Zielhafen: Klimaneutralität – wenn Schiffe langsamer fahren müssen
Nach dem Willen der EU-Kommission und der International Maritime Organization (IMO) soll die Schifffahrt bis spätestens 2050 klimaneutral unterwegs sein. Bis dahin soll der CO₂-Ausstoß der Tanker, Frachter und Luxusliner auf null gesenkt werden. Das Problem: Es gibt nicht genug klimafreundliche Treibstoffe, um den Bedarf in der Branche zu decken. Auch an der Infrastruktur zum Betanken der Schiffe hapert es. Dies geht aus der Studie „Maritime Forecast to 2050“ der Klassifikationsgesellschaft DNV hervor, über welche das Nachrichtenportal VDI berichtet.
Klar ist: Von fossilen Brennstoffen wie Diesel oder Schweröl will man schnellstmöglich wegkommen. In den maritimen Branchen wird derzeit über ein großes Spektrum an alternativen Antriebskonzepten und Treibstoffen diskutiert. Dazu zählen Wasserstoff, Ammoniak, Flüssiggas, Elektroantriebe und Bio-Kraftstoffe. Eines haben sie gemeinsam: Keines ist wirklich marktreif oder für den breiten Praxiseinsatz verfügbar.
Mangel am marktreifen „grünen“ Kraftstoff nicht nur in der Schifffahrt
Wie der norwegische Dienstleister DNV berichtet, werden weltweit jährlich 176 Mio. Tonnen Ammoniak und 98 Mio. Tonnen Methanol produziert. Dies entspricht theoretisch 45 Prozent der von der Schifffahrt benötigten Menge. Diese gelten aber nicht als erste Wahl und werden auch als „graue“ Treibstoffe bezeichnet. Grund ist: Ammoniak und Methanol werden mithilfe von fossilen Brennstoffen wie Kohle und Gas oder aber mit Atomstrom hergestellt. Zudem steht ein Großteil davon überhaupt nicht als Kraftstoff zur Verfügung, denn Ammoniak und Methanol werden in der Chemieindustrie beispielsweise als Rohstoff für Düngemittel benötigt.
Weltweit werden zwar weitere Projekte zur Herstellung von klimaneutralen Kraftstoffen forciert. Aber von diesen Vorhaben dürfte die Schifffahrtsindustrie nur wenig profitieren, „weil andere Industrie- und Wirtschaftszweige ebenfalls klimaneutrale Kraftstoffe benötigen werden“, heißt es in dem Bericht des VDI.
Milliardenprojekt für „grünes“ Methanol
Dieses Problem bekommt auch die Reederei Maersk zu spüren. Der dänische Schifffahrtsriese plant in den nächsten drei Jahren 19 bereits bestellte Schiffe in Betrieb zu nehmen, die mit „grünem“ Methanol betrieben werden können. Doch von dem Kraftstoff gibt es nicht genug, zumindest nicht zu akzeptablen Preisen. Das Label „grün“ bekommt der Kraftstoff, wenn er etwa mit erneuerbarer Energie oder Biomasse hergestellt wird.
Morten Bo Christiansen, Leiter des Bereichs Dekarbonisierung bei Maersk, erklärte der „Financial Times“ (FT): „Heute kaufen wir unseren Treibstoff von den Ölgesellschaften. Aber sie haben uns kein ‚grünes‘ Methanol zu einem Preis angeboten, den wir akzeptieren können.“ Laut der Website „gCaptain“ hielten sich Investoren bei der Produktion von E-Fuel derzeit eher zurück. Energieunternehmen würden sich demnach eher darauf konzentrieren, russisches Gas und Öl zu ersetzen, als in saubere Energie zu investieren. Aber es gibt noch einen anderen Grund: Die Toxizität von E-Methanol ist ein Sicherheitsrisiko, räumte Maersk-Leiter Christiansen gegenüber FT ein.
