Günstige Energie aus Gülle reduziert Tomatenpreis
{R:1}Der Wärmebedarf eines Gewächshauses wird in der Regel aus fossilen Quellen gedeckt. Nicht so in Hennstedt in Dithmarschen: Hier wachsen die Tomaten eines Gemüseanbaubetriebes seit Dezember 2005 mit Wärme und Kohlendioxid aus Biomasse. Eine neuartige Kombination aus einer Biogasanlage mit nachgeschaltetem Blockheizkraftwerk und einem Holzheizkraftwerk mit innovativer Organic-Rankine-Cycle(ORC)-Technik macht’s möglich. Gefördert wird das Projekt vom Bundeslandwirtschaftsministerium, der EU und dem Land Schleswig-Holstein.
„Schon im Jahr 2000 hatten wir erstmals die Idee zum gemeinsamen Betrieb einer Biogasanlage“, berichtet Klaus Hinrichs, Landwirt und Geschäftsführer der Biokraft Hennstedt GmbH. Auf seinem Hof im so genannten Milchgürtel Dithmarschens fällt, genau wie bei seinen Nachbarn, jedes Jahr tonnenweise Gülle aus der Milchviehhaltung an. Daraus kann man in einer Biogasanlage mit nachgeschaltetem Blockheizkraftwerk (BHKW) Wärme und Strom erzeugen. Der Strom kann in das öffentliche Netz eingespeist werden. Auch Vergütung zu im Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG) festgeschriebenen Tarifen ist möglich und erhöht die Rentabilität.
In Deutschland gibt es bereits mehr als 2.500 Biogasanlagen mit rund 450 MW installierter Leistung, die inzwischen längst allgemeiner Stand der Technik sind. Die Anlagen haben in der Regel einen Gesamt-Wirkungsgrad von 90 Prozent; etwa 35 Prozent der eingesetzten Energie wird in Strom und 55 Prozent in Wärme umgewandelt. Mit der EEG Vergütung rechnen sich schon Anlagen, die nur den produzierten Strom einspeisen, ohne die Wärme abzusetzen. Aber wirtschaftlicher ist es, wenn der Betreiber auch einen Abnehmer für die Wärme findet.
{R:2}Die Suche der Hennstedter Bauern nach einem Abnehmer schien eine Weile vergeblich, bis sie schließlich den idealen Partner fanden: Ein Glückstädter Gemüseanbaubetrieb zeigte nicht nur Interesse, sondern meldete sogar einen noch größeren Wärmebedarf für ein geplantes 6-Hektar-Gewächshaus an. Die Gärtnerei sicherte auch vertraglich zu, das Gewächshaus in unmittelbarer Nachbarschaft zu bauen, wenn die Energieversorgung realisiert wird.
Abgase als Pflanzennahrung
Die Landwirte erweiterten daraufhin ihre Planungen um einen Holzkessel. Der wiederum soll neben der zusätzlichen Wärme auch Strom über einen sogenannten Organic-Rankine-Cycle-Prozess produzieren: Eine Dampfturbine arbeitet als Wärmeträger mit Silikonöl, welches bereits bei niedrigeren Temperaturen und Drücken als Wasser Energie übertragen kann. Als drittes Element ist die Auskopplung von Kohlendioxid aus den BHKW-Abgasen vorgesehen. Das Abgas soll als „Pflanzennahrung“ in das Gewächshaus eingeleitet werden, denn im modernen Gemüseanbau wird mit einem gesteigerten CO2-Druck das Wachstum der Pflanzen beschleunigt. Es handelt sich also um einen, zumindest idealtypisch, geschlossenen CO2-Kreislauf: Bei der Verbrennung des Biogases wird so viel CO2 frei, wie das Grünfutter für die Gülle produzierenden Kühe beim Wachstum vorher eingebunden hat. Dieses CO2 nehmen die Gewächshaus-Tomaten auf. Der Mensch, der die Tomaten isst, veratmet schließlich das CO2 in die Atmosphäre, und dann können damit wieder neue Grünpflanzen wachsen und der Prozess beginnt von vorne.
Sonnenkraft und günstige Preise
Damit sind also alle Voraussetzungen gegeben, dass die Hennstedter Tomaten mit der Kraft der Sonne und der Wärme und dem Kohlendioxid aus Biomasse wachsen können, und das sogar zu günstigeren Preisen, als bei einer Versorgung mit fossilen Energieträgern.
Holz und Knicks aus Baum– und Heckenschnitt reichen aus
Diese verbesserte Rentabilität liegt einerseits an den gestiegenen Heizöl- und Erdgaspreisen und andererseits an den günstigen Rohstoffen: Neben Waldrestholz wird in dem Holzkessel das in Dithmarschen reichlich vorhandene Holz aus der Pflege der landestypischen Knicks eingesetzt. Knicks sind Wallhecken, die in Nordwest-Deutschland als Begrenzung und Windschutz zwischen den Feldern dienen. Die Biogasanlage befüllen die ortsansässigen Bauern neben der Gülle auch mit Mais- und Grassilage. Insgesamt werden pro Jahr gut 115.000 Tonnen Ausgangsstoffe benötigt.
Doch nicht nur die Rohstoffversorgung ist dezentral gesichert, sondern auch die Finanzierung wurde vor Ort auf die Beine gestellt. Rund 90 Anleger beteiligten sich mit insgesamt 1,5 Millionen Euro Eigenkapital an der 13,2 Millionen Euro-Investition. „Dabei sind neben den Landwirten, die die Rohstoffe anliefern, auch Bürger aus der Region, die das Projekt unterstützen wollen“, freut sich Hinrichs. Gründe dafür gebe es viele, meint er: „Die Bioenergie stärkt unsere strukturschwache Region, bringt den Landwirten ein zusätzliches Einkommen und unterstützt die Nutzung einheimischer Energieträger.“Solch handfeste Gründe und die Punkte Klimaschutz und gerade auch die innovative Förderung des Unterglas-Gemüseanbaus in Deutschland haben auch das Land Schleswig-Holstein davon überzeugt, das Projekt zu bezuschussen. Weitere Fördermittel kamen von der EU und dem Bundeslandwirtschaftsministerium, das rund eine Million Euro über seinen Projektträger, die Fachagentur nachwachsende Rohstoffe (FNR) bereit gestellt hat. „Für uns war vor allem die Evaluation einer neuen Technik und der komplexe Ansatz der entscheidende Aspekt. Mit einem derartigen Projekt werden Möglichkeiten der zusätzlichen Wertschöpfung im ländlichen Raum aufgezeigt,“ erklärt Dr. Andreas Schütte, Geschäftsführer der FNR.
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