EU verbietet Greenwashing und sagt damit „Wildwuchs von Zertifikaten“ den Kampf an

Rat und EU-Parlament haben einem Richtlinienentwurf der Kommission gegen sogenanntes Greenwashing zugestimmt. Unternehmen müssen künftig besonders vorsichtig bei Werbeaussagen mit Umweltbezug sein.
Der Schornstein und die Kühltürme des Braunkohlekraftwerks Schkopau in Sachsen-Anhalt dampfen hinter einem Windpark.
Der Schornstein und die Kühltürme des Braunkohlekraftwerks Schkopau in Sachsen-Anhalt dampfen hinter einem Windpark.Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Von 21. September 2023

In der Nacht auf Mittwoch, 20. September 2023, haben sich EU-Parlament und Rat auf die bereits vor Monaten angekündigte Richtlinie gegen sogenanntes Greenwashing geeinigt. Das EU-Parlament soll im November zustimmen, anschließend haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen.

Die Richtlinie soll Konsumenten, die Wert auf nachhaltiges Einkaufen legen, Orientierung bieten und Werbung mit irreführenden Umweltaussagen unterbinden. Außerdem soll sie die sogenannte Kreislaufwirtschaft voranbringen und auf diese Weise den Green Deal unterstützen. Dieser sieht eine „Klimaneutralität“ der EU-Wirtschaft bis zum Jahr 2050 vor.

Mindestens die Hälfte aller Umweltaussagen könnte Greenwashing darstellen

Anlass für das Vorgehen gegen Greenwashing war nach Angaben der Initiatoren ein Überhandnehmen nicht belegter Aussagen mit Umweltbezug in Produktinformationen. So hätten Unternehmen ihre Produkte als „umweltfreundlich“, „klimaneutral“ oder „biologisch abbaubar“ angepriesen, ohne diese Angaben zu belegen.

Dazu komme ein „Wildwuchs“ von derzeit mehr als 230 Umweltzeichen, Siegeln oder Zertifikaten, mit denen Unternehmen ihre Produkte versehen. In den meisten Fällen sei Verbrauchern nicht erkennbar, welche spezifischen Qualitäten mit diesen verbunden seien.

Eine Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 hatte zum Ergebnis, dass 53,3 Prozent der geprüften Umweltaussagen „vage, irreführend oder unfundiert“ gewesen seien. Für vier von zehn habe es keinerlei Belege gegeben. Die nunmehrige Richtlinie gegen Greenwashing soll einheitliche und gemeinsame Standards für Green Claims schaffen.

Zertifizierungsprozesse werden EU-weiten Vorgaben unterworfen

Künftig sollen Unternehmen, die ihre Produkte als „klimafreundlich“ oder „natürlich“ bewerben, diese Eigenschaften auf Grundlage vorgegebener Standards belegen müssen. Die Verwendung von Nachhaltigkeitslabeln soll nur noch erlaubt sein, wenn diese von Behörden oder anerkannten Zertifizierungsstellen stammen.

Vor allem sollen öffentliche Kennzeichnungssysteme und Zertifikate nur noch Verwendung finden, wenn diese auf EU-Ebene entwickelt wurden. Eigene private Prüfzeichen sollen nur gestattet sein, wenn sie ihren Mehrwert nachweisen. Dieser Nachweis müsse durch eine akkreditierte Organisation oder Prüfstelle erfolgen. Pauschale Bewertungen bezüglich der gesamten Umweltauswirkungen eines Produkts sollen nur noch zulässig sein, wenn EU-Recht dies ausdrücklich vorsieht.

Erleichterungen soll es, so die IHK Regensburg, nur für Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern und einer Umsatzhöhe oder Bilanzsumme unter zwei Millionen Euro geben.

Wie weit wird Greenwashing tatsächlich fassbar sein?

Zwar ist irreführende Werbung schon jetzt nach geltendem Wettbewerbsrecht untersagt, das Nachweisrisiko bezüglich der Neigung zur Irreführung trägt jedoch der Kläger. Beim Vorgehen der EU gegen Greenwashing soll hingegen jedes Mitgliedsland eine eigene Prüfstelle bezüglich der Green Claims einrichten. Sanktionen für Verstöße sollen von Geldbußen über den Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen bis hin zur Gewinnabschöpfung reichen.

Greenwashing-Vorwürfe hatte sich beispielsweise der Danone-Konzern im Zusammenhang mit der Verpackung von Activia-Jogurt eingehandelt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat das Unternehmen abgemahnt, weil es die Verpackung aus dem „Biokunststoff Polymilchsäure (PLA)“ als besonders umweltfreundlich angepriesen hatte. Begründung: Dies gelte bislang nur in der Theorie, weil es im Rahmen des Grünen Punktes noch keine Sortiergruppe für diesen Kunststoff gebe. Deshalb werde der Becher derzeit auch nicht recycelt, sondern verbrannt.

Auf den Prüfstand könnten auch Prüfsiegel wie MSC oder „Dolphin Safe“ kommen. Diesen bescheinigt Greenpeace zwar positive Einflüsse auf die Sicherung der Fischbestände oder der Vermeidung unerwünschten Beifangs in der Thunfischindustrie, allerdings gebe es auch Nachhaltigkeitsaspekte, die im Zertifizierungsprozess außen vor gelassen worden seien.

Einige Unternehmen, die insgesamt für wenig nachhaltige Wirtschaftspraktiken bekannt sind, werben auch gezielt mit Einzelaspekten, um ihr Umweltbewusstsein zu betonen. Es wird sich weisen, inwieweit die Richtlinie auch in der Lage ist, solche Verschleierungspraktiken zu erfassen.

Haltbarkeit und Garantie als zusätzlicher Schwerpunkt der Richtlinie

Bei der nunmehrigen Richtlinie geht es jedoch neben der Belastbarkeit von Umweltaussagen auch um die Haltbarkeit von Produkten. So sollen Unternehmen künftig Verbraucher darüber informieren, wie lange ein Produkt haltbar ist und ob es repariert werden kann. Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini erklärt dazu:

Neue Regelungen zum vorzeitigen Verschleiß werden es künftig schwerer machen, dass sich Produkte, die schneller als nötig kaputt gehen, auf dem Markt halten. Damit wird zum ersten Mal die Praxis der Hersteller, die Haltbarkeit zu begrenzen, als unlautere Geschäftspraktik aufgenommen.“

Auch soll man künftig nicht mehr aufgefordert werden, Materialien wie Druckerpatronen früher als unbedingt erforderlich auszutauschen. Darüber hinaus müssen Händler kenntlich machen, wie lange Ersatzteile verfügbar sind und zu welchem Preis.

Jedes Produkt soll zudem einen Hinweis zur Dauer der Garantie bekommen. „60 Prozent der europäischen Konsumenten wissen nicht einmal, dass es auf jedes Produkt eine gesetzliche Garantie gibt“, erklärte die sozialdemokratische Berichterstatterin Biljana Borzan. Geht die Garantie über die gesetzliche Vorgabe von zwei Jahren hinaus, soll eine zusätzliche Kennzeichnung Pflicht sein.

(Mit Material von AFP und dpa)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion