Tomaten wachsen mit Sonne und Bioenergie

Biogasanlage und Holzheizkraftanlage versorgen Gewächshaus mit Wärme und CO2
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Unterglas-Gartenbau und Biogasanlagen, die sich in räumlicher Nähe zueinander befinden, können hervorragend voneinander profitieren: Der Betreiber der Biogasanlage findet einen Käufer für die Abwärme aus der Anlage und der Gärtner kann diese Wärme zu einem günstigen Preis beziehen. So geschehen im schleswig-holsteinischen Hennstedt; hier wurden ein sechs-ha-Gewächshaus und eine Biogasanlage Ende 2006 in direkter Nachbarschaft zueinander gebaut. Die Biokraft Hennstedt GmbH liefert neben der Biogas-Abwärme zusätzlich Wärme aus einem Holzkessel und CO2 an die Gärtnerei; der Holzkessel treibt zudem einen ORC-Prozess zur Stromerzeugung an.Foto: FNR

Der Wärmebedarf eines Gewächshauses wird in der Regel aus fossilen Quellen gedeckt. Nicht so in Hennstedt in Dithmarschen: Hier sollen die Tomaten eines Gemüseanbaubetriebes ab Dezember 2005 mit Wärme und Kohlendioxid aus Biomasse wachsen. Eine neuartige Kombination aus einer Biogasanlage mit nachgeschaltetem Blockheizkraftwerk und einem Holzheizkraftwerk mit innovativer Organic-Rankine-Cycle(ORC)-Technik macht’s möglich. Gefördert wird das Projekt vom Bundeslandwirtschaftsministerium, der EU und dem Land Schleswig-Holstein.

„Schon 2000 hatten wir erstmals die Idee zum gemeinsamen Betrieb einer Biogasanlage“, berichtet Klaus Hinrichs, Landwirt und Geschäftsführer der Biokraft Hennstedt GmbH. Auf seinem Hof im so genannten Milchgürtel Dithmarschens fällt, genau wie bei seinen Nachbarn, jedes Jahr tonnenweise Gülle aus der Milchviehhaltung an. Daraus lässt sich in einer Biogasanlage mit nachgeschaltetem Blockheizkraftwerk (BHKW) Wärme und Strom erzeugen. Der Strom kann in das öffentliche Netz eingespeist und zu im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgeschriebenen Tarifen vergütet werden.

Mehr als 2.500 Biogasanlagen mit rund 450 MW installierter Leistung gibt es bereits in Deutschland, die inzwischen längst Stand der Technik sind. Die Anlagen haben in der Regel einen Gesamt-Wirkungsgrad von 90 %; etwa 35 % der eingesetzten Energie wird in Strom und 55 % in Wärme umgewandelt. Mit der EEG-Vergütung rechnen sich schon Anlagen, die nur den produzierten Strom einspeisen, ohne die Wärme abzusetzen. Wirtschaftlicher ist es aber, wenn der Betreiber auch einen Abnehmer für die Wärme findet.

Die Hennstedter Bauern suchten eine Weile vergeblich danach, bis sie schließlich einen idealen Partner fanden: Ein Glückstädter Gemüseanbaubetrieb zeigte nicht nur Interesse, sondern meldete sogar einen noch größeren Wärmebedarf für ein geplantes 6-Hektar-Gewächshaus an. Die Gärtnerei sicherte vertraglich zu, das Gewächshaus dann in unmittelbarer Nachbarschaft zu bauen, wenn die Energieversorgung realisiert wird. Die Landwirte der Biokraft Hennstedt GmbH erweiterten daraufhin ihre Planungen um einen Holzkessel. Dieser soll neben der zusätzlichen Wärme auch Strom über einen sogenannten Organic-Rankine-Cycle-Prozess produzieren: Eine Dampfturbine arbeitet als Wärmeträger mit Silikonöl; das bereits bei niedrigeren Temperaturen und Drücken Energie übertragen kann als Wasser. Als drittes Element ist die Auskopplung von Kohlendioxid aus den BHKW-Abgasen vorgesehen. Dieses soll als ‚Pflanzennahrung‘ in das Gewächshaus eingeleitet werden, denn im modernen Gemüseanbau wird mit einem gesteigerten CO2-Druck das Wachstum der Pflanzen beschleunigt. Es handelt sich somit um einen, zumindest idealtypisch, geschlossenen CO2-Kreislauf: Bei der Verbrennung des Biogases wird soviel CO2 frei, wie das Grünfutter für die gülleproduzierenden Kühe beim Wachstum vorher eingebunden hat. Dieses CO2 nehmen die Gewächshaus-Tomaten auf. Der Mensch, der die Tomaten isst, veratmet schließlich das CO2 in die Atmosphäre, womit wieder neue Grünpflanzen wachsen können und der Prozess von vorne beginnt.

Somit sind nun alle Voraussetzungen gegeben, dass die Hennstedter Tomaten mit der Kraft der Sonne und der Wärme und dem Kohlendioxid aus Biomasse wachsen können, und das sogar zu günstigeren Preisen, als bei einer Versorgung mit fossilen Energieträgern. Dies liegt zum einen an den gestiegenen Heizöl- und Erdgaspreisen, zum anderen an den günstigen Rohstoffen: Neben Waldrestholz wird in dem Holzkessel das in Dithmarschen reichlich vorhandene Holz aus der Pflege der landestypischen Knicks eingesetzt. Knicks sind Wallhecken, die in Nordwest-Deutschland als Begrenzung und Windschutz zwischen den Feldern dienen. Die Biogasanlage befüllen die ortsansässigen Bauern neben der Gülle auch mit Mais- und Grassilage. Insgesamt werden pro Jahr gut 115.000 Tonnen Ausgangsstoffe benötigt.

Doch nicht nur die Rohstoffversorgung ist dezentral gesichert, sondern auch die Finanzierung wurde vor Ort auf die Beine gestellt. Rund 90 Anleger beteiligten sich mit insgesamt 1,5 Millionen Euro Eigenkapital an der 13,2 Millionen Euro-Investition. „Dabei sind neben den Landwirten, die die Rohstoffe anliefern, auch Bürger aus der Region, die das Projekt unterstützen wollen“, freut sich Hinrichs. Gründe dafür gebe es viele, meint er: „Die Bioenergie stärkt unsere strukturschwache Region, bringt den Landwirten ein zusätzliches Einkommen und unterstützt die Nutzung einheimischer Energieträger.“ Dies sowie die Punkte Klimaschutz und nicht zuletzt die Förderung des Unterglas-Gemüseanbaus hierzulande haben auch das Land Schleswig-Holstein überzeugt, das das Projekt bezuschusst. Weitere Fördermittel kamen von der EU und dem Bundeslandwirtschaftsministerium, das rund eine Million Euro über seinen Projektträger, die Fachagentur nachwachsende Rohstoffe (FNR) bereitstellte. „Für uns war vor allem die Evaluation einer neuen Technik und der komplexe Ansatz der entscheidende Aspekt. Mit einem derartigen Projekt werden Möglichkeiten der zusätzlichen Wertschöpfung im ländlichen Raum aufgezeigt,“ erklärt Dr. Andreas Schütte, Geschäftsführer der FNR.

Nicole Paul

http://www.fnr.de

Grafik unter http://www.fnr-server.de/cms35/index.php?id=1199



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