Der dänische Reederei-Riese schätzt seinen jährlichen Bedarf auf rund 6 Millionen Tonnen E-Methanol. Am 3. November kündigte Maersk ein Milliardenprojekt in Zusammenarbeit mit der spanischen Regierung an. Ziel sei die Produktion von zwei Millionen Tonnen „grünem“ Kraftstoff pro Jahr am Standort Spanien. Es geht um eine Investitionssumme von knapp zehn Milliarden Euro. Eine ähnliche Kooperation schloss Maersk im März mit Ägypten.
Kraftstoffe für Schifffahrt könnten 70 bis 100 Prozent teurer werden
Doch selbst wenn genügend E-Fuel produziert werden könnte, bleibt die Frage offen, wie der Kraftstoff zu den Schiffen kommt. Laut dem DNV beschränken sich die Bunkerstationen weltweit auf zehn Regionen, darunter das Mittelmeer, die chinesische Ost- und die amerikanische Ostküste.
Will man den klimaneutralen Kraftstoff dorthin transportieren, müssten sowohl die Tankerkapazitäten erheblich vergrößert als auch die Infrastruktur in den Häfen ausgebaut werden. Ein kostspieliges Unterfangen. Die Experten schätzen den Aufwand hierfür auf insgesamt 100 bis 150 Milliarden US-Dollar. Diese würden schlussendlich auf die Treibstoffpreise abgewälzt werden. Für die Schifffahrt bedeute das: Die Kraftstoffversorgung könnte im Vergleich zu den aktuellen Preisen 70 bis 100 Prozent teurer werden.
Druck auf Schiffsbetreiber wächst
Während es beim Treibstoff noch keine Lösung gibt, wächst schon der Druck, die Technik für klimafreundliche Schiffsantriebe aufzurüsten. Das „Maritime Cluster Norddeutschland“ hat hierfür einen Leitfaden herausgegeben.
Inzwischen sind zahlreiche Vorschriften zur Verbesserung der Energieeffizienz für den Schiffsbetrieb verbindlich, einige treten bald in Kraft. So wird auf Grundlage des EEXI (Energy Efficiency Existing Ship Index) nahezu die gesamte fahrende Welthandelsflotte ab 2023 dazu verpflichtet, neue Energieeffizienzstandards zu erfüllen.
Je nach Schiffstypen und -größen lässt sich der maximal zulässige EEXI-Wert errechnen. Schiffe, die nicht EEXI-konform sind, müssen bis zum 1. Januar 2023 Maßnahmen ergreifen, um die Anforderungen zu erfüllen, heißt es in der Richtlinie. Die wahrscheinlichste Option sei eine Begrenzung der Maschinenleistung, sprich, sie müssen langsamer fahren.
Schwächelnde Frachtnachfragen
Derzeit beklagen die Container-Reedereien schwächelnde Frachtnachfragen und sinkende Frachtraten. Dies habe die Branche dazu veranlasst, „einige Fahrten zu streichen und sogar eine Reihe von Diensten auf wichtigen Ost-West-Routen vorübergehend einzustellen“, zitierte „gCaptain“ einen Analysten von „Alphaliner“. Weiter heißt es, die Geschwindigkeit des Rückgangs der Exporte aus China mache einen radikalen Kapazitätsabbau erforderlich.
Dabei gehörte die Branche noch bis vor Kurzem zu den Krisengewinnern. Die Sanktionen gegen Russland und die Corona-Krise hatten die Nachfrage nach Seetransporten und damit auch die Frachtraten im ersten Quartal des Jahres durch die Decke gehen lassen. Doch damit sei es nun vorerst vorbei.
„Die zusätzlichen Gewinne haben ihren Höhepunkt erreicht und beginnen sich im Laufe des Quartals zu normalisieren“, erklärte der Geschäftsführer von Maersk, Søren Skou. „Mit dem Krieg in der Ukraine, der Energiekrise in Europa, der hohen Inflation und einer sich abzeichnenden weltweiten Rezession sind viele dunkle Wolken am Horizont zu sehen“, warnte Skou.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion