Geothermie: Strom und Wärme aus 3.000 Meter Tiefe
Spätestens mit dem Atom- und Kohleausstieg steht die Frage im Raum, wie der wachsende Energiebedarf ohne fossilen Brennstoffen gedeckt werden kann. Schweizer Forscher sehen in der Geothermie, der Energie aus der Tiefe, eine effiziente, umweltfreundliche Lösung.
Um die leistungsfähigsten verfügbaren Energiequellen zu erreichen, muss man tief in die Erdkruste bohren, um geothermische Flüssigkeiten mit hohem Energiegehalt (heißes Wasser und durch Magma freigesetztes Gas) zu finden. Mit der Tiefe der Bohrlöcher steigen jedoch auch die unterirdischen Unbekannten, die die Stabilität der Erdkruste kontrollieren.
Die Destabilisierung in der Tiefe kann unter Umständen geologische Schichten reaktivieren und Erdbeben verursachen. Aus diesem Grund untersuchten Forscher der Universität Genf (UNIGE), der Universität Florenz und dem Nationalen Forschungsrat (CNR) in Italien die seismische Aktivität im Zusammenhang einer geothermischen Tiefen-Bohrung. Ihre Ergebnisse veröffentlichten Sie im Journal of Geophysical Research.
Ab 1.500 Meter Tiefe wird es sinnvoll – und gefährlich
Auf der Suche nach überkritischen Flüssigkeiten stellten die Genfer Forscher fest, dass die Bohrung keine unkontrollierte seismische Aktivität verursachte. Das weitere Erschließen der tiefen Geothermie eröffnet neue Wege für umweltfreundliche Wärme- und Stromquellen.
Eine Reihe von Ländern, darunter die Schweiz, nutzen bereits geothermische Energie, um Wärme aus „flachen“ Bohrlöchern zu gewinnen. In Deutschland nutzen verschiedene kleine Kraftwerke Bohrungen bis 300 Meter Tiefe. Bis 1.500 Meter ist eine solche Technologie in der Regel mit wenig Risiko verbunden.
„Um Elektrizität zu erzeugen, müssen wir jedoch tiefer bohren. Das stellt sowohl eine technologische als auch eine wissenschaftliche Herausforderung dar“, sagt Matteo Lupi, Professor für Geowissenschaften der Universität Genf. Tatsächlich erfordert das Bohren tiefer als 1.500 Meter besondere Sorgfalt, da die unbekannten Faktoren im Zusammenhang mit dem Untergrund zunehmen.
„Unterhalb dieser Tiefen wird die Stabilität des Bohrplatzes immer schwieriger“, so Lupi weiter. „Jede schlechte Entscheidung könnte ein Erdbeben auslösen.“
2.500 Meter in 50 Jahren
Das geothermische Feld von Larderello in der Toskana – das älteste der Welt – stellt derzeit 10 Prozent der gesamten geothermischen Stromversorgung der Welt bereit. 3.000 Meter unter Larderello liegt eine geologische Schicht, ein seismischer Reflektor, der vermutlich überkritische Fluide enthält. Der Begriff überkritisch impliziert einen undefinierten Phasenzustand – diese weder flüssige noch gasförmige Schicht weist außerdem einem sehr hohen Energiegehalt auf.
„Seit den 1970er Jahren haben Ingenieure versucht, in Larderello bis zu diesem Niveau in 3.000 Metern Tiefe zu bohren. Bis einschließlich heute ist es ihnen noch nicht gelungen“, erklärt der Geowissenschaftler Riccardo Minetto. „Außerdem wissen wir immer noch nicht genau, woraus diese Schicht besteht. Ist es ein Übergang zwischen geschmolzenem und festem Gestein? Oder besteht es aus gekühlten Graniten, die auf dieser Ebene eingeschlossene Flüssigkeiten freisetzen?“
Unter strenger Beobachtung der Umgebung, versuchten die Ingenieure in Larderello ein nur wenige Zentimeter breites Bohrlochs bis in eine Tiefe von 3.000 Metern zu erweitern. Das Ziel: diese überkritischen Flüssigkeiten anzuzapfen. „Diese Bohrung […] ist einzigartig, weil sie auf den vorgeschlagenen Übergang zwischen festem und geschmolzenem Gestein abzielte“, sagt Professor Lupi.
Keine Erdbeben durch vielversprechende Geothermie-Bohrung
Vor dem Beginn der Arbeiten errichtete das Genfer Team errichtete acht seismische Stationen in einem Radius von acht Kilometern um das Bohrloch herum. Während der Bohrung sammelten die Geophysiker Daten über die seismische Aktivität und analysierten jede Schwierigkeit, die auftrat.
„Die gute Nachricht ist, dass die Bohrungen auf der Suche nach überkritischen Fluiden zum ersten Mal nur minimale seismische Störungen verursachten“, erklärt Professor Lupi. „Das ist unter solchen Bedingungen eine Meisterleistung und ein starkes Zeichen für den technologischen Fortschritt.“
Die Schwelle von 3.000 Metern erreichte die Bohrung jedoch nicht. „Die Ingenieure mussten aufgrund des extrem hohen Temperaturen von über 500° Celsius etwa 250 Meter vor diesem Niveau abbrechen. In diesem Punkt gibt es noch Raum für technische Fortschritte“, sagt Minetto. „Bisher war jeder, der versucht hatte, eine Bohrung unter überkritischen Bedingungen abzubauen, wegen der hohen Temperaturen nicht erfolgreich, aber die Ergebnisse sind hier äußerst ermutigend“, sagt Professor Lupi.
Die Geothermie könnte zukünftig einen Teil der Grundlast neben Wasserkraft beitragen und zusätzlich zu Sonnen- und Windenergie erneuerbare Energie bereitstellen. „Die Geothermie könnte eine der Hauptenergiequellen unserer Zukunft sein, deshalb [müssen wir sie] weiter und sicher entwickeln“, schließt der Genfer Forscher.
(Mit Material der Universität Genf)
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