Europäische Union mit Vorreiterrolle beim Klimaschutz
Es war der britische Premierminister Tony Blair, der beim informellen Gipfeltreffen im finnischen Lahti am 20. Oktober einen eindringlichen Appell an die Kollegen richtete. Der Brite schrieb gemeinsam mit seinem niederländischen Amtskollegen Jan Peter Balkenende in einem Brandbrief, dass die EU angesichts absehbar dramatischer ökonomischer und ökologischer Folgen mehr gegen die Erderwärmung tun müsse. «Wir haben einen Zeitrahmen von nur 10 bis 15 Jahren, um ein katastrophales Kippen des Klimas zu vermeiden», schrieben Blair und Balkenende.
Als zehn Tage später, am 30. Oktober, der Ex-Weltbank-Chefökonom Nicholas Stern seinen Bericht vorlegte, wurden das gewaltige Ausmaß der Gefahren deutlich. Auf 700 Seiten rechnete Stern vor, dass ein ungestoppter Klimawandel bis 2100 zu Dürren, Hungersnöten und Wetterkatastrophen führen werde, deren Konsequenzen bis zu einem Fünftel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts – etwa 5,5 Billionen Euro – auffressen dürften.
Da verblassen – zumindest im globalen Maßstab – die ehrgeizigen EU-Ziele. Der Stern-Report veranschaulichte das: Selbst wenn Großbritannien sofort alle Kraftwerke abschaltet, ist die so verhinderte Menge des gefährlichen Kohlendioxids (CO2) binnen eines Jahres durch den steigenden Ausstoß Chinas wettgemacht. Die EU steht derzeit für etwa 14 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Während der Verhandlungen zum Kyoto-Protokoll, das seit 16. Februar 2005 in Kraft ist, einigten sich die damals noch 15 EU-Staaten auf ein anspruchsvolles Ziel: Die gemeinsamen Emissionen sollen bis 2012 acht Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen. In den Prozess sind fast alle der 2004 beigetretenen zehn neuen EU-Staaten eingebunden.
Und schon heute sucht die EU weltweit die politische Herausforderung, um nach 2012 wieder möglichst ehrgeizige Ziele in einen neuen globalen Klima-Vertrag zu schreiben. Die EU hofft bis dahin, ihr in dieser Dimension einmaliges Projekt des Emissionshandels zu einer echten Erfolgsgeschichte zu machen. Seit 2005 ist der Markt da. Das System soll gut 11 500 besonders schlimmen Umweltsündern unter den Unternehmen einen Anreiz bieten, den Ausstoß von Treibhausgas zu vermindern. Jedes Land gibt an die Wirtschaft CO2-Rechte aus – tunlichst weniger, als an Treibhausgas tatsächlich ausgestoßen wird. Hat ein Unternehmen nicht genügend Emissionsrechte, muss es von anderen Unternehmen dazukaufen. Investieren Betriebe umweltfreundlich, können sie überflüssige Rechte verkaufen. Einige US-Bundesstaaten haben Interesse, dem Handel beizutreten.
Bei allen ökologischen und ökonomischen Anstrengungen in Europa steht aber fest: Das Problem kann nicht ohne die Hauptverschmutzer USA, die das Kyoto-Protokoll nie ratifiziert haben, Russland sowie China, Indien und die anderen aufstrebenden Volkswirtschaften gelöst werden. Vor allem die Schwellenländer sind auf einer atemberaubenden wirtschaftlichen Aufholjagd, die massenhaft Energie verschlingt – zumeist fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas, die CO2 freisetzen. Doch die Europäer haben noch eine Trumpfkarte im globalen Klimapoker in der Hand: Sie haben früh auf die Entwicklung umweltschonender Technologie bei Produktion und Energiegewinnung gesetzt. In einigen Bereichen kommen die Weltmarktführer vom alten Kontinent. Da winkt angesichts der jüngsten Horrorszenarien ein Milliarden-Geschäft.
(dpa)
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