Fünf Billionen Euro für die Klimaneutralität aus Sicht eines Ingenieurs

Fünf Billionen Euro – Diese Zahl kann sich kaum ein Mensch vorstellen und ein kurzer Überschlag zeigt, mit 5.000.000.000.000 Euro könnte man weit mehr als Deutschland CO₂-frei machen. Bereits mit der heute verfügbaren Technik könnte man saubere Energie UND Verteidigung UND Bildung für das gleiche Geld realisieren.
Wenn Wissenschaft von unterschiedlichen Meinungen lebt, müssten Klimawissenschaftler anders heißen.
Deutschlands Klimaneutralität soll(te) fünf Billionen Euro kosten und die CO₂-Emissionen auf Null senken.Foto: iStock
Von 16. Oktober 2021

Fünf Billionen Euro soll die Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 kosten. Das ergab kürzlich eine von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Auftrag gegebene Studie. Dabei soll der Umbau aller Wirtschaftssektoren auch mit einem enormen Investitionsschub einhergehen.

„Das ist eine gewaltige Summe, aber es ist machbar“, sagte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Damit die Herausforderung gelinge, müssten öffentliche Investitionsmittel zielgerichtet eingesetzt und private Investitionen mobilisiert werden. [Epoch Times berichtete]

Die reinen Mehrinvestitionen hielten sich dabei laut KfW in Grenzen: Immerhin 3,1 Billionen Euro ließen sich von anderen Investitionen umleiten, sodass lediglich 1,9 Billionen Euro zusätzlich aufgebracht werden müssen. Nach aktuellem Plan. Vielen (deutschen) Großprojekten gemeinsam ist eine Kostenexplosion im Verlauf der Umsetzung: der Großflughafen BER, Stuttgart 21, die Elbphilharmonie oder auch das Segelschulschiff Gorch Fock.

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Ähnliches ist auch bei der Klimaneutralität zu erwarten. So plante Ursula von der Leyen, 2019 rund drei Billionen Euro für den Klimaschutz bis 2030 auszugeben. Im Frühjahr 2021 kündigten die Grünen ein Klimaschutz-Sofortprogramm an, das in den nächsten zehn Jahren zusammengerechnet fünf Billionen Euro beinhaltet.

Wenn die Grünen fünf Billionen Euro binnen eines Jahrzehnts ausgeben wollen und diese Summe laut KfW reicht, um Deutschland vom CO2 zu befreien, heißt das entweder Deutschland wäre schon 2031/32 klimaneutral oder es müsste mit weiteren Ausgaben gerechnet werden. Bei linearer Fortschreibung wären das in den folgenden 14 Jahren bis 2045 weitere sieben Billionen Euro. Mindestens.

Investitionen – entweder von Privatleuten oder von Unternehmen – sind aus wirtschaftlicher Sicht immer mit einer Gegenleistung verbunden oder zumindest der Hoffnung auf eine Gegenleistung. Investitionen in eine neue Maschine sollen die Produktion erhöhen, der neue Kühlschrank soll mehr Platz schaffen und die Stromkosten senken. Darüber hinaus gibt es Investitionen in nicht-materielle Güter. Höhere Gehälter sollen Arbeitnehmer im Unternehmen halten, ein Umzug oder ein neues Haus mit mehr Lebensqualität einhergehen.

Für fünf Billionen Euro soll der Klimawandel aufgehalten werden, indem Deutschland bis 2045 kein neues CO2 mehr ausstößt. Die Rolle Deutschlands wird dabei womöglich überschätzt. Darüber hinaus gibt es verschiedene Arten, die Klimawirkung eines Landes abzuschätzen. – Mit nahezu gegensätzlichen Ergebnissen.

Das Sauberste ist nicht genug

Betrachtet man die reinen Emissionen, dann belegt Deutschland Platz sieben der größten Umweltsünder der Welt hinter Japan, Indien, USA und China. Allein auf China entfallen dabei über 40 Prozent der Emissionen der Top Ten. [Epoch Times berichtete]

Laut „Kohlenstoffatlas“ emittierte Deutschland 2019 insgesamt 702 Millionen Tonnen CO2 oder 8,4 Tonnen pro Einwohner und damit etwa 2,9 Prozent der Emissionen der zehn „schmutzigsten“ Staaten. Die Bezugsgröße Einwohnerzahl lässt dabei jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die Wirtschaftsleistung zu.

Auf der Liste mit den höchsten Emissionen pro BIP liegt der ehemalige Exportweltmeister Deutschland auf Platz 87 von 137. Pro 1.000 Euro Wertschöpfung emittiert Deutschland damit etwa halb so viel CO2 wie der weltweite Durchschnitt. Verglichen mit China ist die deutsche Wirtschaft mehr als dreimal sauberer, sprich effektiver. Bezogen auf den „Spitzenreiter“ Mongolei stößt Deutschlands Produktion sogar zehnmal weniger CO2 aus.

Noch sauberer sind laut dem Kohlenstoffatlas Länder wie Senegal, Nepal, Sudan oder die Demokratische Republik Kongo. Industrieländer mit besserer CO2-Effizienz gibt es nur wenige, darunter befinden sich die Schweiz, Schweden und Frankreich. Eine Verlagerung der Produktion – auch von „dreckigen“ Industrien wie Stahlhütten und Betonwerken – erhöht in den meisten Fällen die Emissionen. [Epoch Times berichtete]

Nur die Emissionen von Kohlenstoffdioxid zu betrachten, ist allerdings eine einseitige Sicht auf die „Treibhausgase“. Es hat im Vergleich zu anderen Spurengasen zudem nur eine sehr geringe Wirkung.

Viel CO2, wenig Klimawirkung

Neben Kohlenstoffdioxid (CO2) sind Methan (CH4), Lachgas (N2O) sowie die fluorierten Treibhausgase (F-Gase) einzubeziehen. Letztere umfassen wasserstoffhaltige Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW), Schwefelhexafluorid (SF6) sowie seit 2015 Stickstofftrifluorid (NF3).

  • Kohlenstoffdioxid spielt nicht nur bei der Atmung des Menschen und aller Lebewesen – Tiere und Pflanzen – eine entscheidende Rolle. Es entsteht unter anderem bei der Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas), also der Strom- und Wärmeerzeugung, sowie in Haushalten, im Verkehr und in der industriellen Produktion.
  • Methan ist 25-mal so wirksam wie Kohlenstoffdioxid, was den Treibhauseffekt angeht. Methan entsteht überall, wo organisches Material unter Luftabschluss gärt. In Deutschland betrifft das vor allem die Tierhaltung, Klärwerke und Mülldeponien.
  • Lachgas oder Distickstoffoxid (N2O) ist 298-mal so wirksam wie CO2. Es entsteht, wenn Mikroorganismen stickstoffhaltige Verbindungen im Boden abbauen, also vor allem über stickstoffhaltigen Dünger und die Tierhaltung. Überdurchschnittlich viel Lachgas emittieren zudem die Düngemittelproduktion und die Kunststoffindustrie.
  • F-Gase (HFKW, FKW, SF6, NF3) kommen in der Natur normalerweise nicht vor. Sie sind jedoch extrem treibhauswirksam. Verwendung finden sie als Treibgas, als Kühl- und Löschmittel oder als Bestandteil von Schallschutzscheiben (insbesondere SF6). Ihr Treibhauspotenzial liegt 1.000- bis 24.000-mal über dem von Kohlenstoffdioxid.

Diese Gase werden miteinander normiert, indem die Treibhausgaspotenziale (GWP-Werte) in CO2-Äquivalenten errechnet werden. Für Deutschland wurde für das Jahr 2016 errechnet, dass 88,2 Prozent der Freisetzung von Treibhausgasen auf Kohlenstoffdioxid zurückzuführen ist. Methan war für etwa 6,0 Prozent der Emissionen verantwortlich. Lachgas kam auf 4,2 Prozent, die F-Gase auf rund 1,7 Prozent.

Aufgrund der vielfachen Klimawirkung von Methan, Lachgas und den F-Gasen entfielen jedoch lediglich 2,8 Prozent der „klimaschädlichen Gesamtwirkung“ auf CO2. Methan steuerte 4,7 Prozent bei. Lachgas verursachte 39,2 Prozent und die F-Gase 53,3 Prozent.

Eine Fünf mit zwölf Nullen

Fünf Billionen Euro sind 5.000.000.000.000, 5.000 Milliarden oder fünf Millionen Millionen. Eine unvorstellbar große Zahl. Diese Menge lässt sich auch nicht im Aktenkoffer wegtragen. Bereits für eine Billion Euro in 500-Euro-Scheinen benötigt man ein kleines Containerschiff. Mit fünf Billionen Euro in Hundertern wäre sogar die „Ever Given“ überladen.

