Heimisches Bioethanol als Benzinersatz: Deutschland will unabhängig werden

Acht Fragen an den Bioethanol-Experten Oliver Henniges von der Universität Stuttgart-Hohenheim
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Die Autofahrer in Deutschland müssen sich auf eine neue Kostenlawine einstellen.Foto: AP Photo/Joerg Sarbach
Epoch Times1. Februar 2007

Seit dem 1. Januar 2007 ist die Beimischung von circa 1,2 Prozent Bioethanol zum Benzin gesetzlich vorgeschrieben. Bis 2008 sollen es dann schon ganze acht Prozent an Biokraftstoffen sein, die dem Erdölabkömmling hinzugefügt werden. Noch verhält sich die Mineralölindustrie recht zögerlich und das Geschäft mit dem Umweltkraftstoff läuft erst langsam an. Länder wie Brasilien oder die USA fördern dagegen schon seit Jahren die Ethanolproduktion – die USA aus dem Rohstoff Mais, Brasilien aus Zuckerrohr.

In Europa sollen zukünftig vor allem Weizen, Roggen und Zuckerrüben zur Erzeugung des Multitalentes Bioethanol, das etwa auch in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie eingesetzt wird, angebaut werden. Eine Konkurrenz zur Grundnahrungsmittelproduktion sieht Dr. Oliver Hennings, Bioethanol-Experte an der Universität Stuttgart-Hohenheim, nicht. Er beantwortet in einer Pressemitteilung der Uni Fragen zum aktuellen Trend, der nun auch in Deutschland Einzug hält.

Führende Länder wie die USA und Brasilien haben Bioethanol als Kraftstoff der Zukunft erkannt. Haben wir Deutsche diesen Trend verschlafen?

DR. OLIVER HENNIGES: „So kann man das nicht sagen. Bis vor wenigen Jahren hat die deutsche Politik einfach keinen Handlungsbedarf gesehen. Öl war billig und abgesehen von einigen Krisen ständig verfügbar. Doch der internationale Rohölmarkt hat sich verändert, die Benzinpreise steigen genauso wie die Abhängigkeit von Energie produzierenden Ländern. In den letzten Jahren hat eine Trendwende eingesetzt. Die Deutschen wollen unabhängiger vom Öl werden. Vor allem der steigende Ölpreis führt zu einer lauter werdenden Forderung nach Biokraftstoffen. Auch gesellschaftlich liegen Umwelt- und Klimaschutz derzeitig offenbar im Trend. Gute Voraussetzungen für Nutzung und Produktion von Bioethanol.“

Der größte Hersteller von Bioethanol sind zurzeit die USA, dicht gefolgt von Brasilien. Wie sieht die derzeitige Entwicklung von Bioethanol in Deutschland aus? Sind wir konkurrenzfähig?

DR. OLIVER HENNIGES: „Auf dem internationalen Markt hat Deutschland derzeit keine Chance. Im Durchschnitt kostet die Herstellung von Bioethanol in Deutschland mit 45 Euro/hl fast dreimal soviel wie in Brasilien. Das liegt unter anderem an den vorteilhaften klimatischen und ökonomischen Rahmenbedingungen des Landes, nicht zu vergessen, dass Brasilien in der Bioethanolproduktion mit einer 30jährigen Erfahrung trumpfen kann.“

Wäre es dann nicht ökonomischer, Bioethanol zu importieren, statt selbst herzustellen?

DR. OLIVER HENNIGES: „Eigentlich ist Bioethanol aus Zuckerrohr in Hinblick auf die CO2-Reduktion sogar umweltfreundlicher als die europäische Variante. Die Vorteile von Bioethanol haben aber nicht nur mit dem Umweltaspekt zu tun – auch der deutsche Arbeitsmarkt könnte erheblich davon profitieren. Für die Landwirtschaft wäre das eine einmalige Chance. Viele Bauern produzieren schon in erheblichem Umfang Pflanzen für die Energieproduktion, da sie mit der herkömmlichen Nahrungsmittelproduktion weniger verdienen. Durch den Ausbau der Bioenergieproduktion steigt die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten wie z.B. Zuckerrüben und Weizen für die Produktion von Bioethanol. Vielleicht können die Landwirte langfristig ihre Ware zu einem besseren Preis verkaufen und müssten nicht ausschließlich auf EU-Gelder hoffen. Diese Hoffnung haben viele Bauern. Für die Produktion des Pflanzenkraftstoffes im eigenen Land sind ebenfalls viele Wirtschaftszweige betroffen. Das schafft Arbeitsplätze und wirkt sich letztlich auf den Staatshaushalt aus. Wir hätten im Prinzip alle etwas davon. Es darf aber nicht übersehen werden, dass der Verbraucher zukünftig mehr an der Tankstelle bezahlen muss! Aber bei der hohen Besteuerung von Kraftstoffen in Deutschland fällt das kaum ins Gewicht.“

Schützenhilfe bekommt der neue Kraftstoff aus der Politik: Seit dem 1. Januar 2007 müssen Benzin oder Diesel einen gewissen Prozentsatz an Bioethanol oder Biodiesel enthalten. Ist das ein Weg?

DR. OLIVER HENNIGES: „Unter den beiden Voraussetzungen, dass Biokraftstoffe politisch und gesellschaftlich erwünscht sind und dass auf eine Steuerbefreiung verzichtet wird, ist es eine notwendige Maßnahme. Ohne diese Regelung hätte Bioethanol als alternativer Rohstoff auf dem deutschen Markt keine Chance, weil sich einerseits die Benzinhersteller gegen Biokraftstoffe wehren und andererseits der Verbraucher wegen der hohen Kosten das billigere Benzin tanken würde.“

Gleichzeitig ist jedoch die Besteuerung für Bioethanol weggefallen. Ist das nicht ein Widerspruch?

DR. OLIVER HENNIGES: „Die Ökosteuer für Bioethanol ist schlicht widersinnig und zeigt, das politische Aussagen nur eine kurze Halbwertszeit haben. Ein Liter Bioethanol hat nur zwei Drittel des Energiegehalts von einem Liter Benzin – trotzdem zahlen Sie für beides den gleichen Steuersatz. Das heißt, steuerlich wird Bioethanol sogar bestraft. Wenn die Ökosteuer eine politische Lenkungswirkung haben soll, darf sie nicht auf Biokraftstoffe angewendet werden! Aber die Ökosteuer ist offensichtlich mehr „Steuer“ als „Öko“!“

Die Beimischungsquote für Biokraftstoffe steigt bis 2015 auf 8 Prozent an. Könnten wir den steigenden Bioethanolbedarf durch heimischen Anbau decken, ohne auf den konventionellen Ackerbau zu verzichten?

DR. OLIVER HENNIGES: „Auf den Nahrungsmittelanbau müssen wir nicht verzichten. 2015 könnten schätzungsweise drei Milliarden Liter Bioethanol in die Tanks der Autos fließen, wenn die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Theoretisch könnte der deutsche Agrarsektor die benötigten Getreide- oder Rübenmengen aufbringen. Das könnte in der Tendenz zu höheren Getreidepreisen führen – was Getreideproduzenten hilft, dafür aber die Tiermast verteuert. Allerdings könnten stillgelegte Flächen nutzbar gemacht und auf subventionierten Export verzichtet werden. Ich gehe aber davon aus, dass der Bedarf an Bioethanol nicht allein aus der Produktion durch heimische Rohstoffe kommt.“

Das bedeutet Importe vor allem aus den Tropen. Umweltschützer sehen in dem steigenden Bedarf von Biokraftstoffen den Grund für die Zerstörung des brasilianischen Regenwaldes. Wie sehen Sie diese Behauptung?

DR. OLIVER HENNIGES: „Diese Gefahr sehe ich nicht. Zuckerrohr wächst nicht in den Gebieten des Regenwaldes sondern weiter südlich, vor allem in der Region um Sao Paulo. Möglicherweise gibt es eine Verschiebung der Anbauflächen nach Norden, die aber nur bedingt mit dem Zuckerrohranbau zu tun hat. Es ist zu einfach, umweltpolitische Probleme Brasiliens einseitig der Bioethanolproduktion anzulasten. Natürlich sind Politiker Brasiliens gefordert, dem Abholzen des Regenwaldes entgegenzuwirken. Das schafft man aber nicht, indem man die Bioethanolproduktion verbietet!“

Wie sieht die Zukunft der Bioethanolproduktion in Deutschland aus?

DR. OLIVER HENNIGES: „Die Nachfrage nach Bioethanol ist durch die neue Gesetzgebung bis zu einem bestimmten Ausmaß gesetzlich gesichert. Die Wettbewerbsfähigkeit der Bioethanolproduktion jedoch in Deutschland wird zum größten Teil vom stets unsicheren Rohölpreis abhängen. Wer behauptet, er könne den Ölpreis vorhersagen, muss sich allerdings die Frage gefallen lassen, warum er noch arbeitet!“

Zur Person
Oliver Henniges (29) promovierte am Institut für Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Hohenheim über die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bioethanolproduktion. In seinem kürzlich erschienenen Buch „Die Bioethanolproduktion – Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland unter Berücksichtigung der internationalen Konkurrenz“ gibt er wertvolle Hinweise für Wirtschaft und Politik, wie die Zukunft der Bioethanolproduktion in Deutschland aussehen könnte (Josef Eul Verlag, ISBN 987-3-89936-551-1, 79 EUR).

(jel)



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