Früherer Verfassungsrichter: Klimaneutralität wird kein Staatsziel

Der frühere Bundesverfassungsrichter und Bonner Staatsrechtslehrer Udo Di Fabio sieht in der geplanten Verfassungsänderung zur Klimaneutralität keine neue Staatszielbestimmung.
„Das ist eine finanzverfassungsrechtliche Vorschrift, die eine Zweckbindung formuliert“, sagte er der FAZ. „Daraus ergibt sich kein Staatsziel, wie wir es kennen mit dem Sozialstaatsziel oder dem Schutzauftrag für die natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20 und 20 a GG.“
Auch im Übrigen gelte, „dass Staatsziele des Grundgesetzes als Gesetzgebungsaufträge immer mit einem weiten Gestaltungsspielraum verbunden“ seien.
Di Fabio warnte auch davor, dass künftig die Versuchung groß sein könnte, „in Zukunft alles und jedes“ etwa als Verteidigungsausgaben zu deklarieren, dann im Rahmen der neuen Schuldenbremse ohne Obergrenze.
Der Bundestag soll am Dienstag beschließen
Lockerung der Schuldenbremse bei Verteidigung
Verteidigungsausgaben von mehr als einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) werden künftig von der Schuldenbremse ausgenommen. Laut Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) fielen nach aktuellem Stand noch rund 45 Milliarden Euro unter die Verschuldungsregeln im Grundgesetz. Alles darüber hinaus nicht.
Die Grünen konnten in den Verhandlungen mit SPD und Grünen eine Erweiterung des Begriffs der Verteidigungsausgaben aushandeln.
Darunter fallen laut Merz nun auch Mittel für Zivil- und Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste und die Unterstützung von völkerrechtswidrig angegriffenen Staaten.
Nicht durchsetzen konnten sich die Grünen mit der Forderung, die Schwelle für die Ausnahme von der Schuldenbremse von einem auf 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung hochzusetzen.
Lockerung der Schuldenbremse für die Länder
Anders als der Bund dürfen die Länder nach der Schuldenbremse bisher überhaupt keine Kredite aufnehmen. Sie sollen nun gleichfalls die Möglichkeit bekommen, jedes Jahr bis zu 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung an Schulden aufzunehmen.
„Das sind für alle Länder zusammen zur Zeit ungefähr 16 Milliarden Euro“, sagte Merz. Auf diese Änderung hatten vor allem die Regierungen der Länder gedrängt.
Sondervermögen für Infrastruktur
Es soll ein kreditfinanziertes Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur von 500 Milliarden Euro geben. Als weiterer Verwendungszweck der Gelder wird das Erreichen der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 in der Verfassung festgeschrieben.
Das Sondervermögen soll über zwölf Jahre laufen – was im Schnitt rund 41 Milliarden Euro pro Jahr ergibt. Die Grünen konnten hier durchsetzen, dass alle daraus finanzierten Investitionen zusätzlich erfolgen.
Als zusätzlich gelten laut Merz Ausgaben, „wenn sie zehn Prozent der Ausgaben des Bundeshaushaltes für Investitionen überschreiten“. Bei einem Bundeshaushalt von aufgerundet rund 500 Milliarden Euro liege die Schwelle damit bei etwa 50 Milliarden Euro, rechnete Merz vor. „Alle Investitionen, die über diese 50 Milliarden hinausgehen (…), sind von der Schuldenbremse dann nicht betroffen.“
Zudem erreichten die Grünen, dass 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen sollen. Aus dem KTF wird insbesondere der klimafreundliche Umbau der deutschen Wirtschaft gefördert, aber auch weitere Klimaschutzmaßnahmen.
Weitere 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen sollen an die Länder weitergeleitet werden, um Investitionen in Ländern und Kommunen zu fördern. Zur Verwendung der Mittel wird den Ländern eine Berichtspflicht auferlegt.
Weiterer Zeitplan
Der Haushaltsausschuss des Bundestag soll an diesem Sonntagnachmittag die Vorlage für die Grundgesetzänderungen beschließen. Dabei sollen die Vereinbarungen mit den Grünen durch einen Änderungsantrag in den ursprünglichen Text von Union und SPD eingearbeitet werden.
Am Dienstag würde der scheidende Bundestag noch in seiner alten Zusammensetzung dann das Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur mit der nötigen Zweidrittelmehrheit beschließen.
Der Bundesrat könnte dann am kommenden Freitag abschließend über das Finanzpaket entscheiden. Detailfragen sollen später durch Bundesgesetze geregelt werden. (afp/dts/red)
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