Eine ebenso unvorstellbare Zahl ist der Bundeshaushalt 2022 in Höhe von 443 Milliarden Euro, und zwar für alle Lebensbereiche zusammen: Bildung, Kultur, Verteidigung, … Werden beide Zahlen verglichen, dann zeigt sich, auf all dies müsste man elf Jahre lang verzichten, um annähernd auf die Summe für die Klimaneutralität zu kommen.

Analog müssten 69 große Unternehmen, die am 11. Oktober in einem Appell an die neue Bundesregierung eine „Umsetzungsoffensive für Klimaneutralität“ fordern, fünf Jahre lange auf ihre globalen Umsätze – nicht Gewinne – verzichten, darunter Adidas, Aldi Süd, Allianz, Bayer, Deutsche Telekom, Deutsche Wohnen, E.ON, Hugo Boss, Ikea, die Otto Group, Rewe, Rossmann, SAP und die Schwarz Gruppe mit Lidl und Kaufland.

Etwas deutlicher werden fünf Billionen Euro vielleicht in anderen Vergleichen:

  • Das Vermögen der laut Forbes zehn reichsten Personen beträgt 1,16 Billionen Euro. Das heißt, auch wenn Bill Gates (Microsoft, #4), Elon Musk (Tesla, #3) und Jeff Bezos (Amazon, #1) ihr gesamtes Vermögen, einschließlich Aktien und Beteiligungen, spendeten, würden noch über 90 Prozent der benötigten Summe fehlen.
  • Der aktuelle Wert aller Bitcoins beträgt 905 Milliarden Euro.
  • Der Verteidigungsetat des US-Militärs betrug im Jahr 2020 638 Milliarden Euro.
  • Die Baukosten des BER betragen etwa zehn Milliarden Euro.

Fünf Billionen Euro entsprechen außerdem

  • den Baukosten von 380 Flugzeugträgern der neuesten Generation („USS Gerald R. Ford“, ca. 13 Milliarden Euro). Weltweit sind nur 49 Flugzeugträger im aktiven Dienst.
  • den Entwicklungskosten von etwa 1.000 neuen Audi-Modellen.
  • den Baukosten von 3.350 Kernkraftwerken mit Dual-Fluid-Reaktor (ca. 1,5 Milliarden Euro). 435 konventionelle Reaktoren mit einer installierten Gesamtleistung von etwa 393 Gigawatt sind derzeit weltweit betriebsfähig.
  • den Studiengebühren in Harvard (Bachelor und Master) für alle Kinder in Deutschland (ca. 400.000 Euro pro Person).
  • etwa 60.000 Euro (ein fabrikneuer Tesla) für jeden Deutschen. Nach Abzug der Staatsverschuldung Deutschlands (2,1 Bio. Euro) blieben jedem noch etwa 35.000 Euro (ein neuer E-Golf).
  • etwa 625 Euro für jeden Menschen auf der Welt. Vom Säugling bis zum Greis, von Island bis Südafrika.

Fünf Billionen Euro … können mehr als Klimaschutz

Mit anderen Worten, mit fünf Billionen Euro könnte man genug Kernkraftwerke bauen, um nicht nur die sechs deutschen „unsicheren“ Kernkraftwerke zu ersetzen (ca. 9 Mrd. Euro), sondern alle bestehenden AKWs weltweit (ca. 200 Mrd. Euro) – plus zusätzliche Kernkraftwerke, um den Strom für Millionen E-Autos zu liefern. Greift man dabei auf die neueste Reaktorgeneration zurück, hat man mit dem derzeitigen Atommüll genügend Brennstoff für das nächste Jahrhundert bei gleichzeitiger Lösung der Endlagersuche.

Zusätzlich könnte man die größte Militärstreitmacht der Welt aufbauen (um die Kraftwerke zu schützen). Auch dann, wenn alles doppelt so teuer wird wie angenommen. Ebenfalls zusätzlich könnten alle Schüler Deutschlands studieren, wenn auch nicht alle in Harvard. Mit dem Wissenszuwachs könnte man nicht nur die übernächste Generation (E-)Autos entwickeln, sondern vermutlich auch die Trinkwasserversorgung, die Bildung und die Gesundheit aller Menschen weltweit nachhaltig verbessern.

Die fünf Billionen Euro sollen in Windkraft- und Solaranlagen, Speichertechnologien und in eine Klimawende investiert werden, die weniger als drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen beeinflusst. Bleibt zu hoffen, dass die Nachbarländer ausreichend Strom/Energie-Reserven haben und sie Deutschland zur Verfügung stellen können. Denn auch eine Million Windkraft- und Solaranlagen liefern keinen Strom, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 14, vom 16. Oktober 2021.



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