Einfacher zum Balkonkraftwerk: Bundesregierung will Bürokratie-Hürden abbauen
Der Bau und Betrieb von Solaranlagen soll einfacher und attraktiver werden. Dazu will das Bundeskabinett an diesem Mittwoch ein sogenanntes Solarpaket beschließen, wie aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz verlautete. Die Reform soll Bürokratie abbauen und den zuletzt anziehenden Ausbau der Solarenergie in Deutschland weiter beschleunigen.
Leichter zum Balkonkraftwerk
Mit einem Balkonkraftwerk für einige hundert Euro kann man mit überschaubarem Installations-Aufwand selbst in die Solarstromerzeugung einsteigen. Nach dem neuen Gesetzentwurf müssten Besitzer den Netzbetreiber nicht mehr über ihre neue Anlage informieren und weniger Angaben im sogenannten Marktstammdatenregister machen, in dem Anlagen zur Gas- und Stromerzeugung registriert sind.
Übergangsweise kann den Plänen zufolge auch der normale Zähler in Betrieb bleiben, auch wenn dieser bei der Einspeisung von Strom ins Netz rückwärts läuft. Auf die Dauer braucht es aber einen Zweirichtungszähler, der den eingespeisten und den aus dem Netz bezogenen Strom getrennt voneinander erfasst.
Balkon-Kraftwerke sollen außerdem künftig mit einem Schuko-Stecker angeboten werden, der in haushaltsübliche Steckdosen passt. Die nötige Norm wird derzeit von der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE) überarbeitet, einem Gremium zur Erarbeitung von Normen im Elektronik- und IT-Bereich.
Die Solaranlage auf dem Mehrfamilienhaus
Für den Betrieb einer Solaranlage in einem Haus mit mehreren Miet- oder Eigentumswohnungen oder auch Gewerbemietern soll weniger Papierkram anfallen. Unter anderem sollen die detaillierten Vorgaben zu Rechnungslegung, Vertragsinformationen und Verbrauch wegfallen. Dafür soll ein neues Modell der „Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“ geschaffen werden. Es unterscheidet sich vom bereits etablierten Mieterstrom-Modell bei Förderung und Vergütung.
Solaranlagen unter dem Mieterstrom-Modell sollen künftig auch auf gewerblichen Gebäuden und Nebenanlagen wie Garagen gefördert werden, solange der Strom auf dem Weg zum Verbraucher nicht durch das allgemeine Stromnetz fließt. Außerdem sollen technische Anforderungen beim Mieterstrom sinken.
Ausbau von Dach-Solaranlagen
Die Förderung für das „Repowering“, also für den Ausbau einer bestehenden Dach-Solaranlage für mehr Leistung etwa durch den Einbau effizienterer Module, soll attraktiver gestaltet werden.
Mehr Module in Mooren
Doch nicht nur auf Dächern und Balkonen, auch in der Fläche will die Bundesregierung den Bau von Solaranlagen vorantreiben. Der Bau von Windrädern und Solaranlagen wird in Deutschland bis zu bestimmten Höchstwerten staatlich gefördert, worauf man sich bei Ausschreibungen bewerben kann. Dabei soll eine neue Kategorie für „besondere Solaranlagen“ auf landwirtschaftlichen Flächen, Gewässern, Mooren und Parkplätzen eingeführt werden. Die insgesamt ausgeschriebene Leistung soll damit nicht erhöht werden, aber mehr Förderung an besondere Anlagen gehen.
Gebiete mit wenig ertragreichen Böden, die nach EU-Definition als „benachteiligte Gebiete“ gelten, sollen grundsätzlich für die Förderung von Solar-Freiflächenanlagen geöffnet werden. Die Länder können dies verhindern, wenn sie bereits bestimmte Quoten bei der Solar-Nutzung landwirtschaftlicher Flächen erreicht haben oder auch Schutzgebiete ausschließen.
Zugleich soll es eine Obergrenze von 80 Gigawatt für den Zubau von Photovoltaik auf Agrarflächen bis 2030 geben, mindestens die Hälfte davon soll an Gebäuden oder Lärmschutzwänden errichtet werden. Der Verzicht auf Pflanzenschutzmitteln soll bei der Solarförderung unter bestimmten Bedingungen finanziell honoriert werden.
Recht aufs Netz
Mit der Reform soll auch ein Anspruch auf die Verlegung von Anschlussleitungen für Solaranlagen und andere Erneuerbare-Energie-Anlagen auf Grundstücken und Verkehrswegen entstehen. Verhandlungen mit jedem Grundstückseigentümer oder Verkehrsträger wären dann nicht mehr nötig, was der Deutsche Bauernverband harsch kritisiert. „Die geplante Duldungspflicht für Leitungen ist verfassungsrechtlich fragwürdig, kommt einer entschädigungslosen Enteignung gleich und missachtet die Rechte der Bewirtschafter und Grundstückseigentümer“, erklärte Generalsekretär Bernhard Krüsken. Er warnte vor einem Akzeptanzverlust.
Beim Gesetzgebungsprozess ist nun der Bundestag am Zug, der über die Pläne beraten und am Ende entscheiden muss. Geplant ist, dass die Neuerungen mit dem Jahreswechsel in Kraft treten.
Ziel der Regierung aus SPD, Grünen und FDP ist es, den Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Bruttostromverbrauch bis 2030 auf 80 Prozent zu steigern. Im vergangenen Jahr waren es 46 Prozent gewesen. Der Zubau an Photovoltaik lag laut Ministerium im vergangenen Jahr bei rund 7,5 Gigawatt. Im laufenden Jahr sind demnach allein bis Juli erneut mehr als 7,5 Gigawatt hinzugekommen, erwartet werden ein Zubau im zweistelligen Bereich. (dpa/dl)
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