Kanzlerin Merkel will Fahrverbote bei „geringfügigen“ Grenzwertüberschreitungen abwenden
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will die Hürden für Fahrverbote in deutschen Städten gesetzlich erhöhen – und hat damit scharfe Kritik von Umweltverbänden auf sich gezogen. Merkel sagte am Sonntagabend, nach Ansicht der CDU seien Fahrverbote bei einer nur geringfügigen Überschreitung der EU-Grenzwerte „nicht verhältnismäßig“. Deshalb wolle ihre Partei die Gesetze so ändern, dass Fahrverbote in solchen Fällen als unverhältnismäßig eingestuft würden.
Nach Angaben der CDU wird der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) in 51 Städten nur „sehr geringfügig“ überschritten. Dazu gehörten „auch die Großräume Frankfurt und Berlin“.
Für die hessische Metropole und die Bundeshauptstadt hatten Gerichte zuletzt Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß verlangt. Diese Fahrzeuge sind nach Angaben des Umweltbundesamtes für einen Großteil der Stickoxid-Emissionen in Städten verantwortlich. In Deutschland gilt eine EU-Richtlinie, wonach ein Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel einzuhalten ist.
Änderung des Bundes-Imissionsschutzgesetzes in Vorbereitung
In den Städten mit nur geringer Überschreitung seien flächendeckende Fahrverbote angesichts der Hardware-Nachrüstung von Handwerker- und Lieferfahrzeugen und Bussen „in der Regel nicht erforderlich“, argumentierte die CDU. „Das werden wir durch eine zügige Änderung der entsprechenden Gesetze deutlich machen.“
Ziel sei es, „auf der Grundlage neu zu erstellender, moderner und ehrgeiziger Luftreinhaltepläne die drohenden Fahrverbote abzuwenden“.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin, es werde derzeit an einer Änderung des Bundes-Imissionsschutzgesetzes gearbeitet. Hauptziel Nummer eins bleibe aber, zugunsten der Umwelt und der Bürger alles dafür zu tun, dass der Schadstoffgrenzwert möglichst in allen Städten unterschritten werde.
Deutsche Umwelthilfe ist empört
Umweltschützer reagierten auf den Vorschlag dennoch empört. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warf Merkel ein „nicht durchsetzbares Wahlkampfversprechen“ vor der am Sonntag anstehenden Landtagswahl in Hessen vor. Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid gälten europaweit und könnten „nicht einseitig in einem Mitgliedstaat heraufgesetzt werden“, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.
„Der Versuch wird zwangsläufig vor Gericht landen, entsprechend wirkt Merkels Versuch wie ein zynisches Spiel auf Zeit“, kritisierte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan.
Rechtswissenschaftler unterstützt Merkel
Der Rechtswissenschaftler Jörn Ipsen stärkte Merkel indes den Rücken. „Der Vorstoß der Bundesregierung ist möglich und angemessen“, sagte der Staatsrechtler der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Grenzwerte könnten „niemals völlig starr sein“. Es greife daher das sogenannte Übermaßverbot, so werde in diesem Fall das Verhältnismäßigkeitsprinzip beschrieben.
Die SPD bezeichnete Merkels Vorstoß als „seltsam“. Die Kanzlerin habe nicht die Meinung der CDU wiedergegeben, „sondern es ist die Meinung der Regierung, die in einem Koalitionsgespräch zwischen den Fraktionen SPD, CDU/CSU vor etwa drei Wochen festgelegt worden ist“, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kirsten Lühmann, dem Nachrichtenradio MDR Aktuell.
Damals habe man vereinbart, „dass wir der Meinung sind, dass Fahrverbote erst verhältnismäßig sind, wenn mehr als 50 Mikrogramm Stickoxid in der Luft gemessen werden“. Inzwischen habe Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) bereits einen Formulierungsvorschlag für einen Gesetzestext dazu vorgelegt. Der Zeitpunkt von Merkels Äußerung lege den Verdacht nahe, dass sie damit in Hessen Wahlkampf machen wolle, sagte Lühmann.
(afp)
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