Schwimmen im Abwasser: Britische Gewässer verleiden Urlaubsfreude
Zum Urlaubsende in Großbritannien fühlen sich viele Menschen wortwörtlich „beschissen“. Als sie mit ihrer Tochter im Meer war, sei Kot an ihnen vorbeigeschwommen, erzählte Sian Young aus dem südenglischen Strandort Littlehampton der Zeitung „i“.
So wie der 47-Jährigen erging es vielen Badegästen. Etliche Strände zwischen Cornwall und Essex entlang des Ärmelkanals wurden wegen Verschmutzung geschlossen, aber auch Badeorte an Nordsee und Irischer See sind betroffen. Denn an zahlreiche Stellen strömen ungeklärte Abwässer ins Meer, aber auch in Seen und Flüsse.
Es geht um Abermilliarden Liter. Zwischen 2016 und 2021 ist die Menge beinahe um das Dreißigfache gestiegen, wie Daten der Umweltbehörde Environment Agency zeigen.
Dass zuletzt so viel Unrat ins Meer floss, liegt am britischen System. Regenwasser und Abwässer werden in denselben Rohren zu den Kläranlagen geleitet. Bei starken Regenfällen ist die Kapazität aber zum Teil nicht ausreichend. Das könnte zum Überlaufen von Klärwerken und damit zu Überflutungen von Häusern und Straßen führen. Deshalb darf gelegentlich überschüssiges Abwasser direkt in das Meer und die Flüsse geleitet werden – dies nutzten zuletzt etliche Kläranlagen.
Warnung vor Baden
Das Problem: Zahlreiche Anlagen, die die Einleitung von Abwässern überwachen sollen, funktionieren nicht oder sind gar nicht wie vorgesehen installiert. Rund ein Viertel aller Abwässer sei im vergangenen Jahr unüberwacht eingeleitet worden, wie eine Auswertung der oppositionellen Liberaldemokraten ergab. „Dies ist ein nationaler Skandal, und diese neuen Zahlen stinken nach Vertuschung“, schimpfte der umweltpolitische Sprecher der Partei, Tim Farron.
Die britische Regierung selbst warnt, Schwimmen im offenen Wasser könne das Risiko von Magen-Darm-Erkrankungen erhöhen sowie Atemwegs-, Haut-, Ohr- und Augeninfektionen verursachen. Auch Meeresfrüchte können ungenießbar werden. So fließen Abwässer auch in Gebiete, in denen Schalentiere gefischt werden. Im südostenglischen Whitstable wurde die Austernernte eingestellt, da nach dem Verzehr Norovirus-Symptome auftraten.
Kurz vor dem Wechsel in der Downing Street ist die Regierung gelähmt, der scheidende Premierminister Boris Johnson will keine grundsätzlichen Entscheidungen mehr treffen. Johnsons Konservative Partei wird von vielen Kritikern als Hauptschuldiger ausgemacht. Denn die Fraktion verweigerte im Herbst 2021 eine Änderung des Umweltgesetzes, die Wasserunternehmen gesetzlich dazu verpflichtet hätte, kein Abwasser mehr in Flüsse zu pumpen. Die Favoritin auf Johnsons Nachfolge, Liz Truss, strich als Umweltministerin einst Millionen Pfund, die für den Kampf gegen Wasserverschmutzung eingeplant waren, wie die Zeitung „Guardian“ berichtete.
Regierung und Abwasserunternehmen machen geltend, dass ausreichende Schutzmechanismen in Kraft seien. Einem Bericht der Environment Agency und der Aufsichtsbehörde Ofwat zufolge würde die vollständige Trennung von Abwasser- und Regenwassersystemen zwischen 350 und 600 Milliarden Pfund kosten und die Nebenkosten um bis zu 1.000 Pfund im Jahr pro Haushalt erhöhen. (dpa/red)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion