace. Mooney sagte, dass Biokraftstoffe eine grüne Lösung für die Energieprobleme der Welt wären, sei „sachlich nicht korrekt. Sie sind auf keinen Fall eine Lösung für die globale Erwärmung“, sagte er.
Seiner Meinung nach dauert es etwa 100 Jahre, das Kohlendioxid auszugleichen, das freigesetzt wird, wenn Waldflächen zum Anbau landwirtschaftlicher Nutzpflanzen abgeholzt werden. Neben der Reduzierung der ökologischen Vielfalt benötigen Monokulturen wie Getreide – werden sie zur Treibstoffgewinnung angebaut – riesige Mengen an Stickstoffdünger. Die Herstellung von Stickstoff erfordert wiederum riesige Mengen an Erdgas. Außerdem brauche man, meint Mooney, schätzungsweise 1.000 Liter Frischwasser für die Herstellung von einem Liter Biokraftstoff.
Während die Umweltverträglichkeit von Biokraftstoffen umstritten ist, trifft dies aber nicht auf seine Auswirkung auf die weltweite Versorgung mit Lebensmitteln zu. Die gestiegene Nachfrage treibt den Preis für Getreide nach oben, während sie die auf dem Lebensmittelmarkt zur Verfügung stehende Menge verringert. „Der Markt bindet jetzt den Preis für einen Scheffel Getreide an den Preis für ein Barrel Rohöl, und wenn er das tut, bedeutet das, dass arme Menschen benachteiligt werden“, sagte Mooney. „Es geht nicht darum, fossile Brennstoffe durch Getreide zu ersetzen, sondern darum, unseren Energieverbrauch zu senken. Das sollten wir dringend tun.“
Außer den Fahrzeugen tragen auch die Rinder immer mehr zur Verringerung der Getreidevorräte bei. Das Wirtschaftswachstum in Asien führt dazu, dass die Menschen nach hochwertigerem Protein nachfragen. Laut Mooney isst die wachsende Mittelklasse mehr Fleisch, und deshalb bräuchten die Viehzüchter mehr Futter. Verschiedene Quellen gehen davon aus, dass man etwa 1,3 bis 8 Kilogramm Getreide (je nachdem ob das Vieh mit Getreide gefüttert wird oder Gras) braucht, um ein Kilo Rindfleisch zu produzieren. Mehr Rindfleisch bedeutet also viel weniger Getreide.
Misswirtschaft, Marktkräfte und Klimawandel
Während die meisten Faktoren, die sich neuerdings auf die weltweite Getreideversorgung auswirken, durch Misswirtschaft oder durch die Marktkräfte verursacht werden, gibt es noch einen weiteren Faktor, der eine immer größere Rolle spielt – und es noch schwieriger macht, die Zukunft zu verbessern. „Die am Horizont auftauchende Bedrohung ist der Klimawandel“, sagte Carlsen, und Mooney stimmte ihr zu.
Trockenheit, Verwüstung und unberechenbares Wetter sorgen für eine bedrohlich zunehmende Unsicherheit im Bereich der weltweiten Lebensmittelversorgung. „Es gibt eine Neigung zu glauben, es gebe für jedes soziale Problem eine technologische Lösung“, sagte Mooney. „Es gibt keine technologische Lösung für den Klimawandel oder steigende Nahrungsmittelpreise. Die Lösung besteht vielmehr darin, Verantwortung für unseren eigenen Verbrauch zu übernehmen.“
Mooney sagte, dauerhafte Lösungen für die weltweite Nahrungsmittelkrise hingen weitgehend von der Bevölkerung der entwickelten Länder ab und davon wie die Menschen ihr Alltagsleben führten. Lösungen können von weniger Fleischverbrauch bis zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel reichen.
Örtliche Kleinbauern unterstützen
Carlsen wies außerdem auf die Bedeutung örtlicher Kleinbauern hin, die den Menschen den Großteil ihrer Nahrungsmittel liefern. Wenn diese Menschen ihr Land verlieren, weil sie mit großen Agrarunternehmen konkurrieren müssen, wird die Lage im Bereich der Lebensmittelversorgung unsicherer.
Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 17/08
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